Die Innenstadt ist an diesem Dienstagvormittag dicht. Taxis, wohin man schaut. Andere müssen auf die Straße gehen, um ihre Interessen zu vertreten – sie sind üblicherweise schon dort: Münchens Taxler. Und sie sind wütend. Im Stadtrat sollte eigentlich ein Mindestpreis für die Taxi-ähnlichen Fahrten mit Mietwagenunternehmen wie Uber oder Bolt beschlossen werden. Doch das Vorhaben wurde durch eine Mehrheit von SPD und CSU wieder gekippt. Stattdessen sollen die Vermittlungsplattformen eine freiwillige Erklärung unterschreiben, dass rechtliche und soziale Standards eingehalten werden. Dafür haben sie nun ein Jahr Zeit.
In der Innenstadt – wie hier am Isartor – haben die vielen Taxifahrer mt ihren Autos den Verkehr nahezu lahmgelegt. (Foto: Robert Haas/Robert Haas)
Das wollen Münchens Taxifahrer nicht hinnehmen. Sie haben deshalb laut Polizei eine „Eilversammlung“ einberufen, um Druck zu machen, und treffen sich vor dem Münchner Rathaus auf dem Marienplatz. Etwa 300 finden sich dort nach Zählung der Polizei am Vormittag ein. „Mindestfahrpreis = Fairness für alle“ und „Fairer Wettbewerb statt Sozialdumping“ steht auf gelben Plakaten, die die Taxifahrer mitgebracht haben.
Weil sie zum Marienplatz aber nur zu Fuß kommen, haben sie ihre Taxis vorher abgestellt. Und das sind offenbar viele. Durch die Sternfahrt komme es „im Innenstadtbereich aktuell zu starken Verkehrseinschränkungen“, schreibt gegen 10 Uhr die Münchner Polizei auf ihrem Whatsapp-Kanal. Auf allen Zufahrtsstraßen in die Innenstadt sind Taxis unterwegs. Die Straße im Tal in der Altstadt ist zeitweise komplett von Taxis blockiert.
Ihre Wut – auch auf die Stadtspitze – bringen die Taxifahrer mit Schildern, und wütenden „Dieter raus!“-Rufen zum Ausdruck. Auf Plakaten ist das Konterfei des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter (SPD) zu sehen und dazu der Slogan: „Wer hat uns verraten?“
Weil „Dieter“ aber nicht herauskommt, wollen etliche Taxifahrer hinein und drängen durch die für Besucher offenen Türen ins Rathaus. Was wie ein Sturm auf den Sitz der Stadtspitze aussieht, erweist sich dann als – dank Trillerpfeifen – lautstarke Runde durch einen der Innenhöfe. Anschließend lassen sich die Protestierenden von Polizei, Sicherheitsdienst und ihren eigenen Demo-Ordnern rasch wieder hinauskomplimentieren. Hinter ihnen fallen die schweren Eisentore des Rathauses ins Schloss.
Unter dem Beifall der Demonstranten kommt mittags Thomas Kroker, Vorsitzender von Münchens größter Taxigenossenschaft Taxi eG und Präsident des Taxi- und Mietwagenverbands Deutschland aus dem Rathaus. Er hat die Sitzung des Kreisverwaltungsausschusses auf der Zuschauertribüne mitverfolgt. Und er ist danach, gelinde gesagt, stinksauer. Schon am Vorabend, sagt er am Rande der Demo, seien sie beim Taxiverband vom Änderungsantrag der SPD überrascht worden, ebenso von der CSU, die sich diesem angeschlossen habe. Bereits kurz nach Bekanntwerden des Antrags sei unter den Kollegen eine Welle der Mobilisierung losggebrochen, berichtet Kroker: „Die Wut ist riesengroß.“
Bevor Münchens oberster Taxler auf den Fischbrunnen steigt, um der Menge mit dem Megafon noch einmal einzuheizen, macht er vor allem Münchens OB und der Billigkonkurrenz schwere Vorwürfe. Es habe eine „massive Kampagne von Plattformbetreibern“ gegeben, um auf Reiter Druck auszuüben, sagt Kroker; eine mit automatisierten E-Mails befeuerte Offensive „von zwei großen Betreibern“ mit dem Ziel, die Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen. Und der OB sei unter dieser ebenso wie die CSU eingeknickt. „Der Rechtsstaat kapituliert vor Verbrechern, vor Rechtsbrechern, die sytematisch Gesetze umgehen“, sagt Kroker. Dass nun mit der Konkurrenz über höhere Standards verhandelt werden soll, hält er für einen fatalen Fehler: „Mit solchen Leuten verhandelt man nicht.“
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Einige Polizisten postieren sich im Eingangsbereich, um weitere Zwischenfälle zu verhindern. Kurzfristig kreist sogar ein Polizeihubschrauber über der Münchner Altstadt. Allerdings nicht, wie ein Polizeisprecher erläutert, weil es Schlimmeres zu verhindern gäbe. Man will sich lediglich einen Überblick verschaffen, vor allem darüber, wo die Protestierenden ihre Taxis abgestellt haben und ob das zu gefährlichen Engpässen führen könnte.
So schnell, wie sie gekommen sind, aber wesentlich weniger lautstark, ziehen die Taxifahrer gegen Mittag wieder ab. An ihren Autos oder in den nächsten Tagen in ihren Briefkästen werden viele von ihnen Strafzettel finden. Parken in zweiter Reihe und ähnliche Verkehrsordnungswidrigkeiten sind auch an Protesttagen verboten.