Wolfenbüttel. Die Kundenkartei der Firma umfasste 50.000 Namen. Auch einige Stars waren darunter. Das machte das Unternehmen so besonders.

Eine Kabinettausstellung im Bürgermuseum Wolfenbüttel widmet sich noch bis zum 21. September der über die Region hinaus bekannten Wolfenbütteler Firma Bienen-Thie, die vor rund 135 Jahren gegründet wurde. Viele der ausgewählten Objekte zur Verfügung gestellt hat der Imker Andreas Pientka, der eine umfangreiche Sammlung zur Geschichte der Wolfenbütteler Manufaktur für Imkerausrüstung besitzt, wie die Stadt Wolfenbüttel mitteilt.

Geschäft für Imkergeräte wurde in den 1890er Jahren in Wolfenbüttel eröffnet

Anfang der 1890er-Jahre eröffnete der Berufsimker Heinrich Thie ein Geschäft für Imkereigeräte in der Auguststraße 2/3, heute Dr.-Heinrich-Jasper-Straße 4. Die Erfindung und Herstellung praktischer Imkereigeräte brachte schnell Erfolge. 1910 wurde an der benachbarten Sophienstraße ein mehrgeschossiges Produktionsgebäude errichtet zur Herstellung von Bienenzuchtartikeln sowie zur Holz- und Blechbearbeitung. Ebenso beherbergte das Gebäude eine Schmiede, Lager-, Versand- und Büroräume und eine Näherei.

Die Insektenbeauftragten Elias Schneider (rechs) und Oskar Jachewicz bringen an einem Aussiedlungsort beim Bund-Kreisverband in Wolfenbüttel das an einem Dachboden in Hornburg entfernte Wespennest neu an. 

Alles neu im Verkaufsraum von Bäckermeister Christian Vahldiek aus Weddel, der sich nach dem Umbau und der Wiedereröffnung seines Geschäfts am Weddeler Hopfengarten mit seiner Mitarbeiterin Annika Karlisch zeigt.

In den Außenanlagen befanden sich Bienenstände mit über 500 Bienenvölkern. Es gab noch weitere Versuchs- und Muster-Bienenstände in der Campestraße mit Bienenwohnungssystemen, Bienentränken, Körben, Wolfenbütteler Kuntzsch-Zwillingen, Schleuderhaus und Imkerwohnung. Weitere Außen-Bienenstände existierten in Hedwigsburg und Steterburg.

Firma aus Wolfenbüttel ist international bekannt

Viele Prospekte, Kataloge, Preisbücher und Bienenfachbücher zeugen, so heißt es in der Mitteilung, von dem Erfolg der Firma und machten sie sogar international bekannt. In den 1930er-Jahren besaß Thie Postscheckkonten in Hannover, Wien, Prag, Bern, Luxemburg, Kopenhagen, Danzig, Warschau, Paris und Brüssel, die Kundenkartei umfasste mehr als 50.000 Namen. Zu den Kunden Thies zählten der Boxer Max Schmeling und der Schriftsteller Hans Fallada.

Eine originale Honigschleudermaschine der Firma Bienen-Thie ist im Bürger Archiv zu sehen.

Eine originale Honigschleudermaschine der Firma Bienen-Thie ist im Bürger Archiv zu sehen.
© Bürgermuseum Wolfenbüttel | Privat

Der „Sitzschemel Wolfenbüttel“, der „Wolfenbütteler Königinnen-Zucht und Befruchtungskasten für Kuntzsch-Imker“ und die „Wolfenbüttel-Einheitsgläser“ zählten genauso zum Sortiment wie der heute noch bekannte und berühmte „Wolfenbütteler Kuntzsch-Zwilling“ – vereinfacht gesagt: eine Bienenwohnung. Ende der 1930er-Jahre gab Bienen Thie den Firmensitz in Wolfenbüttel auf und zog mit dem Betrieb in das thüringische Neustadt an der Orla – wahrscheinlich, weil es in Thüringen mehr geeignetes Holz für die Bienenzuchtprodukte gab. Bis 1955 war die Firma noch im Wolfenbütteler Handelsregister eingetragen.

Wolfenbütteler Fabrik Bienen-Thie nahm Vorreiterrolle ein

„Ein traditionsreiches Wolfenbütteler Unternehmen hat die Imkerszene in Deutschland und Europa nachhaltig geprägt. Viele Jahrzehnte nahm die Fabrik Bienen-Thie eine Vorreiterrolle ein und bis heute haben Imker und ihre Nachfahren deren hochwertigen Produkte, die in großem Stil hergestellt und die in Handarbeit gefertigt wurden, in Besitz und Gebrauch“, sagte Markus Gröchtemeier, stellvertretender Leiter des Museums Wolfenbüttel.

Die „Triumph“ wurde für die Weiterverarbeitung von Heidehonig verwendet und zählte zu den Vorzeigeprodukten der Firma Bienen-Thie.

Die „Triumph“ wurde für die Weiterverarbeitung von Heidehonig verwendet und zählte zu den Vorzeigeprodukten der Firma Bienen-Thie.
© Bürgermuseum Wolfenbüttel | Privat

„Schon mein Vater war Berufsimker und der Name Thie sagte mir etwas, war doch mein Vater in den frühen 1970ern Kunde der Firma. Vor etlichen Jahren erwarb ich von einem Antiquariat aus der Nähe von Hannover neben alter Imkerliteratur auch etliche Kataloge der Firma Heinrich Thie aus Wolfenbüttel“, berichtet Andreas Pientka, Berufsimker aus Boizenburg/Elbe, der heute über eine große Sammlung an Exponaten und Dokumenten von Bienen-Thie verfügt. „Fast jeder ältere Imker kennt den Wolfenbütteler Kuntzsch-Zwilling. Er wurde auch noch in der DDR produziert. Ich habe mir damals die Frage gestellt, warum und wann ist die Firma Heinrich Thie von Wolfenbüttel, also aus dem Westen, nach Neustadt/Orla in den Osten übergesiedelt.“

Ehemalige Fabrik in Wolfenbüttel ist heute ein Wohnhaus

Unter dem Leitspruch „Wie du den Bienen dienst, so dienen sie dir wieder“ veröffentlichte die Firma Heinrich Thie über Jahrzehnte im eigenen Verlag Fachliteratur und Werbung rund um die Bienenzucht und die Honiggewinnung.

Ein Blick in die Vitrine, in der die 135-jährige Geschichte der Wolfenbütteler Firma Heinrich Thie (Bienen-Thie) zu sehen ist.

Ein Blick in die Vitrine, in der die 135-jährige Geschichte der Wolfenbütteler Firma Heinrich Thie (Bienen-Thie) zu sehen ist.
© Bürgermuseum Wolfenbüttel | Privat

Das Gebäude an der Sophienstraße wurde 1944 an einen neuen Eigentümer verkauft, der dort eine Druckerei betrieb. Seit Sommer 2021 stehen in diesem Baudenkmal Wohnungen zur Miete. Noch heute erinnert dort eine Gedenktafel an den Erbauer des Hauses Heinrich Thie und seine Ehefrau Dora, geborene Blume, und am früheren privaten Wohnsitz der Familie prangt über der Eingangstür noch immer ein Zierstein mit eingearbeitetem Bienenkorb.

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„Die Geschichte der Firma Bienen-Thie ist einmal mehr ein Beweis dafür, dass in der Stadt Wolfenbüttel unternehmerische Erfolgsgeschichten geschrieben wurden, Jägermeister, Welger, Kuba-Tonmöbel und MKN sind hier beste Beispiele. Wir freuen uns, dass wir wieder einmal mit einem Sammler zusammengearbeitet haben, der geholfen hat, ein Kapitel Wolfenbütteler Stadtgeschichte zu vertiefen“, so Markus Gröchtemeier.

Die Ausstellung im Bürgermuseum kann dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr besichtigt werden.

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