48 veränderte Gene

Die DNA-Vergleiche zeigten 57 Abschnitte auf 48 Genen, die bei stotternden Menschen verändert sind. Nur drei dieser Genvarianten standen zuvor schon im Verdacht, Mitauslöser des Stotterns zu sein. Dies bestätigt: Stottern wird nicht durch ein einzelnes oder wenige Gene ausgelöst, sondern durch das komplexe Zusammenwirken vieler Genvarianten, wie das Team um Polikowsky erklärt.

Interessant auch: Einige der neu entdeckten Genveränderungen beeinflussen genau die Hirnareale, die bei Stotternden anders reagieren. Aber auch andere neurologische Verbindungen zeigten sich: „Mehr als 20 der von uns identifizierten Gene wurden schon zuvor mit neurologischen und mentalen Störungen in Verbindung gebracht“, berichten Polikowsky und ihre Kollegen. Darunter sind auch Genvarianten für Autismus. ADHS und Depression. „Das liefert zusätzliche Belege dafür, dass das Stotter-Risiko eine neurologische Basis hat.“

Zusammenhang mit Rhythmus und Musikalität

Ein weiterer Zusammenhang zeigte sich vor allem bei stotternden Männern: Bei ihnen ist meist ein Gen namens VRK2 verändert, wie die DNA-Vergleiche ergaben. Dieses Gen ist jedoch kein Unbekannter – es ist eng mit unserem Rhythmusgefühl verknüpft, wie frühere Studien gezeigt hatten. Veränderungen in diesem Gen können dazu führen, dass Betroffene Schwierigkeiten haben, im Takt zu klatschen. 

„In der Vergangenheit haben wir Musikalität, Sprache und Sprechen als drei separate Einheiten betrachtet, aber diese Studien deuten darauf hin, dass es eine gemeinsame genetische Grundlage geben könnte. Die Architektur des Gehirns, die unsere Musikalität, unser Sprechen und unsere Sprache steuert, könnte Teil eines gemeinsamen Pfades sein”, sagt Below. „Es ist unglaublich spannend, auf biochemischer, molekularer und zellulärer Ebene zu verstehen, was uns als Spezies ausmacht – unsere Kommunikationsfähigkeit.“

Gegen Stigmatisierung und Vorurteile

Insgesamt bestätigen die neuen Erkenntnisse, dass Stottern keineswegs nur psychologische Ursachen hat. „Seit Jahrhunderten gibt es falsche Vorstellungen darüber, was Stottern verursacht – von Linkshändigkeit über Kindheitstraumata bis hin zu überfürsorglichen Müttern“, sagt Below. „Unsere Studie zeigt, dass Stottern nicht durch persönliche oder familiäre Versäumnisse oder Intelligenz verursacht wird, sondern durch unsere Gene beeinflusst wird.“

Ihr Kollege Dillon Pruett, der selbst stottert, ergänzt: „Unsere Studie hat ergeben, dass es viele Gene gibt, die letztlich zum Stotter-Risiko beitragen. Wir hoffen, dieses Wissen nutzen zu können, um das Stigma im Zusammenhang mit Stottern zu beseitigen und hoffentlich in Zukunft neue therapeutische Ansätze zu entwickeln.“ (Nature Genetics, 2025; doi: 10.1038/s41588-025-02267-2)

Quelle: Vanderbilt University Medical Center







30. Juli 2025

– Elena Bernard/ Nadja Podbregar