AUDIO: Friedenspreisträger Schlögel mahnt zur Verteidigung des Frieden in Europa (6 Min)
Stand: 29.07.2025 16:59 Uhr
Der diesjährige Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels ist der Historiker und Publizist Karl Schlögel. Im Interview betont er die Bedeutung der Unterstützung der Ukraine und sieht Waffenlieferungen als notwendig.
Verliehen wird der mit 25.000 Euro dotierte Preis am 19. Oktober in der Frankfurter Paulskirche, zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse. Mit Karl Schlögel wird eine Persönlichkeit gewürdigt, der – wie kaum ein anderer – die Geschichte und Gegenwart Osteuropas erkundet hat und dabei spätestens mit der Besetzung der Krim auch die Geschichte der Ukraine in den Fokus gestellt hat. In der Jurybegründung heißt es: Er mahnt uns: „Ohne eine freie Ukraine kann es keinen Frieden in Europa geben.“
Herr Schlögel, wo und wann haben Sie die Nachricht erhalten?
Karl Schlögel: Ich habe sie nicht erst Dienstagmorgen bekommen, sondern ich wurde vorher informiert. Ich habe einen Anruf bekommen und war erst mal sehr erstaunt und musste mich erst mit dem Gedanken anfreunden.
Sie sind selbst lange Jurymitglied gewesen – und stehen nun selbst in einer Reihe mit Namen wie Albert Schweitzer, Martin Buba, Hermann Hesse und Astrid Lindgren. Was ist das Besondere am Friedenspreis des Deutschen Buchhandels?
Schlögel: Ich glaube, dass er eine Brücke schlägt zwischen dem Schreiben, dem öffentlichen Nachdenken und der politischen Welt. Dass es nicht nur um Bücher geht, die vielleicht einen Fortschritt in der Disziplin darstellen, sondern dass es von öffentlichem Belang ist und dass es immer auch etwas mit der Zeit zu tun hat, in der der jeweilige Preis vergeben wird. Ich habe es so verstanden, dass meine Arbeit zur Öffnung nach Osteuropa, die Aufmerksamkeit für das, was dort geschieht, eine große Rolle gespielt hat.
Seit den 60er-Jahren beschäftigt sich Schlögel in seiner Arbeit mit Osteuropa und Russland. Die Verleihung findet am 19. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse statt.
Das ist auch ein Teil der Jury-Begründung gewesen: „Karl Schlögel mahnt uns: Ohne eine freie Ukraine kann es keinen freien Frieden in Europa geben.“ Sie haben sich recht früh für Waffenlieferungen an die Ukraine positioniert, haben sich immer wieder eingemischt in die politische Debatte und sagen auch: Frieden sei ohne Kriegstüchtigkeit nicht zu haben. Meinen Sie, dass sich die Bekanntgabe der Entscheidung auch deshalb etwas hinausgezögert hat?
Schlögel: Das kann ich nicht beurteilen. Ich weiß aus meiner Arbeit in der Jury, dass das eine sehr ernste, fordernde und anstrengende Geschichte ist. Man liest unglaublich viel, man macht sich bekannt mit ganz verschiedenen Denkwelten, und dann kommt es zu einer Entscheidung. Wie das in diesem Fall gewesen ist, das weiß ich nicht.
Aber ob die Unterstützung der Ukraine und ein Votum für Waffenlieferungen etwas mit Frieden zu tun hat, das kann ich Ihnen schon sagen. Meiner Meinung nach gilt der alte Spruch: „Si vis pacem, para bellum“ – wenn man angegriffen wird, dann muss man sich verteidigen. In diesem Fall ist das ganz klar. Ich habe 2014, als das losging, nicht nur Zeitung gelesen und den Korrespondentenberichten gefolgt, sondern ich bin hingefahren und habe mir das angesehen. Ich bin regelmäßig immer wieder dort, um mir selber ein Bild zu machen von der Stimmung im Lande, von dem, was da abläuft bei diesen täglichen Rund-um-die-Bombardements auf die städtischen Zentren der Ukraine. Ich versuche mir ein Bild zu machen und bin der Auffassung, dass ein Land, das angegriffen wird – und in diesem Fall sogar programmatisch; Putin hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er eine unabhängige, souveräne Ukraine, die auf ihre Eigenständigkeit besteht, nicht hinnehmen will -, sich verteidigen soll. Das ist für mich eine ganz klare Geschichte.
Gehe ich also recht in der Annahme, dass diese Frage, wie Frieden mit Waffen möglich ist, auch Thema in Ihrer Dankesrede in der Paulskirche am 19. Oktober sein wird?
Schlögel: Es ist noch eine Weile hin, und ich habe mich noch nicht entschieden, was dort passieren wird. Klar ist, dass das eine große Herausforderung ist, für diese Situation die angemessenen Worte zu finden. Ich habe in einem anderen Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es mich sehr stark an die analytische Anstrengung der Intellektuellen in den 30er-Jahren erinnert, Begriffe und eine Sprache zu finden für das, was läuft. Darum wird wahrscheinlich meine Rede auch kreisen, aber es ist noch Zeit bis dahin.
Das Gespräch führte Keno Bergholz.
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