Die junge Naomi und ihr einjähriger Sohn Uri sind nicht erfreut, allein zu sein. Der Kindsvater Juval hat die kleine Familie in Tel Aviv aus dienstlichen Gründen verlassen müssen. In seiner Abwesenheit werden Arbeiten am Haus verrichtet, mit denen ein palästinensischer Handwerker beauftragt wurde. Ein Balkon soll angebaut werden.

Ayelet Gundar-Goshen: „Ungebetene Gäste“, 320 Seiten, 25 Euro, Kein & Aber. Foto: Kein & Aber

Es ist die Zeit, nach der das Land ins Trauma verfiel. Rebellen aus Gaza hatten Häuser jüdischer Bürger überfallen, Menschen verschleppt, gefoltert und einige getötet. Naomi spürt ihr Unwohl, weil der fremde Mann allein werkelt. Aber der macht seine Sache gut, deshalb beschließt sie, Kaffee für sich und den Arbeiter zu bereiten.

Lesen Sie auch:„Sehr geehrte Frau Ministerin“: Literatur-Podcast zu Ursula Krechel

Plötzlich entsteht in der Häusergasse Aufruhr. Ein jüdischer Junge ist von einem herabstürzenden Hammer erschlagen worden. Es ist ein Hammer aus Naomis Haus, sie ist sicher, dass ihr kleiner Sohn das schwere Werkzeug unbeabsichtigt vom Balkon gestoßen haben muss.

Doch die israelischen Familien toben. Der Araber war’s, glauben sie, er hat den Hammer geworfen. Er wird von der Polizei zum Verhör geholt, Naomi will eingreifen, aber sie ist gelähmt. Sie könnte sagen, was geschehen ist, tut es aber nicht. Angst macht ihr nun nicht die eigene Angst, sondern die der anderen, die sich festgelegt haben. Naomi schaut nicht hin, als der Handwerker weggebracht wird.

Das Buch von Ayelet Gundar-Ghosen, 1982 geboren, ist ein mutiges Werk. Es erzählt von der Lage in ihrer Heimat, von Stimmung und Furcht. Setzen sich Vorurteile durch, folgen Rache und Gewalt. Die Autorin ist Psychologin, sie hat Menschen therapiert. Und hat selber Ähnliches erlebt wie in ihrer Erzählung.

„Die einzige Literatur, die ich schreiben möchte, ist die, die von der dunklen Seite des Menschseins erzählt; davon, worüber Menschen nicht reden wollen“, heißt es. Naomi hat ihre persönlichen Erinnerungen, nennt sie „ungebetene Gäste“. Und bleibt die Antwort schuldig, wenn sie sich fragt: „Was machen wir mit unserer Schuld?“.