„Ich war ein Bergmann mit Leib und Seele“, sagt Uwe Wilke. Der 62-Jährige steht an einem riesigen Schaufelradbagger im Bergbau-Technik-Park in Großpösna. Er gehört zu einer Gruppe, die den Park im Süden von Leipzig jeden Mittwoch pflegt. Alle haben in der Montanindustrie gearbeitet. Und das Auf und Ab der Branche hautnah miterlebt. Vom Boom, bei dem sogar Dörfer dem Bergbau weichen mussten, bis zum Kohleausstieg.
Auch Vereinschef Riedel musste seinen Heimatort verlassen
Ein Ausstellungsschwerpunkt in Großpösna widmet sich den verschwundenen Dörfern. Der 55-jährigen Kohleförderung im Tagebau Espenhain seien 20 Dörfer teilweise oder komplett zum Opfer gefallen.
Weit über 8.000 Menschen hätten sich eine neue Heimat suchen müssen, heißt es in der Ausstellung. Darunter war auch Gerald Riedel. Er ist der Vereinsvorsitzende des Technikparks, eine Art Hans Dampf in allen Gassen. Die Zukunft des Parks liegt ihm am Herzen: „Man müsste 120 werden, um all die Arbeiten zu schaffen“, sagt der 75-Jährige, der in Interviewpausen Unkraut jätet. Etwas ist hier immer zu tun.
Riedel lebte in Magdeborn, einem Ort, der ebenfalls dem für die DDR wichtigen Braunkohleabbau Anfang der 1980er-Jahre weichte musste: „Wir haben schon an unserem Dorf gehangen. Es war immerhin ein Ort mit über 3.000 Einwohnern. Wir haben es ungern verlassen.“ Riedel war damals 30 Jahre alt.
Die „Älteren hingen noch mehr an der Scholle“
Bei den Eltern oder Großeltern sah das noch heftiger aus, erzählt er MDR SACHSEN: „Von den Älteren wollen wir gar nicht reden. Für die war das noch viel schlimmer. Die hingen ja noch mehr mehr an der Scholle.“ Er erzählt von einer Fast-Rentnerin, die alleine gewesen sei. Und am Tag ihres Umzugs nicht mehr da war. Sie habe in einem Nebengebäude Selbstmord begangen.
„Wir brauchten halt den Strom“
„Wir jungen Leute haben es einigermaßen verkraften können. Da fing man nicht an rumzunörgeln.“ Kritik an der politischen Entscheidung, ein Dorf dem Erdboden gleichzumachen, hatte er nicht: „Wir hatten als einzige Großenergie Braunkohle. Deshalb war es für viele klar, durch dieses Nadelöhr müssen wir gehen. Wir brauchten halt den Strom.“
Arbeit in Espenhain als „Hobby und Bombenjob“
Insgesamt 22 Jahre lang arbeitete er in Espenhain, als Elektriker, und das mit großer Begeisterung: „Das war mein Hobby und ein Bombenjob. Gerade im Tagebau ein sehr vielseitiger und interessanter Beruf.“ Nach der Wende sah er die unsichere Zukunft in der Montanbranche, und so kündigte er Ende 1990 und arbeitete ab da bis 2014 als Serviceleiter in einem Unternehmen, das Gabelstapler betreut. Und das in seinem neuen Wohnort Liebertwolkwitz: „Meine Frau hatte dort eine Arbeit als Uhrmacherin. Ich konnte dann mit dem Fahrrad auf Arbeit fahren.“
War der Umstieg freiwillig? „Mehr oder minder. Ich begann in der Firma eines Klassenkameraden zu arbeiten. Wir kannten uns bestens, hatten früher auch beide in Magdeborn gewohnt.“ 1997 zog die Firma weiter ins Güterverkehrszentrum nach Leipzig-Radefeld, mit Gerald Riedel im Schlepptau. Seine neue Firma wuchs, es ist eine Erfolgsstory.
„Viele haben das einfach nicht verkraftet“
Bei ihm lief das Ende seiner Zeit in der Braunkohle reibungslos. Bei vielen anderen nicht. Sie bekamen Probleme: „Als Zigtausende arbeitslos geworden sind, da gab es auch welche, die haben das einfach nicht verkraftet. Ich kenne Fälle, die sind dann zum Alkohol gegangen. Oder Familien haben sich aufgelöst, weil die inneren Spannungen zu groß wurden. Das waren nicht wenige.“