Die EU-Kommission bemüht sich, das von Ursula von der Leyen mit US-Präsident Donald Trump ausgehandelte Zollabkommen gegen zunehmende Kritik zu verteidigen. „Es ist das beste Abkommen, das wir bekommen konnten“, erklärt Handelskommissar Maroš Šefčovič. Dadurch sei eine Eskalation des Streits zwischen Brüssel und Washington abgewendet worden.

Das mag zutreffen – doch dafür droht nun ein schwerer Konflikt innerhalb der Europäischen Union, insbesondere zwischen Deutschland und Frankreich. Denn während Bundeskanzler Friedrich Merz das Abkommen grundsätzlich lobt, zeigt sich die französische Regierung empört. Premierminister François Bayrou sprach in einer ersten Reaktion von einem „schwarzen Tag“ für Europa. Es sei beschämend, dass sich die EU – „ein Bündnis freier Länder, die ihre Werte und Interessen verteidigen wollen“ – zur „Unterwerfung“ entschlossen habe.

„Franzosen betrachten Bundesregierung mit wachsender Skepsis“

Der Konflikt zwischen Berlin und Paris sei „bereits in vollem Gange“, so Jacob Ross, Frankreich-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), gegenüber der Berliner Zeitung. Beim Besuch von Präsident Emmanuel Macron in Berlin vergangene Woche sei das Thema zur Sprache gekommen. Man habe damals angenommen, Merz habe sich Macrons Haltung angenähert und wolle künftig ebenfalls entschlossener auftreten, um sich nicht von Trump unter Druck setzen zu lassen.

„Dass das Ergebnis des Deals nun ganz anders aussieht, sorgt in Frankreich für großen Ärger“, erklärt Ross. In ersten Gesprächen mit Kontakten in Paris habe sich bei ihm zudem der Eindruck verfestigt, dass viele Franzosen der Bundesregierung unterstellen, vor allem ein vorteilhaftes Ergebnis für die deutsche Industrie angestrebt zu haben – teils auf Kosten anderer Mitgliedstaaten, insbesondere Frankreichs.

„Das Verhandlungsergebnis ist aus meiner Sicht gleich aus mehreren Gründen gefährlich für die EU und für die Regierungen mehrerer Mitgliedstaaten“, betont Ross. In Frankreich werde der Regierung nun von links und rechts vorgeworfen, eine überforderte Kommission mit den Verhandlungen betraut und nationale Interessen preisgegeben zu haben. In einer ohnehin angespannten Stimmung biete dies erhebliches Konfliktpotenzial, gerade weil viele Franzosen die Bundesregierung mit wachsender Skepsis, Neid oder Ablehnung betrachteten – angesichts ihrer fiskalischen Spielräume und ihres Führungsanspruchs in Europa.

Die EU sei in Frankreich bislang vor allem deshalb mehrheitlich akzeptiert worden, weil sie Ergebnisse geliefert habe – also durch ihre sogenannte Output-Legitimität. Man habe ihr zugetraut, den Wohlstand zu mehren und das tägliche Leben zu erleichtern. „Verliert die Union diesen Nimbus, könnte sie scheitern oder aber in den kommenden Jahren von Alternativmodellen ersetzt werden, etwa einem wieder wesentlich stärker auf dem Subsidiaritätsprinzip und der nationalen Souveränität beruhenden ‚Europa der Nationen‘“, so Ross.

Wird der Zoll-Deal neu verhandelt?

Ein Veto Frankreichs – etwa im Verbund mit Staaten wie Ungarn – hält Ross für unwahrscheinlich. Jedoch sei es denkbar, dass – wie im Fall des Mercosur-Abkommens – auf Nachverhandlungen gedrängt werde, um von den USA bessere Bedingungen zu fordern. Dies könnte allerdings neue Probleme für die Kommission und andere Mitgliedstaaten mit sich bringen.

In Frankreich, so Ross, wünsche man sich gerade von Deutschland einen entschlosseneren und zugleich realistischeren Umgang mit Trump und anderen internationalen Akteuren. „Europaminister Benjamin Haddad forderte in der Vergangenheit seine ‚europäischen‘ Partner – er meinte vor allem Deutschland – auf, mehr Machiavelli und Kissinger zu lesen und weniger Kant und Fukuyama. Entlang dieser Konfliktlinie sehe ich die europäischen Debatten der kommenden Monate“, so Ross’ Fazit.