Nein, auf dem Weg, auf dem die dänische Hauptstadt Kopenhagen schon lange ist, ist Leipzig noch nicht. Auch wenn das die Stellungnahme des Oberbürgermeisters zu einer Petition so suggeriert, welche genau das fordert: „Kooperation mit Kopenhagen für eine autoärmere Stadt“. Die OBM-Stellungnahme macht es sich recht einfach: „Die Petition fordert, Leipzig solle sich Kopenhagen zum Vorbild nehmen und konkrete Maßnahmen zur Verkehrswende ergreifen, inkl. Partnerschaft. Der Verwaltungsstandpunkt (VSP) verweist auf die Mobilitätsstrategie 2030, laufende Fortschritte im Umweltverbund sowie Offenheit für Dialog und fachlichen Austausch.“

Das liest sich gerade so, als ließe jemand einfach mal die Luft aus der Luftmatratze.

Dabei bezog sich der Petent sogar auf Aussagen von Sachsens vormaligem Verkehrsminister Martin Dulig (SPD), der damals noch mutig war. Richtig mutig, wenn es um Fahrradvisionen für Sachsen ging: „Es ist beeindruckend zu sehen, wie in Kopenhagen bei der Städteplanung diese neuen Ansätze verfolgt werden. Hier ist die Ausgangslage völlig anders als bei uns: Die Städte sehen sich als Treiber, reformieren ihre Verkehrssysteme aus eigenem Antrieb heraus. Städte wie Kopenhagen befördern die Reformen Dänemarks, indem sie selbst Tatsachen schaffen.

Der Wille, die Stadt für Radfahrer umzugestalten, kam aus der Bürgerschaft – alle Parteien waren sich einig, dies zu unterstützen. Entsprechend konnten dann die Herausforderungen angegangen werden. Von diesem Konsens, Verständnis und der optimistischen Herangehensweise können wir uns im Freistaat Sachsen viel abschauen.“

Die Petition: Kooperation mit Kopenhagen für eine autoärmere Stadt.

Das sagte Dulig 2019 nach dem Besuch einer sächsischen Wirtschaftsdelegation in Kopenhagen.

Jeder Zweite mit dem Rad zur Arbeit

Und das Verkehrsministerium lieferte auch gleich die Zahlen noch mit, von denen Leipzig noch weit, weit entfernt ist: „Wie schafft es Kopenhagen, innerhalb von nur wenigen Jahren, sich von einer automobillastigen Industriestadt zu einer modernen fahrradfreundlichen Metropole zu wandeln? Unter dieser Hauptfrage verlief das Gespräch mit den Verkehrsexperten Kopenhagens. Bis zum Jahr 2025 will Kopenhagen CO₂-neutral sein – dafür wird vor allem das Verkehrssystem grundlegend reformiert.

49 Prozent der Einwohner fahren bereits mit dem Fahrrad auf die Arbeit – es sollen deutlich mehr werden. Um dies zu erreichen, werden Fahrspuren für Autos zu Gunsten von Radwegen gestrichen. Auch werden für Autos Durchfahrtssperren verhangen – für Radwege hingegen neue Brücken über die Kanäle der Stadt gebaut. Fußwege und Parks werden neu angelegt oder verbreitert – die Stadt soll so systematisch grüner und lebenswerter werden.“

Von einer CO₂-Neutralität träumt Leipzig frühestens im Jahr 2035, eher im Jahr 2040, wie auch der OBM in seiner Stellungnahme anführt. Der Anteil des Fahrradfahrens an allen Wegen, die die Leipziger zurücklegen, beträgt knapp 20 Prozent, auch wenn er seit Jahren steigt. Von wirklich unabhängigen „Cycle Highways“ kann in Leipzig keine Rede sein. Die seit 2016 diskutierten Radschnellwege in Sachsen sind bis heute nur eine Idee, ihre Finanzierung ist völlig unklar.

Sachsens Kommunen an der kurzen Leine

Und natürlich hatte Dulig recht, wenn er darauf verwies, dass die Spielräume dänischer Städte größer sind. Sie hängen nicht derart wie sächsische Städte am Tropf einer Staatsregierung, die lieber riesige Rücklagen anhäuft, als mutig in Zukunftsstrukturen zu investieren. Daran hat auch die letzte Wahl nichts geändert.

Wobei auch Leipzigs OBM recht hat, wenn er darauf verweist, dass Leipzigs Mobilitätsstrategie – für sächsische Verhältnisse – tatsächlich schon ambitioniert ist.

Das klingt in der Stellungnahme des OBM dann so: „Die Petition will eine Kooperation mit der Stadt Kopenhagen und die Übernahme städtepla­nerischer Ziele erwirken. Das Anliegen der Petition entspricht aus verschiedenen Gründen bereits dem Verwaltungshandeln.

The bike lanes of Copenhagen

Leipzig verfolgt mit der Mobilitätsstrategie 2030 verschiedene Ziele. Diese stimmen im Wesentlichen mit denen der Stadt Kopenhagen überein. Beispielsweise wollen beide Städte die Erhöhung des Anteils an Rad- und Fußverkehr. Der Rahmenplan zur Mobilitätsstrategie, der alle zwei Jahre fortgeschrieben wird, benennt dazu viele konkrete Maßnahmen.

Die aktuell laufende Evaluation zeigt, dass sich der Trend zur Stärkung des Umweltverbundes fortsetzt. Auch die Zufriedenheit von Fußgängern und Radfahrenden, sowie die Nutzung des ÖPNV entwickeln sich positiv. Die Stadtverwaltung wird die Anregungen der Petition in die laufenden Planungen einfließen lassen. Die Mobilitätsstrategie 2030 ist ein dynamischer Prozess, der bewusst weiterentwickelt wird.“

Geht es nicht mutiger?

Die Verwaltung lehnt die Petition also nicht ab, betont aber: „Eine formalisierte Kooperationspartnerschaft mit Kopenhagen ist derzeit nicht vorgesehen. Es ist uns bewusst, dass der Weg zu einer CO₂-neutralen Stadt bis 2040 herausfordernd ist. Dabei können wir von den Erfahrungen anderer Städte wie Kopenhagen lernen. Wir prüfen kontinuierlich Möglichkeiten für Kooperationen und den fachlichen Austausch bewährter Praktiken. Darüber hinaus ist der gesellschaftliche Dialog wichtig.

Gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickeln wir Lösungen, die den Bedürfnissen aller Verkehrsteilnehmer gerecht werden sollen. Dabei ist es wichtig, auf die örtlichen Gegebenheiten einzugehen und hierfür passende Lösungen zu entwickeln.“

Da klingt doch sehr zurückhaltend gegenüber der Forderung aus der Petition, wirklich eigene Wege zu gehen, „dass man einen gesellschaftlichen Dialog fördert, der zum Ziel hat, ernsthaft einen Konsens für eine Verkehrswende einzuleiten – was die Mobilitätsstrategie 2030 nicht tut, diese ist ein Witz schlechthin und ändert an den Problemen fast nichts. Statt auf Reformen von oben zu warten, sollte auch Leipzig selber vorangehen und eine Verkehrswende hin zu ÖPNV, Fahrrad und Fußgängerfreundlichkeit wagen. Der Weg, den Kopenhagen beschreitet, scheint sinnvoll zu sein.“

Man spürt die Unzufriedenheit mit all den kleinen Kompromissen, mit denen es in der Leipziger Verkehrswende vorangeht. Kompromisse, die schon bei der schrittweisen Umsetzung jedes Mal heftige Kontroversen auslösen und die lautstarken Verfechter einer fossilen Verkehrswelt auf den Plan rufen. Was würden dann erst „Cycle Highways“ nach Kopenhagener Vorbild in Leipzig für Debatten anfachen? Oder wäre sogar das Gegenteil der Fall?

Jetzt ist der Petitionsausschuss dran, sich eine Meinung zu bilden, bevor die Petition dann zur Abstimmung in den Stadtrat kommt.