Das deutsche Steuersystem ist völlig aus dem Lot. Nicht erst seit gestern und auch nicht erst seit der letzten Bundestagswahl, sondern schon seit den spätem 1990er Jahren, als die wilde Idee, man würde mit Steuersenkungen für die Reichen die Wirtschaft ankurbeln, eine Regierung nach der anderen zum Murksen trieb. Das Ergebnis war abzusehen, auch wenn es sich über drei Jahrzehnte immer weiter aufbaute. Das fehlende Geld wird zu Schulden. Und darunter leiden besonders die Kommunen.
Sie sind die Letzten in der Warteschlange, wenn die Steuereinnahmen verteilt werden, haben aber durch mehrere Bundesregierungen immer mehr Aufgaben aufgebürdet bekommen. Ihre Ausgaben wuchsen. Die zugeteilten Steuereinnahmen wuchsen nicht mit.
Und so überrascht es auch nicht, dass die jüngste Meldung des Statistischen Bundesamtes zeigt, wie es ausgerechnet die Kommunen sind, die in diesen Tagen immer tiefer in die roten Zahlen rutschen – ohne Möglichkeit zum Gegensteuern.
Leipzig im Schuldensog
Am Dienstag, dem 29. Juli, veröffentlichte das Statistische Bundesamt die neuen Zahlen zur wachsenden Gesamtverschuldung auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene. Doch während die Verschuldung von Bund und Ländern 2024 „nur“ um 2,1 Prozent wuchs, waren es auf der kommunalen Ebene satte 10,3 Prozent. Und das sieht nicht nach einem Ausrutscher aus.
Auch Leipzig steigerte sein Schuldenkonto von 524 Millionen Euro auf 1.007 Millionen. Und das bei einem ausgeglichenen Haushalt. Doch während die Pflichtausgaben den Haushalt regelrecht verschlingen, rutschen die notwendigen Investitionen in die Kreditaufnahmen.
Und damit ist Leipzig nicht allein. Erst am 1. Juli sagte Leipzigs OBM Burkhard Jung als amtierender Präsident des Deutschen Städtetages: „Der Investitionsstau in den Kommunen ist im vergangenen Jahr dramatisch auf bundesweit insgesamt 216 Milliarden Euro gewachsen.“ Und: „Allein im vergangenen Jahr betrug das kommunale Defizit etwa 25 Milliarden Euro. Wir leben immer mehr von der Substanz.“
Der Investitionsstau ist schon seit Jahren deutliches Signal für die Unterfinanzierung der kompletten kommunalen Familie. Nur scheint das auf Bundesebene nicht weiter zu interessieren. Man macht einfach weiter mit „Schuldenbremse“ und „Schwarzer Null“, diesen Fantasie-Gebilden einer neoliberalen Finanzpolitik, die den „schlanken Staat“ zur Doktrin erklärt.
Obwohl der sogenannte „schlanke Staat“ vor Ort genau das bedeutet: Kommunen, die immer mehr in Schulden versinken und den Investitionsstau nicht mehr in den Griff bekommen.
Über 2.000 Euro pro Kopf
Mit den Zahlen aus dem Statistischen Bundesamt: „Die Verschuldung der Gemeinden und Gemeindeverbände wuchs im fünften Jahr in Folge und erhöhte sich im Vorjahresvergleich um 10,3 % (15,9 Milliarden Euro) auf 170,5 Milliarden Euro. Daraus ergibt sich eine Pro-Kopf-Verschuldung von 2.206 Euro (2023: 2.005 Euro) an kommunalen Schulden.
Mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 3.577 Euro (2023: 3 158 Euro) waren wie im Vorjahr die Kommunen in Nordrhein-Westfalen am höchsten verschuldet. Es folgen die hessischen Kommunen mit einer Verschuldung pro Kopf von 3.009 Euro (2023: 2 734 Euro). Auf Platz drei der am höchsten verschuldeten Kommunen liegen trotz der Entlastung durch den ‘Saarlandpakt’ die saarländischen Gemeinden und Gemeindeverbände mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 2 824 Euro (2023: 2 796 Euro).
Die kommunale Ebene von Rheinland-Pfalz, die im Jahr 2022 noch am höchsten pro Kopf verschuldet war, ist aufgrund der Entlastungen im Rahmen des Landesprogramms ‘Partnerschaft zur Entschuldung der Kommunen in Rheinland-Pfalz’ (PEK-RP) erstmals nicht mehr unter den Top 3 der am höchsten verschuldeten Kommunen vertreten (2024: 2 388 Euro, 2023: 3 076 Euro).
Die geringste kommunale Pro-Kopf-Verschuldung verzeichneten 2024 die Kommunen in Brandenburg mit 581 Euro (2023: 556 Euro), gefolgt von den Kommunen in Thüringen mit 867 Euro (2023: 898 Euro) und in Sachsen mit 892 Euro (2023: 758 Euro).“
Aber auch dieser Zahlen geben kein vollständiges Bild. Denn während viele sächsische Kommunen geringe Schuldenstände haben, weil sie schon seit Jahren nicht mehr ausreichend in ihre Infrastrukturen investieren, geht die Pro-Kopf-Verschuldung in Leipzig gerade durch die Decke. Binnen eines Jahres stieg die Leipziger Pro-Kopf-Verschuldung von 1.221 Euro auf 1.751 Euro. Mit der geplanten Neuverschuldung im Haushalt 2025/2026 wird sie auch in Leipzig über 2.000 Euro steigen.
Ohne dass absehbar ist, dass der Investitionsbedarf in Schulen, Straßen, Brücken usw. in den nächsten Jahren sinken wird. Im Gegenteil: Da Leipzig weiterhin zu wenig investiert, wird die Stadt ihren milliardenschweren Investitionsstau immer weiter in die Zukunft schieben. Während gleichzeitig schon absehbar ist, dass das Gezerre mit der Landesdirektion Sachsen um den Doppelhaushalt 2027/2028 noch viel zäher wird als das um den – noch nicht genehmigten – Doppelhaushalt 2025/2026.