Sie wurden in Transportkisten gepackt, an einen Ort außerhalb des Zoos gebracht und erschossen. Trotz Protesten hat der Nürnberger Tiergarten zwölf Affen getötet, drei männliche Paviane und neun weibliche. Die Weibchen wurden zuvor betäubt, um durch eine Untersuchung auszuschließen, dass sie trächtig sind. Dabei sind zwei Tiere verendet. Die Ursache sollen nun Pathologen klären. Die restlichen toten Tiere wurden Wildtieren im Zoo zum Fraß vorgeworfen.
Das ist die konkrete Praxis, wenn Zoos eine Population verringern müssen. Wächst zu viel Nachwuchs heran und beansprucht Platz, brechen in manchen Gehegen Kämpfe aus. Zoos suchen dann nach Abnehmern bei anderen Tierparks. Auch der Nürnberger Zoo hat das versucht, sei aber nach eigenen Angaben auch nach längerer Suche nicht fündig geworden. Auch Versuche mit Verhütungsmitteln waren in den Jahren zuvor gescheitert. Unter anderem, weil Tiere wie Affen ein Sozialgefüge mit Jungtieren brauchen, um im friedlichen Gleichgewicht zu bleiben. Das Gehege in Nürnberg war zuletzt mit 43 Tieren völlig überbelegt. Also entschied man sich fürs Töten. Populationsmanagement heißt das im Fachjargon.
Der Fall wirft tierethische Fragen auf – und offenbart zugleich die widersprüchliche Haltung vieler Menschen zum Thema Tierwohl. Auf der einen Seite steht die Frage, ob Zoos noch zeitgemäß sind. Oder gerade in Zeiten des Artensterbens notwendiger denn je. Und welche Eingriffe das rechtfertigt. Ist Tötung aus Platzmangel okay? Auch bei gesunden, empfindsamen Lebewesen wie Affen? Und wenn nicht, warum soll es dann in Ordnung sein, Schweine zu schlachten? Von einem brisanten Fall im Zoo landet man dann schnell beim eigenen Teller und der Frage, wie weit sich der moderne Mensch von der Natur entfernt hat, wenn er lieber nicht wissen will, was in seinem Grillwürstchen steckt und womit die Zoos ihre Wildtiere füttern.
Zoos begründen ihr Dasein unter anderem damit, dass sie Arten erhalten, die in freier Wildbahn kaum Überlebenschancen hätten. Für diese „Reservepopulationen“ ist es notwendig, in Zoos zu züchten – und am Ende der Kette zu töten, wenn der Nachwuchs überhandnimmt. Aus diesem Grund nennt auch die Vereinigung wissenschaftlich geleiteter Zoologischer Gärten, VdZ, die Entscheidung in Nürnberg „aus verantwortungsethischer Sicht vernünftig“. Der VdZ verstehe, dass das Töten von gesunden Tieren in Zoos zunächst widersinnig erscheine, und dadurch starke emotionale Reaktionen hervorriefe, heißt es auf Anfrage. Unabhängig davon, ob es sich um eine bedrohte Tierart handelt, müssten Zoos ihre Tierpopulationen aber nachhaltig managen. Das bedeute unter anderem, ihnen Fortpflanzung zu ermöglichen, für stabile soziale Gruppen zu sorgen und zugleich zu verhindern, dass Tiergruppen zu groß würden.
Die Begründung ist auch rechtlich relevant. Denn in Deutschland dürfen Tiere laut Tierschutzgesetz nicht grundlos getötet werden. Als vernünftige Gründe gelten etwa das Schlachten von Nutztieren, Jagd, Fischerei und das Erlösen eines leidenden Tiers. Die Zootierhaltung ist nicht eigens geregelt, doch über die Notwendigkeit des Populationsmanagements erscheint die Tötung als letztes Mittel legitim.
„Wer sich dem Artenschutz verpflichtet, der muss wissen, dass man eine Population nur stabil halten kann, wenn man sie reguliert – und regulieren kann auch Töten bedeuten“, sagt Arne Lawrenz, Direktor des Wuppertaler Zoos. Er hält es für richtig, wenn Zoos damit transparent umgehen und den Besuchern erklären, dass Töten in der Natur dazugehört, dass darüber Selektion funktioniert und dass darum auch in Zoos das Töten von Tieren Teil der Praxis ist. „In den USA werden Löwen mit Wurst gefüttert, weil Menschen nicht mehr sehen wollen, dass Wildtiere andere Tiere fressen“, sagt Lawrenz. Das sei eine bedenkliche Entwicklung. „Löwen werden nicht vegan“, so Lawrenz, „die Natur hat harte Seiten, auch das müssen wir im Zoo vermitteln.“ Lawrenz nennt zudem gefährdete Arten wie Uhus oder den Karpatenluchs, die in Zoos Schutz fanden und sich inzwischen auch in der Natur wieder vermehren.
Tierschützer dagegen stellen die Existenz von Tierparks grundsätzlich infrage. „Man kann das Töten von Tieren im Zoo nicht mit Verweis auf die Nahrungskette in der Natur rechtfertigen“, sagt die Tierethikerin Friederike Schmitz. „Zoos sind keine Natur, sondern künstliche Umgebungen, wo Tiere primär zur Unterhaltung der Menschen ausgestellt werden.“ Der Artenschutz sei ein Feigenblatt-Argument der Tierparks, weil die meisten Tiere dort nicht vom Aussterben bedroht seien und die wirklich bedrohten Arten kaum ausgewildert werden könnten. „Wenn sich Zoos wirklich dem Artenschutz verpflichtet fühlten, würden sie nicht die Unmengen an Fleisch und anderen umweltschädlichen Tierprodukten in ihren Restaurants servieren.“
Auch der Bildungsauftrag sei nur ein Scheinargument. „Man erlebt im Zoo gar nicht, wie wilde Tiere sich in Freiheit verhalten würden, man erlebt eine Art Attrappe, die eingesperrt ganz anders lebt. Das verringert eher den Respekt vor Tieren“, sagt Schmitz. Wer wirklich ein Tiererlebnis suche, solle sich an die heimischen Arten halten, in den Wald gehen und dort aus der Distanz beobachten.
Dass einige gefährdete Arten ohne Zoo aussterben würden, hält Schmitz für vertretbar. „Wenn sie in der Natur gar keine Überlebenschancen mehr haben, ist es auch nicht sinnvoll, sie in einem zu engen Gehege am Leben zu erhalten“, sagt Schmitz. „Auf die einzelnen Tiere wird im Zoo keine Rücksicht genommen, dabei sind genau sie es, die eigentlich als fühlende Individuen mit eigenen Rechten zählen sollten.“ Außerdem sei der Erhalt weniger Arten in Zoos Augenwischerei. „Jeden Tag sterben zwischen 130 und 150 Tier- und Pflanzenarten weltweit aus, da machen Zoos kaum einen Unterschied“, sagt Schmitz.
Das Verhältnis zwischen Mensch und Tier sei stark von Widersprüchen und Verdrängung geprägt, sagt die Ethikerin. Die meisten Menschen wollten nicht, dass Tiere litten oder unnötig stürben, äßen aber doch Fleisch und Käse, weil das als normal gelte. „Man denkt nicht darüber nach“, sagt Schmitz, „wenn man es nämlich täte, gibt es keinen Grund, die Tötung von Affen zu verurteilen, aber die von Hühnern, Schweinen, Rindern okay zu finden.“
Die Affentötung in Nürnberg könnte auch ein juristisches Nachspiel haben. Dabei müssten die Widersprüche im Umgang mit Haustieren, Nutztieren und Zootieren diskutiert werden. Und privat muss ohnehin jeder Einzelne eine Haltung dazu finden, wie er es hält mit dem Zoobesuch und der Grillwurst.