Von der Stadionsprecherin bei der Beachvolleyball-Europameisterschaft im Düsseldorfer Rochusclub wurde sie als „genauso schlau, wie sie schnell ist“ vorgestellt. „So schnell bin ich gar nicht“, meinte Sandra Ittlinger später dazu. Was den Schluss zulässt: Schlagfertig ist sie auch noch.
Vor gut einem Monat hatte die Sportpsychologin ihre Dissertation an der Deutschen Sporthochschule in Köln erfolgreich verteidigt. Nun tritt sie bei den Europameisterschaften in der Nachbarstadt als einzige Spielerin mit Doktortitel an. Einen Bonus bekommt sie dafür nicht, wohl aber kann sie auf einen Wissensvorsprung setzen. Denn ihr Forschungsgebiet war das Beachvolleyballspiel.
Den Auftakt zur Heim-EM gestaltete Doktor Ittlinger gemeinsam mit ihre Spielpartnerin Anna-Lena Grüne schon mal erfolgreich – emotional und sportlich. Das Duo hatte die „große Ehre“, wie Ittlinger es formulierte, die Titelkämpfe mit dem Match auf dem Center Court gegen die Niederländerinnen Mila Konink und Raisa Schoon zu eröffnen.
Fest entschlossen, zu genießen
Für Ittlinger/Grüne bedeutete schon die Teilnahme an der Heim-EM den ersten gemeinsamen Höhepunkt als Beach-Team. Erst vor dieser Saison hatten sich die beiden zusammengeschlossen. Vorher kannten sie sich „nur vom Sehen“. Abwehrspielerin Grüne ist erst 23 Jahre alt, die zumeist am Netz agierende Ittlinger immerhin schon 31. Als Trainer engagierten sie den Franzosen Samuel Cattet, der selbst einige Jahre auf der Beachtour spielte, nun mit 27 Jahren aber seine Zukunft als Coach sieht. Trainingsstandort ist München, weil es Sandra Ittlinger nach Jahren auf der Tour zurück in ihre Heimatstadt zog. Grüne studiert Sportwissenschaft an der Fernuni, ist deshalb an keinen Standort gebunden.
Beachvolleyball im Tennisstadion: der Rochusclub ist Spielstätte der EMdpaDüsseldorf, 10 Uhr am Morgen, gerade mal 17 Grad Celsius, Sonne-Wolken-Mix am Himmel. Immerhin kein Regen – darüber muss man bei den aktuellen Wetterbedingungen in diesem Sommer schon mal froh sein. Doch das erste von zwölf deutschen Teams, die an diesem Tag antreten sollten, wirkte ohnehin fest entschlossen, alles zu genießen, was sich ihm bietet. „Es ist der Hammer“, sagte Ittlinger angesichts der immerhin schon halbvollen Tribüne in dem zum Sandplatz umgebauten Tennisstadion. „Schön, dass so viele so früh da sind.“
Ihre anfänglichen Spielzüge gerieten etwas „ruckelig“, wie es Grüne ausdrückte. Erst der dritte Ballwechsel brachte den ersten Punkt zum 1:2; beim 10:9 gelang erstmals die Führung. Doch als es drauf ankam, in der „Crunch-Time“ beider Sätze, hatten die Deutschen bessere Lösungen anzubieten.
Die 1,81 Meter große Ittlinger performte immer wieder mit hervorragenden „Monster-Blocks“, die das Publikum mehrfach aus den Schalensitzen riss. Zudem gelangen ihr ein paar kluge Punkte durch clevere Tip-Ins über die niederländische Netzspielerin Mila Konink hinweg. „Dank des perfekten Zuspiels“, gab Ittlinger das Lob an ihre Spielpartnerin weiter. Linkshänderin Grüne wiederum bestach durch harte und zielgenaue Schmetterschläge auf die Linien des acht mal acht Meter großen Zielfeldes.
„Jetzt ist alles Bonus“
Am Ende der Frühschicht stand um 10:38 Uhr ein glatter 2:0-Erfolg (21:18,21:18) fest, wodurch das erste deutsche Team unmittelbar einen freien Nachmittag ergatterte. Bei der Beachvolleyball-EM wird in acht Vierergruppen im modifizierten Pool-System gespielt.
Die Sieger der ersten Gruppenspiele treten am Donnerstag im Gruppenfinale gegeneinander an, Ittlinger/Grüne treffen dort auf die Schweizer Schwestern Anouk und Zoé Vergé-Dépré. Die Siegerinnen dieser Partie ziehen direkt ins Achtelfinale ein, die Verliererinnen können sich über die Zwischenrunde weiter im Turnier halten.
Aus deutscher Sicht gelang auch Louisa Lippmann mit Linda Bock dank des 2:0-Erfolgs gegen die Litauerinnen Monika Paulikiene und Aine Raupelyte ein Auftakt nach Maß. Karla Borger und Marie Schieder (2:1 gegen Claudia Scampoli und Giada Bianchi aus Italien) sowie die Titelverteidigerinnen Svenja Müller und Cinja Tillmann, die sich 2:0 gegen die spanischen Schwestern Maria und Marta Carro durchsetzten, erreichten ebenfalls das Gruppenfinale.
Für Sandra Ittlinger endete der „Plan“ für den ersten Tag mit dem Matchball. „Jetzt ist alles Bonus“, verkündete sie. So wie sie sich allgemein „befreit“ fühle, seitdem sie ihre Doktorarbeit abgeschlossen hat. „Viel weniger Stress“ empfinde sie nach Abschluss aller universitären Verpflichtungen – und genieße den reinen Sportlerinnen-Alltag.
Langweilig wird ihr nicht. Als neues Hobby hat sie sich das Gestalten von Armbändern auserkoren, mit denen sie ihr Lebensumfeld bereichert. Zudem macht sie gerade ihren Bootsführerschein – „See und Binnen“, wie sie betont. Keine halben Sachen.