Die Münchnerinnen und Münchner müssen sich darauf einstellen, dass wichtige und auch lieb gewonnene Angebote der Stadt in ihrem Viertel verschwinden. Oder zumindest dünner werden. Die SPD spricht sogar von einem Abbau von zehn Prozent der städtischen Infrastruktur. Denn die Finanzlage ist inzwischen so dramatisch, dass solch schmerzhafte Eingriffe nicht mehr zu verhindern sind.
Darin waren sich fast alle Fraktionen im Stadtrat einig, als sie am Mittwoch die groben Eckdaten für den Haushalt 2026 diskutierten. Verabschiedet hat diesen vorläufigen Finanzplan die Regierungsmehrheit aus Grüne/Rosa Liste/Volt und SPD gegen die Stimmen der Opposition.
Die Koalition will beim Sparen neue Wege gehen, das gab sie schon vorab bekannt. Grüne und SPD wollen sich von der Verwaltung eine datengestützte Analyse erarbeiten lassen, die bis ins Detail darlegt, welchen Service für die Bürger, welche sozialen Einrichtungen und welche Kulturangebote es in jedem der 25 Stadtviertel gibt. Dann wird kritisch verglichen, ob sich Angebot und Bedarf decken. Bei Überkapazitäten oder fehlender Nachfrage werden entsprechende Strukturen dauerhaft gestrichen oder in Quartiere verlegt, in denen sie nötig sind.
Dabei wollen Grüne und SPD auch vor Projekten in ihren politischen Kernbereichen nicht zurückschrecken. Werde eine Buslinie gefunden, mit der niemand fahre außer der Stadtrat, der sie einst durchgesetzt hat, dann werde die eingestellt, sagte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Sebastian Weisenburger. Seine Kollegin von der SPD, Anne Hübner, nannte als Beispiel die Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Die müsse angepasst werden in den jeweiligen Vierteln. Mehr Angebote solle es dort geben, wo tatsächlich der Bedarf identifiziert werde. In anderen Stadtbezirken kann umgekehrt auch die eine oder andere Einrichtung geschlossen werden.
Wie eng die Koalition derzeit kalkuliert, um überhaupt einen genehmigungsfähigen Haushalt hinzubekommen, dokumentieren ein paar nüchterne Zahlen aus dem Beschluss. Geplanten Einnahmen im laufenden Geschäft der Stadt von 9,482 Milliarden Euro stehen Ausgaben von 9,285 Milliarden gegenüber. Das entspricht einem Überschuss von 197 Millionen Euro. Davon muss Kämmerer Christoph Frey noch 191 Millionen Euro abziehen, um Schulden zu tilgen. Es bleiben sechs Millionen Euro Gewinn. Fallen die noch weg, dann wäre der Haushaltsplan offiziell nicht mehr genehmigungsfähig.
Die CSU als stärkste Oppositionskraft kritisierte diesen Ritt auf der Grenze des Erlaubten scharf. Sechs Millionen Euro Gewinn bei Einnahmen von 9,482 Milliarden, das sei ein Anteil von 0,6 Promille, rechnete CSU-Finanzsprecher Hans Hammer vor. Für die Stadt gelte dasselbe wie bei einem Autofahrer, sie sei damit „nicht mehr fahrtüchtig“. Dieses Szenario drohe jedoch dauerhaft, wenn man einen Blick auf die sich auftürmenden Schulden richte.
Im Jahr 2029 drohen der Stadt laut der mittelfristigen Planung der Kämmerei trotz Bemühungen, Investitionen zu streichen und zu schieben, Verbindlichkeiten von 13 Milliarden Euro. „Unfassbare Zahlen“, sagte CSU-Finanzexperte Hammer. Die Stadt werde sich dann nichts mehr leisten können, „außer ein paar Glühbirnen“. Wenn die grün-rote Koalition nicht endlich anfange, auch die Investitionen radikal herunterzufahren, müsse die Stadt 2029 exakt 886 Millionen Euro an Zins und Tilgung pro Jahr aufbringen. „Das ist irre“, sagte Hammer.
Haushaltskrise der Stadt
:München auf Sparkurs beim Verkehr
Die Stadt kürzt wegen der Haushaltskrise im Nahverkehr einen Teil ihrer geplanten Ausbauprogramme. Aber die Streichliste fällt nicht ganz so lang aus, wie sich das die Kämmerei gewünscht hatte.
Allein die Diskrepanz zum aktuell eingeplanten Mini-Gewinn zeigt, wie hart gespart werden muss. Dazu kommt, dass der Überschuss im Moment noch ein Scheck auf die Zukunft ist. Der wird nämlich nur erreicht, wenn die Stadtregierung weitere 100 Millionen Euro für das Jahr 2026 streicht. Diese Summe steht derzeit noch als Pauschale im Haushaltsentwurf. „Ich bin gespannt, wo die herkommen“, sagte Hammer. Die CSU würde dafür sofort den Mietenstopp für Menschen streichen, die in städtischen Wohnungen leben. Zudem das Nachfolge-Angebot für das MVG-Rad-Modell, weitere Stellen im Baureferat oder die IT-Umstellung von Formularen auf gendergerechte Sprache.
Auch die FDP, seit vielen Jahren Mahnerin, dass der Haushalt kippen wird, legte Sparvorschläge vor. Der Wasserkopf in der Verwaltung müsse schrumpfen, sagte Fraktionschef Jörg Hoffmann. Die Liberalen und die Bayernpartei würden dafür zwei Referate auflösen und die Aufgaben verteilen. Hoffmann nannte das Kommunalreferat („überflüssig“) und das Mobilitätsreferat („Output gleich null“). Den Gasteig will die Partei abreißen und das Gelände meistbietend veräußern, um mit dem Geld ein gemeinsames Konzerthaus mit dem Freistaat auf dem Gebiet der jetzigen Großmarkthalle zu errichten. Auch einen Teil der defizitären München Klinik würde die FDP verkaufen.
Die Linke wiederum will Großprojekte im öffentlichen Nahverkehr wie neue U-Bahn-Linien streichen, aber das Personal halten. Dafür müsse die Stadt die Gewerbesteuer erhöhen, forderte Stadträtin Brigitte Wolf. In Teilen der Opposition kam jedoch der Vorschlag von Grün-Rot, nach einer Datenanalyse strukturell Angebote zu streichen, gut an. Auch die Referate sollen intern systematisch nach dauerhaften Sparpotenzialen suchen. Wie zum Beispiel das IT-Referat, das Lagerflächen aufgibt, die jährlich 1,8 Millionen Euro kosten.
Die Fraktionsvorsitzenden Weisenburger und Hübner räumten ein, dass sie damit schon zwei oder drei Jahre früher hätten beginnen sollen. Doch nun soll am Ende der Amtsperiode ein harter Kurs kommen, forderte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), dem CSU und FDP zuvor Führungsschwäche attestiert hatten. „Nach den schönen Lippenbekenntnissen folgt die Nagelprobe“, sagte er. Er werde „alle Instrumente“ nutzen, dass die Haushalte der Stadt weiterhin genehmigungsfähig blieben.