Die Nacht auf den 6. April versetzt das 2200-Seelen-Dorf im Westerwald in Schockstarre, das Geschehene werden die Einwohnerinnen und Einwohner von Weitefeld im Kreis Altenkirchen vermutlich nie vergessen.

Am vergangenen Sonntag geht um 3.45 Uhr der Notruf einer schreienden Frau ein. Die anrückenden Polizeibeamten machen eine grausige Entdeckung. In dem Wohnhaus, aus dem der Anruf kam, finden sie die Leichen von drei Mitgliedern einer Familie: den Vater, 47 Jahre alt, den 16-jährigen Sohn und die 44-jährige Mutter, die gerade noch den Hilferuf abgesetzt hatte.

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Die Obduktion zeigt nach Angaben des Leitenden Oberstaatsanwalts in Koblenz, Mario Mannweiler, dass das Ehepaar durch mehrere Messerstiche und Schnitte sowie durch Schüsse verletzt wurde. Vater und Mutter verbluteten. Der 16-jährige Jugendliche sei erschossen worden. Mannweiler sprach gegenüber dem SWR von einer „brutalen und rohen Tat“.

Wir müssen davon ausgehen, dass diese Person drei Menschen getötet hat. Da ist von einer Gefährlichkeit auszugehen.

Jürgen Fachinger, Sprecher Polizei Koblenz

Als die erste Polizeistreife in der Nacht zum Tatort kam, sahen sie einen Mann flüchten, verfolgten ihn aber nicht, sondern betraten zunächst das Haus.

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Nach einer Analyse von DNA-Spuren im Haus sind sich die Ermittler schnell sicher, den flüchtigen Täter zu kennen: Alexander M., 61 Jahre alt, wohnhaft im etwa drei Kilometer entfernten Nachbarort Elkenroth.

Der Mann ist offiziellen Angaben zufolge vorbestraft wegen versuchten Totschlags seiner früheren Ehefrau. Er wurde demnach 2011 zu vier Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. 2018 folgte dann eine sechsmonatige Bewährungsstrafe wegen Bedrohung gegen seine damalige Ehefrau. Nun wurde gegen ihn ein Haftbefehl wegen des Verdachts des dreifachen Mordes erwirkt.

In welchem Verhältnis der mutmaßliche Täter zu seinen Opfern in Weitefeld stand, ist unklar. Hinweise auf einen unmittelbaren innerfamiliären Hintergrund gab es nicht. Auch das Motiv ist bisher ein Rätsel.

Die Polizei warnt die Bevölkerung: „Bleiben Sie vorsichtig und verständigen Sie die Polizei über den Notruf, wenn Sie den Tatverdächtigen sehen. Treten Sie nicht an ihn heran, sprechen Sie ihn nicht an“, heißt es in einer Mitteilung. „Versuchen Sie, wachsam in Ihren Alltag zurückzukehren und haben Sie ein Auge auf Ihre Familie.“

Der Sprecher der Polizei Koblenz, Jürgen Fachinger, sagte, der Verdächtige sei „ein Stück weit in die Enge gedrängt“ und wisse, dass er gesucht werde. „Wir müssen davon ausgehen, dass diese Person drei Menschen getötet hat. Da ist von einer Gefährlichkeit auszugehen.“

Alexander M.

Der gesuchte Alexander M. ist nach Angaben der Polizei etwa 1,74 Meter groß, hat braune Haare und blau-graue Augen. Er habe eine Narbe am rechten Oberarm, an der Augenbraue und am linken Unterarm. Auf dem Handrücken links trage er ein Tattoo „Katja“ (in der in Russland verwendeten kyrillischen Schrift).

Unter der Nummer 0261 103 50399 nimmt die Kriminalpolizei Hinweise zu der Tat in Weitefeld entgegen.

Alexander M. auf einem Foto aus seinem Pass.

© Polizei Koblenz

Unklar ist nach wie vor auch das Motiv des Mannes. So wisse man nicht, „in welchem psychischen Zustand er sich befunden hat oder jetzt befindet, beziehungsweise welche Gewalt-, Sucht- oder möglicherweise sexuell motivierten Neigungen ihn treiben“.

Die Polizei schließt nicht aus, dass M. sich nach wie vor in der Region versteckt. Seit einer Woche wird er fieberhaft gesucht, es ist eine der größten Fahndungsaktionen der vergangenen Jahre in Deutschland. Inzwischen wurde eine Sonderkommission gegründet – ihr gehören 100 Ermittlerinnen und Ermittler an. Seit Tagen kreisen Hubschrauber über der Region in Rheinland-Pfalz, durchsuchen Beamte Häuser und Schuppen, werden Unterholz und Wälder von Beamten bestreift.

Ein Sprecher der Polizei Koblenz sagt, inzwischen durchkämme man nicht mehr wahllos Waldstücke, sondern arbeite gezielt die Hinweise ab. Fast 700 sind bis Samstagmittag bei der Soko der Kriminalpolizei Koblenz eingegangen. Doch M. bleibt bis heute verschwunden.

Wie der „Spiegel“ aus Weitefeld berichtet, wurden am Samstag erneut Einwohnerinnen und Einwohner befragt, Ermittler klingelten demnach an Türen. Auf die Straße wagen sich demnach dort ohnehin nur wenige, zu groß sei die Angst vor M. Das Magazin zitiert eine Frau, die sagt, sie lasse ihre Tochter nicht mehr auf der Straße spielen; die meisten Eltern würden ihre Kinder nun mit dem Auto bis vor das Schultor fahren.

Im Westerwald kursieren viele Gerüchte

Es gibt auch Gerüchte, so der Bericht, dass M. in der Gegend nachts von Wildkameras fotografiert worden sei. Die Polizei wolle das nicht kommentieren. Eine Frau, die ihren Hund auf einem Feldweg ausführt, sagt, es sei so still im Ort. Gruselig sei es, findet sie. Keine lachenden Kinder auf den Straßen. Und ihre Mutter, die sie begleitet, fügt hinzu, das Urvertrauen, das sie am Leben auf dem Land so schätze, sei weg. Sie frage sich, ob es je wiederkomme.

Die Mutter des mutmaßlichen Mörders hat sich inzwischen ebenfalls geäußert. Alwina kann die Tat nicht fassen, wie sie der „Bild“ sagte: „Er hat ein Haus gebaut, er hat fünf Kinder und zehn Enkelkinder. Er hat hart gearbeitet. Jetzt hat er alles kaputt gemacht“, sagte sie demnach. „Er soll die Strafe bekommen, die er verdient hat.“ Der Deutsch-Kasache M. ist dem Bericht zufolge 1993 nach Deutschland gekommen, 1995 seien seine Eltern und drei Brüder nachgezogen.

Sie sagte der Zeitung weiter: „Nein, ich lasse ihn nicht rein, wenn er vor der Tür steht und klingelt. Aber ich bin mir fast sicher, er versteckt sich irgendwo in der Nähe.“

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Die 82-Jährige weiter: „Ich frage mich Tag und Nacht, warum er das getan hat. Ich weiß nicht einmal, ob er die Menschen kannte.“ Er soll in letzter Zeit Drogen genommen haben, Alkohol habe er schon immer getrunken. Er sei seltsam geworden.

Und dann appelliert die 82-Jährige an ihren Sohn: „Ich habe nur einen Wunsch: Alexander, bitte stell dich! Wenn du das getan hast, gehörst du lebenslang ins Gefängnis.“