Wenige Stunden nach dem schweren Erdbeben vor Kamtschatka ist auf Russlands fernöstlicher Halbinsel auch der höchste Vulkan ausgebrochen. Am Kegel des 4.750 Meter hohen Kljutschewskoj sei ein starkes Glühen zu beobachten, teilten Geophysiker von der Russischen Akademie der Wissenschaften mit. An einer Flanke laufe Lava herab, Explosionen seien zu hören.
Höchster aktiver Vulkan Eurasiens
Der Berg, auch bekannt als Kljutschewskaja Sopka, liegt etwa 400 Kilometer nördlich der Regionalhauptstadt Petropawlowsk-Kamtschatski. Er gilt als der höchste aktive Vulkan Eurasiens und gehört zum Pazifischen Feuerring. Die gesamte Region ist seismisch sehr aktiv.
Das Beben vor der Küste der fernöstlichen Halbinsel hatte nach russischen Angaben eine Stärke von 8,7 – nach Messungen in den USA und Deutschland 8,8. Es löste einen Tsunami aus, der vor allem die russische Inselgruppe der Kurilen traf.
Andere Anrainerstaaten des Pazifischen Ozeans wappneten sich für den Aufprall hoher Wellen, blieben aber vorerst verschont.
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Aufgrund einer Tsunami-Warnung evakuierten die chilenischen Behörden die Küstengebiete des südamerikanischen Landes. In der Ortschaft Hanga Roa auf der zu Chile gehörenden Osterinsel im Pazifik sei die Küstenpromenade gesperrt worden, berichtete der Radiosender Cooperativa. Der Großteil der Bevölkerung lebe allerdings in höher gelegenen Gebieten, die als sicher gelten.
Eine Frau blickt auf das Meer in Puerto Saavedra, Chile.
© REUTERS/PABLO SANHUEZA
Auf dem Festland erklärte der Katastrophenschutz die Alarmstufe Rot für den gesamten Küstenstreifen und forderte seine Regionaldirektionen dazu auf, die gefährdeten Gebiete zu evakuieren. Präsident Gabriel Boric rief die Bevölkerung zur Ruhe auf und bat darum, den offiziellen Anordnungen Folge zu leisten.
USA und Japan stufen Tsunami-Warnungen runter
Zuvor waren auch an den östlichen Küsten Russlands und Japans sowie in westlichen Bundesstaaten der USA vor Tsunamis gewarnt worden. Teilweise wurden diese aber wieder zurückgenommen.
Die japanische Wetterbehörde hat die Tsunami-Warnung für einige Gebiete entlang der Pazifikküste wieder herabgestuft. Die Warnungen für die nördliche Hauptinsel Hokkaido sowie die nordöstliche Region Tohoku bleibe dagegen vorerst bestehen, berichtete der Fernsehsender NHK unter Berufung auf die Behörde. Die Menschen sollten sich weiterhin in sicheren Gebieten aufhalten, hieß es. Zwischenzeitlich waren mehr als zwei Millionen Menschen an Japans Pazifikküste aufgefordert worden, sich in Sicherheit zu begeben.
An Japans Pazifikküste war zuvor eine mehr als einen Meter hohe Flutwelle eingetroffen. In einem Hafen der nordöstlichen Präfektur Iwate sei eine 1,30 Meter hohe Welle registriert worden, berichteten lokale Medien. An der Küste anderer Präfekturen wurden Flutwellen von bis zu 80 Zentimetern beobachtet. Die Behörden haben Warnungen vor einem bis zu drei Meter hohen Tsunami ausgegeben. Bei einem Tsunami bauen sich Wellen mitunter in Stufen auf.
Japans nationale meteorologische Behörde rief die Menschen auf, sich in höher gelegene Gebiete oder Evakuierungsgebäude zu begeben. Sie sollten trotz der enormen Sommerhitze dort auch vorerst bleiben. In dem fernöstlichen Inselreich wurde heute in Tamba in der Präfektur Hyogo eine Rekordtemperatur von 41,2 Grad Celsius gemessen, wie die Wetterbehörde weiter mitteilte.
Die Tsunami-Warnung könne noch einen Tag oder sogar länger in Kraft bleiben, hieß es. Nach Aussagen eines Regierungssprechers gab es bislang weder Berichte über Opfer noch über Schäden. Auch in Atomkraftwerken gebe keine Unregelmäßigkeiten. Die Regierung hatte zuvor einen Krisenstab eingerichtet.
Fukushima-Arbeiter in Sicherheit gebracht
Unterdessen brachte der Betreiber des havarierten japanischen Atomkraftwerks Fukushima eigenen Angaben zufolge seine Arbeiter in Sicherheit. „Wir haben alle Arbeiter und Angestellten evakuiert“, sagte eine Sprecherin des Akw-Betreibers Tepco. In dem Kraftwerk seien keine Auffälligkeiten festgestellt worden, fügte sie hinzu.
Das am Meer gelegene Atomkraftwerk Fukushima war kurz nach einem schweren Seebeben mit der Stärke 9,1 am 11. März 2011 von einem fast 15 Meter hohen Tsunami getroffen worden. Das Kühlsystem des Kraftwerks fiel aus, in drei der sechs Reaktoren kam es zur Kernschmelze. Es war das schlimmste Atomunglück seit der Tschernobyl-Katastrophe von 1986.
Frau stirbt offenbar während Selbst-Evakuierung
Eine Frau soll mit ihrem Auto von einer Klippe gestürzt und gestorben sein. Wie örtliche Medien unter Berufung auf die Rettungskräfte berichteten, soll die 58-Jährige in der Präfektur Mie zuvor eine Nachricht an ihre Familie geschickt haben, dass sie sich angesichts der Tsunami-Warnung auf den Weg in höher gelegene Gebiete machen würde. Vermutlich habe sie dabei das Lenkrad falsch bedient, hieß es. Das Auto sei etwa 20 Meter in die Tiefe gestürzt, hieß es. Die Frau starb im Krankenhaus.
Tsunami-Warnung für Hawaii herabgestuft
Die Tsunami-Warnung für die Hawaii-Inselgruppe wurde unterdessen herabgestuft. Trotzdem seien weiterhin starke Wellen an den Küsten möglich, hieß es von Behördenseite. Nun gelte ein Hinweis (advisory), der ausgegeben wird, wenn ein gefährliches Wetter- oder Wasserereignis eintritt. Es wird aber als weniger schwerwiegend eingestuft als es bei einer Tsunami-Warnung der Fall ist.
Zuvor hatte der Direktor des Pacific Tsunami Warning Center, Chip McCreery, gesagt, er sei zuversichtlich, „dass wir das Schlimmste hinter uns haben“. Es werde vielleicht bis zum Morgen (Ortszeit) dauern, bis man in einem weiteren Schritt die Warnungen einstelle, lautete seine vorläufige Prognose am Dienstagabend (Ortszeit).
In den vergangenen Stunden erreichten örtlich Wellen die Küste der Inselgruppe. Größere Schäden waren nach Behördenangaben zunächst nicht bekannt. Der Tsunami-Experte sagte, es gebe viele Teile der Küste, für die keine Messwerte vorliegen. Wenn es wieder hell wird, werde man wohl erst wissen, welche Gebiete überflutet worden sein könnten.
Wegen der Tsunami-Warnung waren Flüge von und nach Maui gestrichen worden. Etwa 200 Menschen hätten in einem Terminal Zuflucht gefunden. Unklar ist, wann der Flugverkehr wieder aufgenommen wird. Laut der Internetseite des Flughafens sind für die nächsten Stunden drei Frachtflüge geplant.
Auch für Alaskas Westküste wurde eine Tsunami-Warnung erlassen.
Menschen in Indonesien in Sicherheit gebracht – Warnung in Neuseeland
Im Zuge der Tsunami-Warnungen haben mehrere östliche Provinzen in Indonesien Tsunami-Warnungen ausgegeben. In besonders gefährdeten Küstenregionen wurden vorsorglich Schulen geschlossen und Evakuierungen eingeleitet.
Die neuseeländischen Behörden warnen vor „Lebensgefahr“ aufgrund von starken Strömungen und unvorhersehbaren Wellenbewegungen. Die Warnung gelte für sämtliche Küstenregionen, teilte die neuseeländische Katastrophenschutzbehörde Nema mit. „Es besteht eine Gefahr für Schwimmer, Surfer, Angler und alle Personen, die sich im oder am Wasser in Ufernähe aufhalten.“ Nema rief die Bevölkerung dazu auf, sich von Stränden, Häfen, Flussmündungen und Meeresbuchten fernzuhalten.
Auch in Mexiko, Peru und Ecuador gab es örtliche Warnungen. China hob eine zuvor ausgegebene gelbe Tsunami-Warnung für die Küsten der Provinz Zhejiang und von Shanghai wieder auf. Das teilte das zuständige Tsunami-Warnzentrum auf Grundlage der jüngsten Überwachungssituation mit. Ganz entspannt ist die Lage dennoch nicht: Shanghai bereitet sich auf die Ankunft eines Tropensturms vor.
Auch die Philippinen hoben am Nachmittag (Ortszeit) ihre Warnung vor einem möglichen Tsunami auf. Basierend auf den verfügbaren Daten der Meeresspiegelüberwachungsstationen seien keine signifikanten Meeresspiegelschwankungen oder zerstörerischen Tsunamiwellen registriert worden, teilte das örtliche Institut für Vulkanologie und Seismologie (Phivolcs) mit. Alle bisher herausgegebenen Empfehlungen für die Bevölkerung seien damit aufgehoben, hieß es.
Dieses Satellitenbild der US-Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA zeigt Tsunami-Warnungen (rot), Hinweise (orange), Beobachtungen (gelb) und Gefahren (violett).
© AFP/NOAA/-
Es begann in Russland
Das Zentrum des Bebens lag der US-Erdbebenwarte USGS zufolge in der offenen See rund 136 Kilometer von der Stadt Petropawlowsk-Kamtschatski, der Hauptstadt der Region Kamtschatka, entfernt.
Demnach ereignete es sich am Mittwoch um 01.25 Uhr MESZ in einer Tiefe von 19,3 Kilometern vor den nördlichen Kurilen-Inseln. Mit einer gemessenen Stärke von 8,8 war das Beben den US-Angaben zufolge das weltweit stärkste seit der Katastrophe von Fukushima im März 2011.
Meterhohe Tsunamiwelle trifft russische Hafenstadt
Infolge des schweren Erdbebens kam es im Norden der russischen Inselgruppe Kurilen zu Überschwemmungen. Es habe vier Tsunamiwellen gegeben, sagte Alexander Owsjannikow, Verwaltungschef im Kreis Sewero-Kurilsk auf der Insel Paramuschir.
Tsunami infolge eines Erdbeben vor der russichen Küstenregion Sewero-Kurilsk auf der Kurilen-Insel Paramuschir.
© REUTERS/Social Media
Die russische Katastrophenschutzbehörde teilte mit, eine drei bis vier Meter hohe Tsunamiwelle habe die Hafenstadt Sewero-Kurilsk getroffen und überflutet. 2000 Einwohner seien in Sicherheit gebracht worden.
Behördenangaben aus Kamtschatka zufolge wurden mehrere Menschen verletzt. Die Patienten würden in Krankenhäusern die erforderliche Hilfe erhalten, sagte der regionale Gesundheitsminister Oleg Melnikow auf Telegram.
Ein in russischen Onlinediensten veröffentlichtes Video zeigte offenbar von Meereswasser überflutete Gebäude. Staatliche Medien berichteten, dass mehrere Menschen durch das Beben verletzt worden seien, jedoch niemand schwer.
Einsatzkräfte an einem zerstörten Kindergarten in der russischen Stadt Petropawlowsk-Kamtschatski.
© REUTERS/Russian Ministry for Emergencies
In der Regionalhauptstadt Petropawlowsk-Kamtschatski rannten laut Tass-Reportern verängstigte Menschen barfuß ins Freie, Kleiderschränke stürzten um und Autos rutschten über wackelnde Straßen.
Teils sei das Strom- und Telefonnetz zusammengebrochen. In der russischen Region Sachalin wurden Küstenbewohner vorsichtshalber evakuiert.
Starke Nachbeben im Osten Russlands erwartet
Das Erdbeben sei schwer und das stärkste seit Jahrzehnten gewesen, sagte der Gouverneur von Kamtschatka, Wladimir Solodow, in einer Videobotschaft auf Telegram.
Evakuierte steigen aus einem Lastwagen aus, als Retter sie aufgrund der Tsunami-Gefahr nach einem starken Erdbeben in der Region Kamtschatka, Russland, am 30. Juli 2025 in ein sicheres Gebiet verlegen.
© REUTERS/Russian Emergencies Ministry
„Eine Tsunami-Warnung wurde ausgegeben, und die Stärke der Welle wird derzeit ermittelt“, erklärte Solodow. „Ich fordere alle auf, sich von der Küste in gefährdeten Gebieten fernzuhalten und den Lautsprecherdurchsagen zu folgen.“
Derweil riefen die Behörden in der fernöstlichen russischen Region Sachalin für eine betroffene Inselgruppe im Pazifik den Notstand aus. „Im Bezirk Nordkurilen, wo sich heute ein Erdbeben und ein Tsunami ereignet haben, wurde der Notstand ausgerufen“, erklärte die Regierung von Sachalin.
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Der Kamtschatka-Zweig des Geophysikalischen Dienstes der Russischen Akademie der Wissenschaften teilte mit, das Erdbeben sei das schwerste seit 1952 gewesen. Mit starken Nachbeben sei zu rechnen. Am 20. Juli hatte sich in derselben Region ein Erdbeben der Stärke 7,4 ereignet. Dabei kam es zu keinen größeren Schäden. (dpa/AFP)