Die Zeller Talbrücke im Odenwald hat am Mittwoch das gleiche Schicksal wie vor vier Jahren die Salzbachtalbrücke bei Wiesbaden ereilt: Sprengmeister Eduard Reisch und sein Team schufen mit Semtex-Sprengstoff Platz für den dringend notwendigen Neubau.

Die Misere der deutschen Verkehrsinfrastruktur wird nirgends so deutlich wie am beklagenswerten Zustand der Brücken. Fast die Hälfte der deutschen Autobahnbrücken wurde in den 1960er- und 1970er- Jahren gebaut für eine Verkehrsbelastung, die weit weg ist von der heutigen Realität. Mit dem Neubau der Salzbachtalbrücke hätte schon lange vor der Havarie begonnen werden müssen. Dann wären der hessischen Landeshauptstadt und den Pendlern viele Nöte erspart geblieben.

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Schon im Fall der – inzwischen neu gebauten – Schiersteiner Brücke über den Rhein haben die vielen Pendler aus Wiesbaden und Mainz auf die harte Tour zur Kenntnis nehmen müssen, wie abhängig die Mobilität im Ballungsraum von leistungsfähigen Verkehrswegen ist.

Die Salzbachtalbrücke führt zwar nicht über den Rhein, hat für Wiesbaden aber die zentrale Bedeutung einer Stadtautobahn. Auch wenn es vielleicht noch schneller hätte gehen können: Für den Bau von zwei benachbarten Autobahnbrücken über den Salzbach, eine Bundesstraße und mehrere Bahngleise hat das beauftragte Unternehmen nach der Sprengung und dem Beseitigen der Trümmer rund dreieinhalb Jahre gebraucht. Das ist unter dem Strich ein für deutsche Verhältnisse beachtliches Tempo. Geht alles glatt, sollen die beiden Nachbarbrücken 100 Jahre ihre Funktion erfüllen.

Der Nachrichtenstrom über den Zustand deutscher Brücken wird deshalb nicht verebben. Der Bedarf an Sanierung und Neubau ist immens, die Auflösung des Investitionsstaus teuer und langwierig. Weil über die Brücken aber auch Panzer und militärischer Nachschub rollen muss, darf angesichts der veränderte Weltlage davon ausgegangen werden, dass das Infrastrukturpaket der Regierung den Brücken neben den Gleisen Priorität geben wird und dass genügend Geld für notwendige Investitionen bereitsteht.

Reparieren und neu bauen allein aber ist im Westen der Rhein-Main-Region zu wenig. Doch weder in Wiesbaden und Mainz noch im Rheingau und in Rheinhessen findet die Politik die Kraft und die Ausdauer für einen weiteren Brückenschlag über den Rhein. Der aber wäre dringend nötig. Denn Brücken verbinden, Flüsse trennen.