Diese Prüfung dauere noch an, ein Ergebnis gebe es noch nicht, hieß es auf Anfrage des Magazins „Stern“, das zuerst über die Überlegungen des deutschen Innenministeriums berichtet hatte. Zudem hieß es, dass „verschiedene Optionen“ geprüft würden. Dabei gehe es sowohl um den Einsatz von auf dem Markt verfügbarer Software als auch „die Nutzung einzelner modularer Services“.

Im europaweiten Vergabeverfahren habe bisher nur Palantir eine marktverfügbare Softwarelösung angeboten, die den Ansprüchen entsprochen habe, hieß es aus dem Innenministerium. Mit der Software sollen Ermittler automatisiert Verdächtige identifizieren und Straftaten verhindern oder aufklären können. Die Analysesoftware führt polizeiliche Datenanalyse und künstliche Intelligenz (KI) zusammen.

Deutschlands Innenminister Alexander Dobrindt

Reuters/Annegret Hilse

Der deutsche Innenminister erntet für die Prüfung eines bundesweiten Einsatzes der Palantir-Analysesoftware Kritik

US-Milliardär Peter Thiel ist Gründer

Palantir wurde 2003 in den USA gegründet – unter anderem von Tech-Milliardär Peter Thiel. Er ist bekannt für seine libertären und rechtskonservativen Positionen, seine Nähe zu US-Präsident Donald Trump und seine Kritik an liberalen Demokratien. In der Vergangenheit regte sich Kritik an Thiels Positionen.

Banken, Krankenhäuser, die US-Regierung und das israelische Militär stehen auf Palantirs wachsender Kundenliste. Seit Trumps Wiederwahl hat das Unternehmen seinen Börsenwert mehr als verdoppelt. Palantir gehört heute zu den weltweit wertvollsten Unternehmen, der Marktwert beläuft sich auf mehr als 350 Mrd. Dollar (gut 300 Mrd. Euro).

Deutsche Bundesländer nutzen Software

In bewaffneten Konflikten – etwa im Verteidigungskrieg der Ukraine – helfen Palantirs Systeme, potenzielle Ziele in Echtzeit zu identifizieren. Dafür werden Daten aus vielen Quellen herangezogen, etwa biometrische Informationen und abgefangene Telefongespräche, und über den Einsatz von KI ausgewertet.

Am Dienstag war bekanntgeworden, dass die Polizei im deutschen Bundesland Baden-Württemberg die Software bald nutzen soll. Die dortige grün-schwarze Landesregierung machte dafür den Weg frei. Hamburg hingegen schloss die Nutzung für das Stadtbundesland aus. Auch Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen setzen auf die Software – sie wurde erstmals 2017 eingesetzt.

„Kein neutraler IT-Dienstleister“

Angesichts der Prüfung eines bundesweiten Einsatzes kommt nun Gegenwind von der Regierungspartei SPD. „Palantir ist kein neutraler IT-Dienstleister, sondern ein Unternehmen mit tiefen Verbindungen zu US-Geheimdiensten und klaren geopolitischen Interessen“, sagte SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Schätzl. Er lehne den Einsatz von Palantir in deutschen Sicherheitsbehörden entschieden ab.

Auch für die Grünen ist ein bundesweiter Einsatz tabu – sie üben Kritik an Innenminister Dobrindt: „Offenkundig sieht er sich als Lobbyist eines hochumstrittenen US-Unternehmens“, wurde Fraktionsvize Konstantin von Notz vom „Stern“ zitiert. Gerade in diesen Zeiten, in denen immer weniger Verlass sei auf die US-Regierung, verbiete sich eine Kooperation mit einem Unternehmen wie Palantir.

„Flächendeckender Angriff auf Privatsphäre“

Eine Warnung kam von den Linken: „Mit der Palantir-Software droht ein flächendeckender Angriff auf die Privatsphäre von Millionen Menschen (…). Daten, die ursprünglich für völlig unterschiedliche Zwecke erhoben wurden, sollen automatisiert zusammengeführt, ausgewertet und der Polizei zur Rasterfahndung bereitgestellt werden, ohne wirksame Kontrolle, ohne Transparenz und ohne Schutz vor Fehlentscheidungen.“

Peter Thiel

APA/AFP/Getty Images/Marco Bello (Archivbild)

US-Milliardär Peter Thiel

„Staat sollte mit Fähigkeiten hinterherkommen“

Die Fürsprecher hingegen kommen etwa aus der Union: Fraktionschef Jens Spahn hatte dem „Stern“ bereits Anfang Juni den Einsatz der Software befürwortet. Sie würde der Polizei „sehr helfen“. Verbrecher würden auch alle digitalen Möglichkeiten nutzen, argumentierte Spahn. „Der Staat sollte da im Rahmen des Rechts hinterherkommen mit seinen Fähigkeiten.“

Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) sprach sich für Palantir aus. „Die Zeiten, in denen Sicherheitspolitik ihre Ideologien und Datenschutzbedenken pflegen und steigern können, sind längst vorbei“, betonte der Vorsitzende Rainer Wendt. Es sei bedauerlich, dass Europa keine eigenen Produkte entwickelt habe, aber die USA seien ein verlässlicher Partner.

„Die Bedrohungen aller freiheitlichen Gesellschaften durch anhaltenden Terror, Cyberattacken, Organisierte Kriminalität und Angriffe auf unsere Demokratie und Freiheit sind allgegenwärtig“, so Wendt. Um Massendaten zu bewältigen, brauche es Analysetechniken, die in der Lage seien, Beziehungsmuster zu erkennen und Zusammenhänge herzustellen, die mit konventioneller Arbeitsweise von Ermittlungskräften kaum feststellbar seien.

Verfassungsbeschwerde eingelegt

Erhebliche Bedenken äußerten wiederum die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), ein Verein, der sich für den Ausbau von Grund- und Menschenrechten einsetzt, sowie der Chaos Computer Club (CCC), eine NGO, die sich Fragen der Computersicherheit widmet.

Gegen die gesetzlichen Regeln, die in Bayern den Einsatz der Verfahrensübergreifenden Recherche- und Analyseplattform (VeRA) von Palantir ermöglichen, wurde eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Beide kritisieren, dass die Software auch Verbindungen zu Menschen herstellt, die nicht im Zusammenhang mit Straftaten stehen.

Aus dem deutschen Innenministerium hieß es dazu: „Der Einsatz von durch private Unternehmen entwickelter Software ist Standard in deutschen Polizeibehörden.“ Die Polizei prüfe die vertraglich zugesicherten Eigenschaften der Software.