Frankfurt ist laut »ADFC-Fahrradklima-Test«, an dem sich bundesweit über 200 000 Radfahrende beteiligt haben, die „fahrradfreundlichste“ Stadt in Deutschland unter den Städten mit mehr als 500 000 Einwohnern. Drei Fragen dazu an Prof. Martin Lanzendorf, Mobilitätsforscher an der Goethe-Universität.

Am stark frequentierten Übergang Hansaallee/Holzhausenstraße müssen sich Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger arrangieren. © Dirk FrankAm stark frequentierten Übergang Hansaallee/Holzhausenstraße müssen sich Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger arrangieren. © Dirk Frank

UniReport: Herr Lanzendorf, soll und kann man sich als Mobilitätsforscher über die Auszeichnung freuen? Sie sind selber passionierter Radfahrer, was gefällt Ihnen persönlich beim Radeln in Frankfurt?

Martin Lanzendorf: Sicher freue ich mich darüber, in einer Stadt zu leben, die für ihre Mobilitätspolitik ausgezeichnet wird. Aber es sind ja Schulnoten, die vergeben werden, und die Note 3,5 zeigt, dass auch in Frankfurt noch einiges zu tun ist bei der Fahrradförderung, wie eben auch in vielen anderen Städten. Aber natürlich werden mit der Auszeichnung die Fortschritte der letzten Jahre seit circa 2019 belohnt und darüber freue ich mich riesig. Für mich ist die markanteste Veränderung die Farbe Rot auf dem Asphalt, wodurch an vielen Stellen Klarheit hergestellt wird, dass das Platz für Radfahrende ist. So werden die Veränderungen im Straßenraum, die veränderte Raumaufteilung und mehr Flächengerechtigkeit auch deutlich kommuniziert.

Wo hapert es aber Ihrer Ansicht nach noch bei der Fahrrad-Mobilität in Frankfurt, was könnte kurz- und mittelfristig noch realisiert und verbessert werden? Der Anteil an Radfahrenden soll in den letzten Jahren kaum angestiegen sein.

Der Prozess zur Gestaltung von Fahrradfreundlichkeit dauert sicher noch weiter an. Für mich ist der Systemgedanke sehr wichtig: Wenn ich also auf einer geschützten Fahrradspur unterwegs bin, dann komme ich darauf auch bis zu meinem Zielort hin und werde nicht plötzlich in gefährliche Situationen mit dem Autoverkehr geleitet. Letztlich geht es hier um mehr Sicherheit beim Fahrradfahren und wenn es für Kinder, ältere Menschen und auch weniger geübte Radfahrende sicher ist, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, dann wird auch die Fahrradnutzung weiter ansteigen. Dafür muss an vielen Stellen auch neuer Raum für sichere Fahrradwege geschaffen werden – und das bedeutet im Zweifel weniger Platz für parkende Pkw oder weniger breite Pkw-Spuren. Ein Thema, was ja gerne sehr kontrovers diskutiert wird.

Nicht alle Verkehrsteilnehmende können oder wollen sich mit dem Rad fortbewegen, zumindest nicht über die ganze Strecke, die sie zurücklegen müssen. Wie sähe ein guter Mobilitäts-Mix aus, gerade in Frankfurt?

Es geht dabei ja nicht nur um Fahrradverkehr, sondern auch um Fuß- und öffentlichen Verkehr. Die neuesten Zahlen zeigen, dass von allen Wegen der Frankfurter*innen 2023 jeweils ein Fünftel mit dem Fahrrad, ein Fünftel mit Bus und Bahn, fast zwei Fünftel zu Fuß und etwas mehr als ein Fünftel mit dem Pkw (23 %) zurückgelegt wurden. Das finde ich insgesamt schon sehr erstaunlich, wie eindeutig der Pkw an Bedeutung verloren hat. Aber natürlich könnte sich das noch deutlich verändern, wenn die Bedingungen für das Radfahren, Zufußgehen oder auch für Bus und Bahn weiter verbessert werden. Vielleicht wird irgendwann nur noch jeder zehnte Weg der Frankfurter*innen mit dem Pkw zurückgelegt werden. Dann werden wir uns noch mehr Gedanken darüber machen müssen, wie die Menschen autounabhängiger aus dem Umland nach Frankfurt kommen können, um hier zu arbeiten, sich zu versorgen oder soziale Kontakte zu pflegen.

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