Bei neuen Angriffen Russlands auf die ukrainische Hauptstadt Kyjiw sind nach offiziellen Angaben mindestens sechs Menschen getötet worden. Unter den Toten sind auch ein sechsjähriger Junge und dessen Mutter, wie Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj mitteilte.

Mehr als 50 weitere Menschen seien verletzt worden, erklärte Tymur Tkatschenko, Chef der Militärverwaltung der Hauptstadt. Bürgermeister Vitali Klitschko schrieb von neun verletzten Kindern – so viele, wie noch nie zuvor in einer Nacht in Kyjiw seit Beginn des Krieges.

Brennendes Auto in Kyjiw nach russischem Raketen- und DrohnenangriffEin brennendes Auto, von einer russischen Rakete getroffen Bild: Valentyn Ogirenko/REUTERS

Selenskyj veröffentlichte ein Video, das massive Zerstörung und Rettungskräfte im Einsatz zeigt. Explosionen erschütterten die Stadt demnach stundenlang, während Flammen den Nachthimmel erhellten. Nach Angaben von Außenminister Andrij Sybiha wurden „ganze Wohnhäuser zerstört und Schulen und Krankenhäuser beschädigt“. Sybiha schrieb im Onlinediemst X von einem „schrecklichen Morgen in Kyjiw“.

Kyjiw Hauptziel der Angriffe

Die ukrainische Hauptstadt war Selenskyj zufolge das Hauptziel der russischen Angriffe. Aber auch das Umland sowie die Regionen Dnipropetrowsk, Poltawa, Sumy und Mykolajiw seien attackiert worden. Ingesamt habe Moskau mehr als 300 Drohnen und acht Raketen abgefeuert.

Wolodymyr Senlenskyj sitzt an einem Konferenztisch, neben ihm ein Mann in grünem HemdUkraines Präsident Selenskyj bei einem Treffen mit führenden Sicherheitsmännern in Kyjiw (22. Juli)Bild: Ukrainian Presidency/Anadolu/picture alliance

Im Onlinedienst X schrieb der ukrainische Präsident: „Heute hat die Welt erneut die Antwort Russlands auf unseren Wunsch nach Frieden gesehen, den wir mit Amerika und Europa teilen“.

Erst am Dienstag hatte US-Präsident Donald Trump Moskau eine Frist von „zehn oder zwölf“ Tagen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs gesetzt und andernfalls mit weiteren Sanktionen gedroht.

Angriff auf Industriebetrieb in Russland

Die Ukraine griff unterdessen Ziele auf russischem Gebiet an. In der Region Pensa lösten ukrainische Drohnen einen Brand auf dem Gelände eines Industriebetriebs aus, wie Gouverneur Oleg Melnitschenko, mitteilte. Schäden oder Verletzte gebe es nicht. Details zu dem Betrieb nannte Melnitschenko nicht.

Einem russischen Nachrichtenkanal beim Onlinemessenger Telegram zufolge gibt es in Pensa ein Elektronik-Unternehmen, das Computertechnik für das russische Verteidigungsministerium herstellen soll, sowie einen Rüstungsbetrieb.

Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als drei Jahren gegen die russische Invasion. Als Teil ihres Abwehrkampfes greift sie auch immer wieder Ziele in Russland an.

Russland meldet Einnahme von Tschassiw Jar

Das russische Verteidigungsministerium erklärte derweil, die Stadt Tschassiw Jar im ostukrainischen Donezk erobert zu haben. Die ukrainische Armee bestritt dies. Die Angaben aus Moskau seien „natürlich nicht wahr“ und eine „komplette Lüge“, sagte ein ukrainischer Militärsprecher der Nachrichtenagentur AFP.

Russische Truppen versuchen seit mehr als einem Jahr, die strategisch wichtige Stadt unter Kontrolle zu bringen. Sollte ihnen dies gelungen sein, könnten sie leichter auf die verbliebenen ukrainischen Hochburgen in der Region Donezk vorrücken – darunter Kramatorsk und Slowiansk, beides wichtige logistische Zentren der ukrainischen Streitkräfte.

ch/se(dpa, afp, rtr)