Selbst im zuständigen Bundesamt für Bevölkerungsforschung grübeln die Experten darüber, warum die Geburtenzahl in Deutschland seit Januar 2022 eingebrochen ist. Am Mittwoch, dem 30. Juli, veröffentlichten sie eine kurze Analyse dieser Entwicklung, die die Frage zu beantworten versuchte, warum die Kinderzahl pro Frau im geburtsfähigen Alter auf 1,35 zurückgegangen ist. Und ob dahinter ein langfristiger Trend steht, ob also die jungen Leute tatsächlich weniger Kinder bekommen wollen. Und wenn ja, warum? In Leipzig geht es mit den niedrigen Geburtenzahlen auch 2025 weiter.
Zumindest ein Ergebnis gibt dabei Hoffnung: Der tatsächliche Kinderwunsch ist dabei nicht zurückgegangen, stellt das Bundesamt für Bevölkerungsforschung fest: „Die Befunde zeigen, dass der Kinderwunsch sowohl bei Frauen als auch bei Männern im genannten Zeitraum konstant geblieben ist. So liegt er bei Frauen und Männern im Durchschnitt zwischen 1,7 und 1,8 Kindern – trotz des parallelen Rückgangs der zusammengefassten Geburtenziffer zwischen 2021 und 2024.“
„Die durchschnittlich gewünschte Kinderzahl liegt bei Frauen und Männern deutlich höher als die Geburtenrate von 2024“, betont die Mitautorin der Studie, Dr. Carmen Friedrich. Nur: Warum ging die Geburtenrate dann so deutlich zurück?
„Die Ursache für den aktuellen Geburtenrückgang liegt demnach vermutlich in einem Aufschub von Geburten aufgrund der Kombination multipler Krisen (Corona, Ukrainekrieg, Klimawandel) und einer zunehmend wahrgenommenen Unsicherheit. Maßnahmen der Politik, wie verlässliche Kitaangebote und bezahlbarer Wohnraum, können Unsicherheiten bei der Familiengründung verringern und dazu beitragen, dass vorhandene Kinderwünsche häufiger umgesetzt werden“, fasst das Bundesamt für Bevölkerungsforschung seine Vermutungen zusammen.
Zu viele Krisen auf einmal
Und so kommt man damit zu einem ähnlichen Ergebnis wie auch Leipzigs Statistiker. Es scheint für junge Familien einfach zu viel der Krisen auf einmal zu sein. Und wahrscheinlich würden sie mit den Nachrichten über Kriege und Klimaextreme noch umgehen können, wenn nicht die ganz elementaren Bedingungen für eine Familiengründung in deutschen Städten so miserabel wären. Das Bundesamt für Bevölkerungsentwicklung nennt ja hier explizit den bezahlbaren Wohnraum.
Man kann nicht alle elementaren Grundlagen einer Gesellschaft dem Markt überlassen. Das ist das Fehldenken der Politik in den letzten Jahrzehnten. Junge Leute sind nicht einfach nur willige Arbeitskräfte, denen man einfach die oft toxische Mischung aus befristeten Jobangeboten, Probezeiten, Kettenverträgen und was der „flexiblen“ Arbeitsangebote mehr sind zumuten kann, während gleichzeitig die finanziellen Belastungen durch die Überalterung der Gesellschaft zunehmen. Dazu kommen seit zwei Jahren deutliche Zurückhaltungen bei Neueinstellungen in den Unternehmen, die vor allem die jüngsten Jahrgänge der Berufsanfänger betreffen.
Und Leipzig leidet unter diesen geballten Problemen natürlich besonders. Auch die Geburtenzahlen in der ersten Jahreshälfte 2025 sprechen eine klare Sprache: 2.308 Kinder wurden im ersten Halbjahr geboren, das sind noch einmal weniger als die 2.473 im ersten Halbjahr 2024. Klares Zeichen dafür, dass sich an der problematischen Mischung für eine Familiengründung oder die Erfüllung weiterer Kinderwünsche nichts geändert hat. Und vielleicht wäre es schlicht an der Zeit, die neoliberale Philosophie zu hinterfragen, nach der in Deutschland nun seit Jahren Politik gemacht wird.
Sinkende Zuwanderungszahlen
Denn gleichzeitig schlägt ja auch der zweite große demografische Effekt zu: Die Gesellschaft überaltert, die „Babyboomer“ gehen jetzt in Rente. Und die Sterbefallzahlen übertreffen auch in Leipzig schon lange wieder die Geburtenzahlen. So auch in erste Halbjahr 2025, als 780 Leipzigerinnen und Leipziger mehr starben als geboren wurden. Das wäre Leipzigs Bevölkerungsdefizit, würde Leipzig nicht nach wie vor von Zuwanderung profitieren.
Auf 14.986 Zuzüge kamen im ersten Halbjahr 14.292 Wegzüge. Leipzig wächst also trotzdem. Wenn auch deutlich langsamer als in den Vorjahren, was auch an den deutlich zurückgehenden Zahlen der Zuwanderung aus dem Ausland liegt. Gäbe es diese Zuwanderung nicht, würde Leipzig längst wieder deutlich schrumpfen.
Denn wenn es nur um die deutsche Bevölkerung ginge, hätte Leipzig sogar einen negativen Wanderungssaldo von 600 Menschen allein im ersten Halbjahr. Das wurde nur deshalb aufgefangen, weil 1.294 Ausländer mehr zuwanderten als wegzogen. Und auch diese Zuwanderung ist rückläufig, auch bedingt durch die neue restriktive Abschottungspolitik der neuen Bundesregierung.