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Nach dem Erdbeben vor der russischen Halbinsel Kamtschatka im Pazifik kam es an mehreren Küsten zu großen Wellen. Doch nicht alle Bilder und Videos im Netz sind authentisch, es kursieren viele Fakes.
Keine Naturkatastrophe ohne Falschbehauptungen im Netz: Auch das schwere Erdbeben vor der russischen Halbinsel Kamtschatka an der Pazifikküste ist dabei keine Ausnahme. Mit einer gemessenen Stärke von 8,8 war das Beben laut der US-Erdbebenwarte USGS das weltweit stärkste seit der Katastrophe von Fukushima im März 2011. Das Zentrum des Bebens lag den Angaben zufolge in der offenen See, etwa 130 Kilometer vor der nur dünn besiedelten Küste Kamtschatkas und relativ tief unter dem Meeresboden.
Für mehrere Länder gab es Tsunami-Warnungen, Bilder und Videos von den Folgen wurden im Netz geteilt. Doch viele von ihnen sind in einem anderen Zusammenhang entstanden, andere sind mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) erstellt worden. Dennoch wurden sie im Netz mit falschen Angaben zur aktuellen Situation geteilt.
Simulation der Tsunami-Welle schon alt
Ein Video, das sehr oft im Zusammenhang mit dem Erdbeben vor Kamtschatka geteilt wurde, zeigt eine Simulation des Bebens auf einem Modell der Erde wann und nach wie vielen Stunden mit Tsunamiwellen zu rechnen ist. Doch dieses Video ist nicht aktuell, sondern stammt aus dem Jahr 2012. Es zeigt die Auswirkungen des Erdbebens und Tsunamis vor der japanischen Küste im März 2011, infolgedessen mehr als 20.000 Menschen starben.
Alte Aufnahmen aus Myanmar
Ein weiteres Video zeigt die Überwachungskameraaufnahmen in einem kleinen Laden. Eine Frau sitzt hinter der Ladentheke und arbeitet am Computer, als plötzlich durch ein Erdbeben sämtliches Mobiliar im Laden wackelt und in Richtung der Frau fällt.
Doch auch dieses Video ist nicht im Zusammenhang mit dem aktuellen Erdbeben entstanden. Wie eine Bilderrückwärtssuche zeigt, stammt das Video aus Myanmar, als sich dort Ende März ein Erdbeben der Stärke 7,7 ereignete.
Noch ein weiteres Video stammt von einem früheren Erdbeben, wird jedoch mit den aktuellen Ereignissen in Verbindung gebracht. Zu sehen sind Menschen an einer Küste, die nach einem Erdbeben vor den Wellen fliehen. In einem Post heißt es dazu: „Eilmeldung: Ein Erdbeben der Stärke 8,7 erschüttert Russland und löst einen Tsunami aus. Beängstigende Bilder, wie in diesem Video zu sehen.“
Der Clip zeigt tatsächlich die Folgen eines Tsunamis, der sich 2017 in Grönland ereignete. Er zeigt jedoch nicht, wie behauptet, den sich jüngst ereignenden Tsunami. Die Aufnahmen wurden bereits im September 2017 hochgeladen, wobei es keine Angaben dazu gibt, wer der Urheber ist. Das Material scheint authentisch und nicht mit Hilfe von künstlicher Intelligenz erstellt worden zu sein.
Das Video zeigt die Folgen eines Tsunamis, der sich 2017 in Grönland ereignete und steht in keinem Zusammenhang mit den aktuellen Ereignissen.
Straße von Oprah Winfrey nicht gesperrt
Auch kursiert in den sozialen Netzwerken die Behauptung, US-Moderatorin Oprah Winfrey habe Anwohnern zum Zeitpunkt der Tsunami-Warnung den Zugang zu höher gelegenen Gebieten über ihre Privatstraße verweigert.
So heißt es in einem über vier Millionen Mal angezeigtem Post auf X: Die Menschen auf Maui, Hawaii, würden versuchen, dem Tsunami zu entkommen und flehen Oprah an, die Privatstraße auf ihrem Grundstück zu öffnen. „Berichten zufolge weigert sie sich immer noch. In einer Krise einen Fluchtweg zu blockieren ist unmenschlich.“
Fälschlicherweise wird in den sozialen Netzwerken behauptet, dass Oprah Winfreys Privatstraße gesperrt sei und Anwohner somit an der Flucht in sicherere Gebiete gehindert würden.
Das ist falsch. Winfrey besitzt tatsächlich ein Anwesen auf Maui, zu dem eine private Straße führt. Doch war diese Straße bereits für den Verkehr freigegeben, als die Behauptungen in den sozialen Netzwerken verbreitet wurden. Die Polizei von Maui stellte in einem Statement klar: „Oprahs Straße ist offen, um ins Upcountry zu gelangen.“
Auch ein Sprecher der Moderatorin wies die Vorwürfe zurück. Man habe unmittelbar nach den Tsunami-Warnungen Kontakt zur Polizei und zur US-Katastrophenschutzbehörde FEMA aufgenommen, um sicherzustellen, dass die Straße geöffnet werde. „Alle anderslautenden Berichte sind falsch“, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber dem US-Magazin Newsweek. Dennoch verbreiten sich Posts mit der Falschbehauptung weiterhin millionenfach im Netz.
Gestrandete Belugawale aus dem Kontext gerissen
Ein Video, auf dem fünf gestrandete Belugawale zu sehen sind, wird fälschlicherweise in Verbindung mit dem Tsunami gebracht. Angeblich sollen die Wale an einen russischen Strand in Kamtschatka gespült worden sein.
Dabei kursieren unterschiedliche Versionen der Behauptung. In einigen Posts wird behauptet, die Tiere seien durch die Flutwellen des Bebens an Land gespült worden, andere sprechen von „unheilvollen Zeichen“ oder einer „Frühwarnung“ für das Erdbeben und den Tsunami.
Die Belugawale sind zwar am Strand von Kamtschatka in Russland gestrandet, jedoch bereits im August 2023.
Eine Bilderrückwärtssuche zeigt: Tatsächlich stammen die Aufnahmen von der Küste Kamtschatkas in Russland. Sie wurden jedoch bereits am 14. August 2023 von der lokalen Nachrichtenagentur „Kamchatka-Inform“ mit dem Titel „Einwohner von Kamtschatka retten Beluga-Wal-Familie vor dem Tod“ ins Netz gestellt. Mehrere Medien berichteten über das Ereignis.
Auch Screenshots aus einem Bericht von TBS News DIG werden als Beleg für gestrandete Wale geteilt – diese sollen allerdings an einen japanischen Strand gespült worden sein. Ein Post dazu auf dem Kurznachrichtendienst X hat allein mehr als 6,4 Millionen Aufrufe verzeichnet.
Ein Faktencheck der Deutschen Welle kommt zu dem Schluss, dass die Tiere bereits einen Tag vor dem Tsunami gesichtet wurden und ein direkter Zusammenhang daher unwahrscheinlich sei.
Video von Tsunami-Welle KI-generiert
Ein Video, das alleine auf TikTok mehr als drei Millionen Mal angesehen wurde, soll die Ausmaße des Tsunamis auf der russischen Halbinsel Kamtschatka zeigen. Es zeigt eine riesige Flutwelle, die auf einen Strand trifft. Im Anschluss ist ein Hochhaus zu sehen, das aufgrund des Erdbebens einstürzt. Allerdings sind die Bilder nicht echt, sondern von einer KI generiert. Der Kanal, der das Video verbreitet, hat viele weitere KI-generierte Videos von vermeintlichen Naturkatastrophen hochgeladen.
Hinweis: Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation von ARD-faktenfinder und DW Fact check entstanden.