Mit einer einzigen Ausnahme (zwischen 1995 und 1999) hat die PFF immer der Regierungsmehrheit in der Deutschsprachigen Gemeinschaft angehört. Das ist auch in der neuen Legislaturperiode der Fall, auch wenn es rechnerisch für ein Zweierbündnis zwischen ProDG und CSP gereicht hätte. Die PFF-Fraktionsvorsitzende im PDG, Evelyn Jadin, will die Rolle ihrer Partei in der neuen Mehrheit aber nicht kleingeredet wissen, wie sie auch im BRF-Sommergespräch deutlich machte.

Als Evelyn Jadin vor gut drei Jahren den Fraktionsvorsitz von Gregor Freches übernahm, wurde das auch als „Zeichen an den politischen Nachwuchs“ gedeutet. Mit heute 38 Jahren ist sie in der dreiköpfigen Fraktion zwar die jüngste, neben den Politikneulingen Ralph Schröder und Gerhard Löfgen aber auch die erfahrenste Abgeordnete:  „Uns war auf jeden Fall wichtig bei den letzten Wahlen, dass wir den Abwärtstrend stoppen. Und ich glaube, das ist uns gelungen. Vielleicht nicht in dem Ausmaß, wie wir es uns erhofft hatten, weil wir wirklich ein sehr dynamisches Team hatten. Vielleicht sind wir in der Vergangenheit etwas zu leise gewesen, waren nicht ausreichend sichtbar, haben vielleicht zwar unsere Akzente gesetzt, aber sind nicht unbedingt mit unserer Arbeit direkt identifiziert worden.“

Bildungspolitik

Schmerzhaft, dass die Partei als Juniorpartner in der neuen Dreierkoalition akzeptieren musste, dass liberale Kernthemen wie die Beschäftigung in andere Hände wechselten, in diesem Fall in die von CSP-Bildungsminister Jérôme Franssen: „Wir haben ausweislich weniger Zuständigkeiten, als das in der vergangenen Legislatur der Fall war. Die Karten wurden neu gemischt. Wichtig war, dass wir unsere Akzente setzen können. Und ich denke, dass wir beispielsweise mit der Zuständigkeit des Tourismus weiterhin eine Kernaufgabe der Deutschsprachigen Gemeinschaft wahrnehmen. Tourismus ist nicht nur Freizeitbeschäftigung, Tourismus ist ein Wirtschaftsfaktor, ganz klar.“

Glasfaser

Aber PFF-Minister Gregor Freches musste den unter seiner Vorgängerin Isabelle Weykmans begonnenen flächendeckenden Glasfaserausbau dem Ministerpräsidenten Oliver Paasch (ProDG) als “ Chefsache“ überlassen: „Wir sind ja die Partei, die für die Digitalisierung steht. Wir haben das Projekt nach vorne gebracht, aber auch da wir sind Teil einer Regierung, wir sind Teil einer Mehrheit. Und schlussendlich ist das Wichtigste, dass es ein Projekt ist, das für die Deutschsprachige Gemeinschaft und für unsere Unternehmen von Wichtigkeit ist.“

Man sei in der Koalition nicht immer einer Meinung, räumt Evelyn Jadin ein, aber in Kernfragen wie der Finanzpolitik zeigen sich die ostbelgischen Liberalen absolut loyal:“Wir wissen, die Haushaltslage ist angespannt. Man sollte sie auch nicht schwarzmalen. Ich denke, die Maßnahmen, die wir, die Regierung mit dem Parlament, getroffen haben, richtig waren. Es wird sich herausstellen, ob sie ausreichend waren oder ob wir vielleicht auch zu vorsichtig gewesen sind. Das würde bedeuten, dass wir gewisse Maßnahmen wieder aufheben können. Wichtig ist aber effektiv, dass wir uns nicht kaputtsparen …“

Lontzerner Schöffin

Seit 2018 ist Evelyn Jadin auch Schöffin in der Gemeinde Lontzen. Bei aller Unterschiedlichkeit zwischen beiden Ebenen überschneiden sich auch manche Dinge. Darum würde es Jadin für keine gute Idee halten, wenn nach den Bürgermeistern auch Schöffen versagt bliebe, im PDG zu tagen: „Ich glaube, dass es auch bereichernd ist, beides zu haben. Warum? Weil eben da auch die Brücke geschlagen werden kann zwischen Gemeinde und Parlament. Weil eben eine Gemeinde etwas sehr viel konkreter spürt. Sei es in Fragen der Raumordnung, Fragen, die die Gemeinden ja schon viel länger bearbeiten, als das jetzt bei der deutschsprachigen Gemeinschaft der Fall ist. Zuständigkeit, die wir erst seit 2020 innehaben als Deutschsprachige Gemeinschaft, die die Gemeinden aber de facto immer schon verwaltet haben …“

Stephan Pesch