Lage in Ausgehviertel

Gäste von Bar in Prenzlauer Berg dürfen auch nach 22 Uhr draußen sitzen

Do 31.07.25 | 19:59 Uhr | Von Simon Wenzel

Cafe Schwarzsauer in der Kastanienallee (Quelle: imago images)

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Video: rbb24 Abendschau | 31.07.2025 | Martin Schmitz | Bild: imago images

Der Bezirk Pankow wollte nach Anwohnerbeschwerden die Sperrstunde für den Außenbereich einer Kneipe auf 22 Uhr festlegen. Das Verwaltungsgericht kippte das vorerst. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Kiez der Bar. Von Simon Wenzel

Das Café „Schwarz Sauer“ in der Kastanienallee in Berlin-Prenzlauer Berg soll die Sperrstunde für seinen Außenbereich vorverlegen und wehrt sich dagegen. Ein Eilbeschluss des Berliner Verwaltungsgerichts von Anfang Juli gibt den Betreibern nun vorerst Recht. Bis zu einer Verhandlung muss das Café den Außenbereich nicht schon um 22 Uhr schließen. Die Frist des Bezirksamts zum Einspruch dagegen lief in dieser Woche ab. Ob es zu einer Verhandlungen kommen wird, ist allerdings noch offen, das Bezirksamt könnte seinen Bescheid auch vorher zurückziehen.

Das Entscheidende ist die Begründung des Gerichts. Denn die macht den Anwälten des Cafés Hoffnung auf ein Urteil mit Signalwirkung. Die Kastanienallee wird darin als Ausgehviertel beschrieben, in dem ohnehin viel Lärm herrscht. Eine „Blaupause“ nennt der Anwalt des „Schwarz Sauer“ den Eilbeschluss gegenüber dem rbb.

Denn die Begründung sei besonders, sagt Tjade Elix von der Kanzlei Härting: „Das juristisch Entscheidende war, dass erstmals im Mittelpunkt stand, dass wir uns in einem Kiez bewegen und dieser Kiez als Kulturgut und schutzwürdig angesehen wird“, so Elix. Das Café „Schwarz Sauer“ liegt in diesem Kiez. Der Anwalt erhofft sich damit auch eine Signalwirkung für künftige Fälle deutschlandweit. Zuerst hatte der „Tagesspiegel“ (€) über den Eilbeschluss berichtet.


Anrainer streit seit Jahren über Lärm

Schon 2004 beschäftigte das Thema Lärmschutz den Bezirk. Damals gab es erstmals eine Anwohnerbeschwerde gegen Lärm der umliegenden Kneipen in der Kastanienallee. Auf 22 Uhr wollte das Bezirksamt deshalb die Sperrzeiten vorverlegen. Nach Widerspruch und einem Runden Tisch wurde das 2005 vorerst abgewendet. Erst im August 2023 meldete sich wieder ein Anwohner nachts um 2:40 Uhr wegen angeblicher Ruhestörung. Es soll auch eine Unterschriftenliste mit den Namen neun weiterer Nachbarn gegeben haben, heißt es in der Schilderung des Gerichts.

Nach zwischenzeitlicher Prüfung und Lautstärkeberechnungen durch das Umweltamt kam es im November 2024 dazu, dass das Bezirksamt die Sperrzeiten für den Außenbereich auf 22 bis 6 Uhr festsetzte. Es folgte ein erneuter Widerspruch durch den Gastronomiebesitzer, doch der wurde vom Bezirksamt zurückgewiesen. „Die Interessen an der ungestörten Nachtruhe überwögen die wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers erheblich“, hieß es.

Dagegen klagte das „Schwarz Sauer“. Der Gastwirt selbst – so steht es im Dokument des Gerichts – wohne über seinem Café, der klagende Nachbar dagegen 100 Meter entfernt um eine Straßenecke, er könne die Kneipe nicht einmal sehen. Zudem sei in der Straße ohnehin viel Betrieb und Lärm. Und (das für den nun vom Gericht ergangenen Beschluss Entscheidende): Das „Schwarz Sauer“ bat um die Wiederherstellung der sogenannten „aufschiebenden Wirkung“ seines Widerspruchs – das also bis zur gerichtlichen Klärung der Sache erstmal wieder die alte Sperrstunde gilt.

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Gericht: Sperrzeitvorverlegung mit „hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig“

Genau dem hat das Verwaltungsgericht nun zugestimmt. Bis zum Hauptverfahren darf die Kneipe also zu ihren alten Öffnungszeiten zurückkehren. Die Begründung des Gerichts macht nicht nur deren Anwalt Tjade Elix Hoffnung, dass auch eine Verhandlung gut für das Café ausgehen könnte.

Das Gericht schreibt unter anderem, nach der vorläufigen Prüfung „werden sich die Sperrzeitvorverlegung und die Aufforderung zur Entfernung der Verweilmöglichkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig erweisen“. Deshalb, und weil die Interessen des Betreibers in diesem Fall zu bevorzugen ist, entschied das Verwaltungsgericht zugunsten des Gastronomen.

Auch ein weiterer wichtiger Punkt, den das Bezirksamt nannte, wird vom Gericht angezweifelt: Die Lärm-Prognose scheint aus mehreren Gründen nicht haltbar zu sein. Unter anderem, weil sich die Gastwirtschaft in einem sogenannten „Mischgebiet“ befinde und noch dazu in einem touristischen. Es gebe viele Restaurants und Kneipen in der Umgebung, Menschen ziehen mit ihrem Wegbier durch die Kastanienallee. Wie auch an anderen vergleichbaren Orten – das Gericht nennt die Admiralsbrücke oder den Mehringdamm – sei deshalb der Lärm einer einzelnen Gaststätte zu vernachlässigen.


Anwalt: „Nachtleben als Kultur anerkannt“

Tjade Elix sagt, ihn freue vor allem die Ausführlichkeit der Begründung des Eilbeschlusses und der Lärm-Zumutbarkeit. Er äußerte die Hoffnung, dass der Beschluss eine Art „Blaupause“ sei, die künftig zur Beurteilung heran gezogen werden könne.

„Das Überraschendste und Wichtigste in diesem Beschluss war, dass in der Diskussion inwieweit Lärm sozial akzeptiert ist, das Nachtleben als Kultur anerkannt wurde, das es etwas ist, was sich gebildet hat und was die Leute haben wollen in Berlin und schützenswert ist“, sagt Elix. So sei nicht automatisch klar, dass bei Lärmbeschwerden die Anwohnenden Recht haben.

Wie es weiter geht, ist noch nicht absehbar, auch wenn Rechtsanwalt Elix bereits sagt: „Als ich den Beschluss geöffnet habe, ist mir das Herz aufgegangen. Ich habe direkt den Betreiber angerufen und gesagt: Wir sind durch, wir haben gewonnen, ihr könnt wieder so aufmachen wie vorher.“ Einen Termin für die Hauptverhandlung allerdings gibt es nach Angaben einer Gerichtssprecherin bislang nicht.


Anwalt hofft auf richtungsweisendes Urteil

Trotzdem sagt Elix bereits jetzt, er mache sich Hoffnung, ein richtungsweisendes Urteil zu erreichen. Die Kriterien, die das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss darlegt, seien so weitreichend, dass sie künftig deutschlandweit in ähnlichen Fällen anwendbar wären. Selbst, wenn es gar nicht mehr zu einer Hauptverhandlung käme. „Da sich das Gericht direkt mit der Thematik Lärm und Zumutbarkeit von Lärm beschäftigt hat, ist das verwendbar“, so Elix.

Er selbst würde gern noch das Hauptverfahren durchfechten, um ein entsprechendes Urteil zu haben, unnötige Aufwände sollen aber nicht gemacht werden. Der Fall sei jetzt bereits geeignet, für Kneipen, Klubs und andere Institutionen des Nachtlebens deutschlandweit Signalwirkung zu entfalten.

Sendung: rbb24 Abendschau, 31.07.2025, 19:30 Uhr