Der Bundesrat hat bis zuletzt auf eine Einigung gehofft. Nun drohen der Schweiz Einfuhrzölle in Höhe von 31 Prozent.

Die Bundesräte Karin Keller-Sutter und Guy Parmelin haben sich im Mai mit einer amerikanischen Delegation in Genf getroffen. Die Bundesräte Karin Keller-Sutter und Guy Parmelin haben sich im Mai mit einer amerikanischen Delegation in Genf getroffen.

Martial Trezzini / Handout

Die Schweiz konnte keine Einigung im Handelsstreit mit den USA vor Ablauf der Frist erzielen, wie Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter am Donnerstagabend auf X mitteilte. Dies habe sich nach einem persönlichen Gespräch mit dem US-Präsidenten Donald Trump gezeigt. «Für den Präsidenten steht das Handelsdefizit im Vordergrund», schreibt Keller-Sutter. Die Frist zum Abschluss eines bilateralen Abkommens, die die USA seinen Handelspartner gesetzt hatten, läuft am 1. August aus.

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Die Schweiz hatte in den letzten Monaten intensiv mit den USA verhandelt und bis zuletzt auf ein Abkommen gehofft. Die Staatssekretärin für Wirtschaft, Helene Budliger Artieda, reiste mehrfach nach Washington, Keller-Sutter konnte persönlich mit Trump sprechen.

Die Schweizer Verhandler einigten sich, wie auch Keller-Sutter in ihrer Nachricht andeutet, mit der amerikanischen Delegation schon vor mehreren Wochen auf eine Absichtserklärung. Auf der Seite der USA waren mit dem Finanzminister Scott Bessent, dem Handelsminister Howard Lutnick und dem Handelsbeauftragten Jamieson Greer all jene Regierungsvertreter in die Verhandlungen involviert, die in Wirtschafts- und Handelsfragen eigentlich grosses Gewicht haben.

Alles deutete darauf hin, dass die Schweiz zügig eine Einigung mit den USA erzielen könnte. Dass auch der amerikanische Präsident seine Unterschrift unter das Abkommen setzen würde, schien mehr eine Formalität zu sein. Nun kommt es anders: Der Schweiz – deren Exporte bisher mit Trumps Basiszoll von 10 Prozent belegt worden sind – drohen nun Zölle in Höhe von 31 Prozent.

Dem Vernehmen nach stand tatsächlich Präsident Trump selbst einer Einigung im Weg, der zur Zeit keine weiteren «Deals» im bisherigen Format abschliessen möchte. Nebst der Schweiz soll sich noch eine Reihe weiterer kleinerer und mittelgrosser Staaten in derselben unsicheren und eher misslichen Lage befinden.

Die Schweiz im Nachteil

Von amerikanischer Seite liegt bisher noch keine Bestätigung vor, dass eine Einigung mit der Schweiz gescheitert ist. Unklar ist auch, ob nun per 1. August tatsächlich die angedrohten 31 Prozent Einfuhrzoll gelten, ob die USA einseitig per Brief einen neuen Zollsatz festlegen werden – oder ob Trump es sich nicht doch bald noch anders überlegt. Donald Trump selbst war am Donnerstagnachmittag (Lokalzeit) mit anderen Themen beschäftigt.

Diese Fragen betreffen nicht nur die Schweiz. Es ist insgesamt unklar, ob die «reziproken Zölle», die Trump Anfang April erstmals angekündigt hatte, wirklich automatisch wieder in Kraft treten. Der amerikanische Zoll-Experte Robert Stein, der Unternehmen beim Import von Gütern berät, sagte der «New York Times» hierzu: «Wir wissen es nicht wirklich. Es gibt nicht viel Schriftliches als Basis, um irgendjemandem irgendetwas sagen zu können».

Klar ist jedoch: Zölle in Höhe von 31 Prozent würden einige Schweizer Exportbranchen empfindlich treffen, insbesondere weil andere Exportnationen wie Japan, Deutschland oder Südkorea dank ihren Abkommen mit Zöllen von 15 Prozent deutlich bessere Handelsbedingungen erhalten haben. Betroffen wären etwa die Maschinenbauer, die Uhrenhersteller oder auch der Nahrungsmittelriese Nestlé, der Nespresso-Kaffeekapseln aus der Schweiz in die USA ausführt.

Der Schweiz kommt vermutlich zugute, dass Trump Importe von pharmazeutischen Produkten mit einem separaten, globalen Einfuhrzoll belegen will. Auf diese Güter fielen bisher daher keine länderspezifischen Zölle an. Pharmaprodukte machen wertmässig eine knappe Mehrheit aller Schweizer Exporte in die USA aus.

Allerdings unterliegen zumindest die Pharmaexporte aus der EU nach Amerika neuerdings ebenfalls dem einheitlichen Zollsatz von 15 Prozent, den der Staatenbund mit den USA ausgehandelt hat. Insofern gibt es für Schweizer Medikamentenhersteller noch keine definitive Entwarnung.

Haarsträubende Formel

Für die Schweiz wäre es besonders ärgerlich, falls Trump ihre Exporte mit einem Zoll von 31 Prozent belegen würde, wie er das am 2. April ursprünglich angekündigt hatte. Die Formel, mit der die damaligen Zollsätze berechnet worden waren, setzte einzig den Überschuss eines Landes im bilateralen Güterhandel zur gesamten Güterhandelsbilanz mit den USA ins Verhältnis. Weil die Schweiz 2024 viel mehr Güter in die USA exportierte als sie importierte, erhielt sie einen hohen «reziproken» Strafzoll aufgebrummt.

Dass die Schweiz ihrerseits einseitig alle Industriezölle abgeschafft hat, schlug sich in dieser Berechnung nicht nieder. Ebenso wenig, dass die USA im bilateralen Handel mit Dienstleistungen einen Überschuss gegenüber der Schweiz aufweist.

Zudem war zumindest ein Teil des hohen Überschusses der Schweiz 2024 auf eine Eigenheit des globalen Goldhandels zurückzuführen: Goldhändler wappneten sich in den letzten Monaten 2024 dafür, dass Trump auch die Einfuhr des gelben Edelmetalls mit Zöllen belegen könnte. Der Goldpreis in New York lag plötzlich deutlich höher als in London, dem anderen grossen Goldmarkt.

Unweigerlich floss nun zunehmend Gold von London nach New York. Es machte indes einen Umweg über Schweizer Raffinerien, weil an den beiden Handelsplätze mit sehr unterschiedlichen Barren gehandelt wird. Dieser Goldfluss wurde der Schweiz in der Folge als Export in die USA angerechnet.

Eigentlich dachte die Schweizer Wirtschaft bereits, dass sie sich mit solchen bizarren Spitzfindigkeiten bald nicht mehr befassen müsste, weil ja der «Deal» mit Trump zum Greifen nah war. Aber in den Verhandlungen mit diesem Amerika liegen die Dinge oft anders, als sie zunächst scheinen.