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Deutschland steht im Spannungsfeld von Energiewende und Industriebedarf. Während die Energiekosten steigen, wächst die Sorge: Verliert das Land seine industrielle Basis?

Frankfurt – Die Debatte um die deutsche Energiewende ist in vollem Gang. Rein wirtschaftlich betrachtet richtet sie sich zunehmend auf die Frage, ob der Transformationskurs die Industrie belastet oder langfristig stärkt. Skeptiker warnen vor steigenden Energiepreisen, Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit und beginnender Deindustrialisierung.

Energiekrise: Deutschland als Standort wird unattraktiver

Immer mehr Industriebetriebe erwägen Produktionseinschränkungen oder Abwanderungen aus Deutschland. Laut einer Erhebung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) stieg der Anteil solcher Unternehmen von 21 Prozent im Jahr 2022 über 32 Prozent im Jahr 2023 auf 37 Prozent im Jahr 2024. Besonders betroffen sind Betriebe mit hohen Stromkosten: Bei diesen lag der Anteil im Jahr 2024 bereits bei 45 Prozent.

Hohe Energiepreise hemmen darüber hinaus die Investitionsbereitschaft der Industrie deutlich. Mehr als ein Drittel der Unternehmen verschiebt Investitionen in zentrale Produktionsbereiche, rund ein Fünftel reduziert Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht in dieser Entwicklung ein ernstzunehmendes Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts. Er fordert umfassende Investitionen in kritische Infrastruktur wie Stromnetze, Wasserstofflösungen und digitale Systeme. Laut der Tagesschau wird der Begriff „Deindustrialisierung“ im BDI-Umfeld bereits als zutreffend angesehen.

Energieeinschränkungen treffen große Industrieunternehmen stark

Der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks berichtet von einer zunehmenden Skepsis in der Wirtschaft gegenüber der Energiepolitik. Demnach sind viele Unternehmen durch hohe Kosten, aufwendige bürokratische Anforderungen und eine angespannte wirtschaftliche Gesamtlage in ihrer Investitionsfähigkeit eingeschränkt. Das betreffe insbesondere den Klimaschutz, für immer weniger Mittel zur Verfügung stehen. Die Zahl der Industrieunternehmen, die ihre Produktion im Inland aufgrund gestiegener Energiekosten einschränken oder entsprechende Schritte planen, sei laut Handelsblatt bei großen Betrieben besonders hoch.

Ein älterer Herr arbeitet weiter in einem Produktionsbetrieb Hohe Energiekosten zwingen immer mehr Industrieunternehmen in Deutschland zu Produktionseinschränkungen und Standortverlagerungen. (Symbolbild) © 
IMAGO / Andreas ProstMehr als die Hälfte der großen Betriebe von Energieeinschränkungen betroffen

Eine aktuelle Umfrage der DIHK belegt diese Entwicklung: 59 Prozent der Industrieunternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten gaben an, von Einschränkungen betroffen zu sein. Ein deutlicher Anstieg gegenüber 50,8 Prozent im Vorjahr und 21,9 Prozent im Jahr 2016.

Das Energiewende-Barometer, das seit 2012 regelmäßig vom DIHK erhoben wird, zeigt eine kritische Haltung vieler Betriebe. Zwar fällt der Durchschnittswert für 2025 mit minus acht auf einer Skala von minus 100 bis plus 100 etwas besser aus als in den Jahren 2023 und 2024. Dennoch bleibt die Gesamtbewertung der Auswirkungen der Energiewende auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen branchenübergreifend negativ.

Internationale Zweifel an Energiewende

Internationale Experten beurteilen die deutsche Energiepolitik kritisch. Laut Weltenergierat äußerten rund zwei Drittel der befragten Experten Zweifel daran, dass Deutschland seine gesetzten Klimaziele für 2030 und 2045 einhalten kann. Die Balance zwischen Klimaschutz und wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit wird als entscheidende Herausforderung bewertet. Auch in mehreren europäischen Nachbarstaaten wächst laut der Organisation die Skepsis gegenüber der praktischen Umsetzung der deutschen Energiewende.