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Trotz Ukraine-Krieg kommen mehr Russen nach Europa, auch nach Deutschland. Die Ukraine warnt vor Agenten. Eine einheitliche Strategie wird gefordert.

Berlin – Trotz des anhaltenden Kriegs in der Ukraine reisen wieder mehr Menschen aus Russland nach Europa, darunter auch nach Deutschland. Im Jahr 2025 könnte die Anzahl an erteilten Visa wieder ein ähnliches Niveau wie vor dem Ukraine-Krieg erreichen. Für das laufende Jahr wurden bis Mitte Juli bereits 17 600 Visa für Deutschland erteilt.

Wie aus Zahlen des Auswärtigen Amts hervorgeht, die Focus zitierte, wurden im Jahr 2024 rund 27 300 Schengen-Visa an russische Bürgerinnen und Bürger ausgestellt – etwa 6 500 mehr als im Vorjahr. Schengen-Visa erlauben einen Aufenthalt im Schengen-Raum von bis zu 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen. Deswegen werden sie für touristische Reisen, Geschäftsreisen und Familienbesuche genutzt. Für längere Aufenthalte ist ein nationales Visum erforderlich.

2021 26 000 2022 21 100 2023 20 800 2024 27 300 2025 (bis Juli) 17 600

Russland-Reisende nehmen Umweg auf Weg nach Europa – wegen EU-Sanktionen

Für Personen aus Russland gibt es keine speziellen Visabeschränkungen, allerdings hat die EU im Jahr 2022 ein Visaerleichterungsabkommen mit Russland ausgesetzt. Existent sind weiterhin bestehende EU-Sanktionen und eingeschränkte direkte Flugverbindung zwischen Russland und der Europäischen Union, die eine Einreise erschweren.

Russische Reisende weichen daher laut The Telegraph oft auf Drittstaaten wie die Türkei oder die Vereinigten Arabischen Emirate aus, um Europa über Umsteigeverbindungen zu erreichen. Die Flughäfen in Istanbul und Dubai gelten dabei als zentrale Transitpunkte. Dort kann auch von Rubel in Euro gewechselt werden, auch wenn russische Bankkarten in der EU größtenteils gesperrt sind.

Immer mehr Russen beantragen trotz des andauernden Ukraine-Kriegs ein Schengen-Visum für Deutschland. Für die Reise nutzen sie unter anderem die Flughäfen in Istanbul oder den VAE. (Montage)Immer mehr Russen beantragen trotz des andauernden Ukraine-Kriegs ein Schengen-Visum für Deutschland. Für die Reise nutzen sie unter anderem die Flughäfen in Istanbul oder den VAE. (Montage) © Montage: Ole Spata/ Lefteris Pitarakis/dpaMehr Schengen-Visa für Russen in Deutschland – Schwindend geringe Zahl an Asylanträgen und anderen Visa

Während die Visa für Tourismus, Geschäftsreisen und Familienbesuche wieder häufiger vergeben werden, ist die Zahl anderer Aufenthaltstitel für russische Staatsbürger rückläufig. Besonders stark betroffen ist der Bereich Familiennachzug: 2022 wurden noch rund 9 000 entsprechende Visa ausgestellt, im laufenden Jahr sind es bisher lediglich etwa 1 300. Auch Visa für Erwerbstätigkeit, Studium oder Schulbesuch verzeichnen einen Rückgang. So kamen 2021 noch etwa 3000 junge Menschen aus Russland für Bildungszwecke nach Deutschland, 2025 liegt diese Zahl bisher bei unter 600.

Die Zahl von genehmigten Asylanträgen seit Beginn des Ukraine-Kriegs ist zudem schwindend gering. Laut Zahlen des Bundesinnenministeriums, die der ARD zitierte, stellten von Anfang 2022 bis April 2025 6374 russische Männer zwischen 18 und 45 Jahre einen Asylantrag in Deutschland. Nur 349 von ihnen wurden als Geflüchtete oder Asylberechtigte anerkannt. Die Linken-Politikerin Clara Bünger kritisierte die Zahl als „beschämend niedrig“.

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Aus der Ukraine warnt man wegen der Schengen-Visa: Agenten, die sich als Reisende tarnen, könnten die Einreisemöglichkeit für hybride Kriegsführung in Europa nutzen. Der Ukraine-Botschafter in der EU, Vsevolod Chentsov, nannte es laut The Telegraph „kurzsichtig“, die zurückkehrenden Russen zu ignorieren. Auch in Osteuropa ist die Sorge groß.

Tschechiens Außenminister Jan Lipavský forderte gegenüber dem Telegraph: „Ein einheitliches europäisches Vorgehen ist überfällig – nicht nur aus moralischen, sondern aus sicherheitspolitischen Gründen.“ Mehrere europäische Staaten hatten laut Kyiv Independent einige Wochen zuvor ein Schengen-Bann für alle Russen, die gegen die Ukraine gekämpft haben, gefordert. In Russland besteht eine allgemeine Wehrpflicht und wer versucht, sich einer Einberufung zu entziehen, wird mit Polizei und Militär verfolgt.

Man wolle zwischen dem Kreml und der russischen Bevölkerung unterscheiden, halten andere europäische Staaten dagegen. Das französische Außenministerium argumentierte: Kultureller Austausch könne langfristig zum Dialog beitragen. Frankreich hatte zwischen 2023 und 2024 den größten Anstieg von Schengen-Visa (+24 506), gefolgt von Italien (+18 681) und Spanien (+14 447). Laut EU-Daten wurden im Jahr 2024 im gesamten Schengen-Raum 606 594 Visa an russische Staatsbürger erteilt. Insgesamt gab es in dem Jahr über 9,7 Millionen erteilte Visa. (lismah)