Experten des American College of Cardiology (ACC) empfehlen erstmals Adipositas-Medikamente als mögliche Therapien bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF). Die Wirkstoffe Semaglutid und Tirzepatid, beide ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt, könnten laut dem im Journal of the American College of Cardiology veröffentlichten Statement helfen, Symptome bei HFpEF-Patienten zu lindern [1].

Die Autoren betonen jedoch, dass es bislang keine Evidenz der höchsten Stufe (Level 1) für eine Verringerung der Zahl kardiovaskulärer Ereignisse unter diesen Wirkstoffen gebe. Ihr Fokus liegt auf der Symptomkontrolle, nicht auf der Prävention schwerer Verläufe.

Die neuen Empfehlungen gelten ausschließlich für HFpEF. Für Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) liegen derzeit noch keine ausreichenden Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von Semaglutid und Tirzepatid vor. 

Von der Diabetes- zur Adipositas-Therapie mit Zusatznutzen

Zum Hintergrund: Semaglutid und Tirzepatid wurden ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt. Wegen ihrer stark gewichtsreduzierenden Wirkung und ihres günstigen Sicherheitsprofils erhielten beide Wirkstoffe später auch eine Zulassung zur Therapie von Adipositas, allerdings nur bei Patienten, die zusätzlich an mindestens einer weiteren Adipositas-assoziierten Erkrankung leiden, etwa an Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen oder obstruktive Schlafapnoe.

Semaglutid ist darüber hinaus bei kardiovaskulärer Erkrankung zugelassen, gestützt auf Ergebnisse der SELECT-Studie aus dem Jahr 2023. Diese zeigte bei übergewichtigen Personen mit kardiovaskulärer Vorerkrankung, aber ohne Diabetes, einen signifikanten Nutzen bei harten Endpunkten wie kardiovaskulären Todesfällen, Herzinfarkten und Schlaganfällen. 

Tirzepatid wiederum erhielt im Jahr 2024 auf Grundlage der SURMOUNT-OSA-Studie eine Zulassung bei adipösen Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe, ebenfalls unabhängig von Typ-2-Diabetes. 

Forscher untersuchen Verbesserung der Lebensqualität

Forscher haben im Rahmen zweier klinische Studien gezielt die Wirkung von Semaglutid und Tirzepatid bei Patienten mit HFpEF untersucht. Die STEP-HFpEF-Studie (2023, Semaglutid) und die SUMMIT-Studie (2025, Tirzepatid) haben eine signifikante Besserung der Symptome gezeigt, auch wenn sich die Studiendesigns deutlich voneinander unterscheiden.

In der STEP-HFpEF-Studie haben Ärzte HFpEF als linksventrikuläre Ejektionsfraktion von ≥ 45% definiert, während es in der SUMMIT-Studie ein etwas strengeren Grenzwert von ≥ 50% war. In beiden Studien arbeiteten Forschende mit dem Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire (KCCQ) zur Erfassung der Lebensqualität als primärem Endpunkt. Allerdings erfassten sie bei STEP-HFpEF zusätzlich den Gewichtsverlust, während es bei SUMMIT einen kombinierten Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod und HF-bedingten Komplikationen gab. 

Die Lebensqualität bessert sich signifikant

In STEP-HFpEF erzielten Patienten unter Semaglutid eine signifikante Verbesserung des KCCQ-Scores um 7,8 Punkte gegenüber Placebo (p 

In der SUMMIT-Studie führte Tirzepatid zu einem Plus von 6,9 Punkten gegenüber Placebo (p 

Beide Studien zeigten auch klare Verbesserungen der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Mobilität der Patienten: ein weiterer Hinweis auf den potenziellen Nutzen der Wirkstoffe bei HFpEF. 

Der Weg zur Indikationserweiterung ist geebnet

Semaglutid und Tirzepatid sind bislang nicht für die Behandlung einer Herzinsuffizienz zugelassen. In ihrem aktuellen Statement stellen ACC-Experten die bestehenden FDA-Zulassungen dem evidenzbasierten Nutzen aus aktuellen Studien gegenüber. Sie schreiben, letztlich sei die Evidenz Grundlage für ärztliche Verordnungen bei HFpEF.

„Die Absicht des Autorenteams war, klarzustellen, dass es bislang keine FDA-Zulassungen für eine Behandlung der Herzinsuffizienz mit Inkretin-Mimetika gibt“, betont Dr. Michelle M. Kittleson vom Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles. Sie rät, Patienten vor einer Verordnung sorgfältig auszuwählen und zu prüfen, ob sie die Einschlusskriterien jener Studien erfüllten, in denen ein Nutzen gezeigt worden sei. 

Ein Blick auf Wirkmechanismen

Semaglutid hat ausschließlich den GLP-1-Rezeptor zum Ziel, während Tirzepatid zusätzlich als Agonist des glucoseabhängigen insulinotropen Peptids (GIP) wirkt. Beide Substanzen ahmen körpereigene Inkretinhormone nach, die unter anderem das Sättigungsgefühl steigern: ein zentraler Mechanismus zur Verringerung des Körpergewichts. Aufgrund ihrer Wirkweise und ihres im Vergleich zu älteren Pharmaka deutlich geringeren Nebenwirkungsrisikos gelten beide als Vertreter einer 3. Generation moderner Adipositas-Medikamente.

ACC-Experten schreiben, aktuelle Daten würden auch Hinweise auf einen kardiovaskulären Gesamtnutzen liefern, insbesondere bei Patienten mit HFpEF. Zudem ist die Pipeline gut gefüllt: Mehr als 1 Dutzend ähnlicher Wirkstoffe befindet sich laut ACC derzeit in unterschiedlichen Entwicklungsphasen.

Die Indikation nicht voreilig erweitern

Trotz vielversprechender Studiendaten mahnt das Autorenteam des ACC-Statements zur Zurückhaltung. Zwar zeigte die SUMMIT-Studie eine Verringerung harter Endpunkte, etwa kardiovaskulärer Todesfälle. Doch sei die bisherige Datenbasis noch zu gering, um daraus belastbare Schlussfolgerungen zu ziehen. Kittleson warnt in diesem Zusammenhang vor einer zu raschen Ausweitung der Indikationen auf Krankheitsbilder, für die ein Nutzen (noch) nicht ausreichend belegt ist.

Doch die SELECT-Studie führt zu Optimmismus beim ACC-Autorenteam. In dieser Untersuchung mit mehr als 17.000 übergewichtigen Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen, aber ohne Diabetes, verringerte Semaglutid das Risiko von Ereignissen des primäen Endpunkts um 20% gegenüber Placebo (p 

Lebensstil-Änderungen allein reichen oft nicht aus

Die ACC-Autoren bewerten auch Lebensstil-Interventionen neu. „Patienten sollten nicht – wie bisher – gezwungen werden, zunächst an Veränderungen ihres Lebensstils zu scheitern, bevor sie eine Pharmakotherapie beginnen dürfen“, betont Dr. Olivia Gilbert vom Atrium Wake Forest Baptist Medical Center in North Carolina. Sie war nicht an der Erstellung des aktuellen Statements beteiligt, hat jedoch an ACC-Leitlinien mitgearbeitet. 

Gilbert verweist auf die überlegene Wirksamkeit der Inkretin-basierten Therapien im Vergleich zu rein verhaltensbasierten Maßnahmen sowie auf deren günstigeres Sicherheitsprofil gegenüber bariatrischen OPs. Ihr Fazit: „Lebensstil-Interventionen sollten immer in Kombination mit Adipositas-Medikamenten angeboten werden.“

Der Beitrag ist im Original erschienen auf  Medscape.com .