Die Conradi-Hochhäuser – ohne Rollläden, die aber in Mieterhöhungsschreiben der Vonovia aufgeführt wurden. Foto: Jürgen Brand
Mieter beklagen Erhöhungen, die aus Sicht der Verwaltung „nicht korrekt“ sind. Das Linksbündnis wirft der Rathausspitze „soziale Verantwortungslosigkeit“ vor.
Die Kritik am restriktiven Vorgehen des Wohnungsbaukonzerns Vonovia gegen seine Mieterschaft erzeugt in Stuttgart bei Betroffenen und deren Unterstützern zunehmend Frust, der sich nun auch gegen die Rathausspitze richtet. Im Streit um umstrittene Mieterhöhungen durch das Bochumer Unternehmen, das rund 3500 Wohnungen in Stuttgart besitzt, wirft die Fraktionsgemeinschaft Die Linke-SÖS-Plus der Stadtverwaltung Untätigkeit vor. Sie werde um Hilfe gebeten, referiere dann aber nur auf Anfrage „nur die Rechtslage“ und begreife offenbar die Auswirkungen der von Vonovia ausgesprochenen Klageandrohungen gegen ihre Mieter nicht. „Das hat eine stadtgesellschaftliche Bedeutung, die OB Frank Nopper (CDU) „offenkundig überhaupt nicht klar ist“, so Stadträtin Johanna Tiarks (Die Linke). Wenn die Stadt es schon nicht hinbekomme, die Vonovia-Wohnungen zu kaufen, müsse sie mindestens dafür sorgen, dass die betroffenen Mieter sich gegen rechtswidrige Erhöhungen wehren können“, so Fraktionssprecher Hannes Rockenbauch (SÖS). Es fehle der Rathausspitze „an sozialer Verantwortung und Empathie.“
Stadt bietet keine Beratung an
Tatsächlich verweist das Amt für Stadtplanung und Wohnen in einem Schreiben an einen um Hilfe bittenden Mieter, man könne keine Rechtsberatung leisten, sondern sich „nur zu Anwendungsfragen zum Mietspiegel“ äußern. Die Behörde verweist stattdessen auf den Mieterverein. Dessen Geschäftsführer Ralf Brodda warnt seit langem „vor systematisch überzogenen Mieterhöhungen durch Vonovia“. Aktuell ignoriere der Konzern „bewusst den geltenden Mietspiegel“ und verlange zu Unrecht Erhöhungen.
Er nennt konkret zwei Fälle im Stuttgarter Osten und in Cannstatt, wo „gezielt versucht wird, den Mietspiegel zu unterlaufen und Mieter mit unzulässigen Forderungen unter Druck zu setzen“. In zahlreichen Mieterhöhungsverlangen berufe sich Vonovia auf „fadenscheinige Zuschläge für allgemein übliche Ausstattungsmerkmale wie manuelle Rollläden, einen Glasfaseranschluss oder einen Freisitz“ (Balkon).
Nicht jedes Merkmal zählt
Der Stuttgarter Mietspiegel ist eindeutig: Nur solche Ausstattungsmerkmale beeinflussen die Miethöhe positiv, für die bei der Erhebung auch ein signifikanter Effekt erzielt wurde. Aktuell ist das eine Fußbodenheizung, ein an der Wand hängendes WC, eine Videogegensprechanlage, Parkettboden oder bodentiefe Fenster.
Die Stadt wurde gegenüber dem anfragenden Mieter deutlich: Das Unternehmen „wendet aus unserer Sicht die Mietpreisspanne nicht korrekt an.“ Mit dieser Spanne werde den Besonderheiten einer Wohnung Rechnung getragen. Ein Abweichen nach oben oder unten von der durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete ist nur in ganz bestimmten Ausnahmefällen gerechtfertigt – etwa eine deutliche Abweichung von der durchschnittlichen Qualität der Wohnung.
Ausnahme wird zur Regel
Vonovia macht nach Ansicht der Stadt und des Mietervereins allerdings die Ausnahme zur Regel und versucht die obere Grenze der Spanne zu erreichen, indem sie Merkmale aufzählt, die gar keinen Zuschlag rechtfertigen. Nach der Rechtsauffassung der Stadt ist das „nicht korrekt“. Konkret bezieht sie sich auf zusätzliche Nebenräume im Dachboden und im Keller.
Der Streit dürfte bald die Zivilgerichte beschäftigen, droht doch Vonovia widerspenstigen Mietern mit Klagen. Der Mieterverein ruft Betroffene auf, sich nicht einschüchtern zu lassen und will seine Mitglieder im Prozessfall unterstützen. Wer den Mietspiegel bewusst falsch auslege, handele nicht nur rechtswidrig, „sondern gefährdet auch den sozialen Frieden auf dem Wohnungsmarkt,“ sagt Ralf Brodda.
Vonovia lenkt manchmal ein
Vonovia vertritt eine andere Rechtsauffassung als die Stadt. Zwar zeigt sie sich nach Widersprüchen bereit, Mieterhöhungen zurückzunehmen, etwa wenn Zuschläge für Rollläden erhoben wurden, die es gar nicht gibt. Grundsätzlich hält sie aber gewisse Ausstattungsmerkmale für geeignet, die Miete zu erhöhen. So weist der Kundenservice darauf hin, die Ausstattung mit manuellen Rollläden und einem großen Freisitz gehe über eine Standardwohnung hinaus.
Ein Zuschlag sei deshalb „nach aktuellem Mietspiegel zulässig“. Rollläden, so die Begründung, „schützen Gardinen, Vorhänge und Möbel, die durch direkte Sonneneinstrahlung ausbleichen können“. Sie erhöhten den Komfort im Sommer und „insbesondere in der Nacht, denn es wird ein Schlafen im dunklen Zimmer ermöglicht“. Außerdem schützten Rollläden vor Einbrechern.