Seit zehn Jahren gehören sie zum Stadtbild und auch in vielen Umlandkommunen prägen sie das Ortsbild: die weit mehr als 4000 Mieträder der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) mit dem markant blauen Anstrich. Ende September aber endet die Ära des MVG-Bikesharing-Systems; in den kommenden Wochen wird die MVG die Ständermodule an den Rad-Stationen sukzessiv abbauen. Und eigentlich hätte von Oktober an ein neuer Anbieter das MVG-Rad ablösen sollen. Doch derzeit scheint es vollkommen unklar zu sein, welcher Radverleiher künftig in München und dem Umland seine Fahrräder anbieten wird – und vor allem ab wann.
Bereits vor zwei Jahren hat der Münchner Stadtrat beschlossen, das MVG-Mietrad in diesem Herbst durch ein neues System zu ersetzen. Die Verkehrsgesellschaft, der Münchner Tarif- und Verkehrsverbund (MVV) sowie das Mobilitätsreferat waren bereits 2022 beauftragt worden, ein Konzept für eine Anschlusslösung zu erarbeiten, das auch in den MVV-Verbundlandkreisen angeboten werden soll. Geplant war ein „nahtloser Übergang“ zu einem System mit neuem Namen. Dieser aber wurde nun vorerst vom Bayerischen Oberlandesgericht gestoppt. Und es steht die Frage im Raum, wie das Projekt nur wenige Monate vor der Umstellung scheitern konnte.
Aus dem Mobilitätsreferat heißt es dazu auf SZ-Nachfrage, der Wechsel der Anbieter könne „aufgrund eines Nachprüfungsverfahrens und einer anschließenden Beschwerde eines unterlegenen Bieters beim Bayerischen Oberlandesgericht (BayObLG) nicht realisiert werden“. Soll heißen: Es wurde in der Ausschreibung durch den MVV ein neuer Betreiber gefunden, ein nicht favorisierter Kontrahent aber hat gegen diese Auswahl Widerspruch eingelegt. Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, teilt das Mobilitätsreferat mit, könne es allerdings nicht öffentlich machen, um welche Bikesharing-Anbieter es sich handelt.
Auf Nachfragen, wie das Oberlandesgericht seine Entscheidung begründet und ob es sich um eine fehlerhafte Ausschreibung gehandelt hat, teilt das Referat mit: „Es gibt noch keine Entscheidung, das Verfahren läuft noch.“
Freilich werden die Münchnerinnen und Münchner von 1. Oktober an nicht komplett auf Leihräder verzichten müssen, auch wenn die silberblauen MVG-Räder aus dem Stadtbild verschwinden. Es gebe, so das Mobilitätsreferat mit Verweis auf die private Konkurrenz, „verschiedenste geteilte Fahrzeuge, auch Fahrräder“ – darunter etwa von Anbietern wie Lime oder Nextbike.
Geht es nach Münchens ehemaligem Wirtschaftsreferenten und jetzigem Oberbürgermeister-Kandidaten Clemens Baumgärtner (CSU), sollte es auch bei diesen rein privatwirtschaftlichen Anbietern in München bleiben. „Das Rad ist wichtig und richtig. Aber private Anbieter können so ein System mindestens so gut anbieten wie die öffentliche Hand“, sagt er. Angesichts der „katastrophalen Haushaltslage der Stadt“ sei es sehr viel sinnvoller, das Geld in eine bessere Taktung der Busse und die Akquise von Fahrern zu stecken. „Stattdessen wird Steuergeld in ein System gesteckt, das vom freien Wettbewerb längst vorgehalten wird“, so Baumgärtner. Was bei der Ausschreibung schiefgelaufen sein könnte, will er indes nicht bewerten: „Bei solchen Prozessen besteht immer die Gefahr, dass etwas nicht klappt.“
Auch Münchens Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) sagt, es sei ärgerlich, dass das Vergabeverfahren durch die Klage verzögert werde. Aber die Gefahr bestehe immer bei öffentlichen Ausschreibungen. Auch deshalb müssten sich Bund, Freistaat und die europäische Ebene intensiver damit beschäftigen, wie bürokratische Vorgaben für Kommunen vereinfacht werden könnten. „Denn je komplizierter die Vergaberichtlinien, desto höher das Klagerisiko“, so Krause.
Seinem Kontrahenten bei der OB-Wahl im kommenden Jahr widerspricht er aber vehement bei der Frage nach der Sinnhaftigkeit eines öffentlich geförderten Leihrad-Systems: „Die Leihräder sind ein wichtiger Baustein des Mobilitätsangebots in München. Dieser Entwicklung hat der Stadtrat mit seiner Entscheidung für ein neues Leihrad-System 2023 Rechnung getragen.“ Und das neue System werde „wesentlich attraktiver werden als bisherige“, es solle Stadt und Landkreise enger miteinander vernetzen und auch 2000 Elektroräder im Angebot haben. Nur wann kann es tatsächlich eingeführt werden? Es würden derzeit alle möglichen Vorbereitungen getroffen, teilt das Mobilitätsreferat mit, letztlich müsse aber die Entscheidung des Bayerischen Oberlandesgerichts abgewartet werden.