Sichere Zufluchtsorte nahe der Front in der Ukraine sind rar gesät. Besonders schwierig wird es, wenn sich Menschen aus unsicheren Verhältnissen in vermeintliche Sicherheit bringen und sich die Lage dann auch dort dramatisch verschlechtert. So wie im Frauenhaus nahe der ukrainischen Grenzstadt Sumy, das die „New York Times“ besucht hat (Quelle hier). Dort kommen Frauen unter, die von ihren Männern zu Hause misshandelt wurden oder Mütter, die sich in einer finanziell ausweglosen Situation befinden.

Bis Januar lag Sumy, im äußersten Nordosten der Ukraine, noch fernab der Frontlinie. Dann überquerten russische Soldaten erstmals dauerhaft die Grenze auch dort, um die ukrainische Armee aus der benachbarten russischen Region Kursk zu drängen. Nun ist die russische Armee in Sumy allgegenwärtig. Fast täglich gibt es Explosionen, die das Frauenhaus erschüttern.

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Jede Region in der Ukraine muss eigentlich ein staatlich-finanziertes Frauenhaus haben. Allerdings habe die Unterstützung seit Beginn des Krieges nachgelassen, sagt die Direktorin der der „New York Times“. Auf der anderen Seite habe die Nachfrage zugenommen, speziell in diesem Jahr. Das Problem sei, berichtet sie: In dem Frauenhaus in Sumy fänden theoretisch nur sechs Frauen mit ihren Kindern Platz – viele Zimmer seien deshalb doppelt belegt.

„Mein erster Eindruck war, dass ich Frieden gefunden habe und mir niemand mehr wehtun kann“, sagt eine Bewohnerin des Frauenhauses zur „New York Times“. Doch nur eine Woche, nachdem sie ins Frauenhaus eingezogen war, beschoss Russland Sumy mit zwei Raketen. 34 Menschen starben nach offiziellen ukrainischen Angaben. Darunter auch Freunde der Bewohnerin, die im Bus auf dem Weg in die Kirche gesessen hätten, wie sie berichtet.

„Abends beginnen die Attacken, dann hört man Schüsse und, wie Raketen über uns abgefangen werden“, erzählt die Direktorin des Frauenhauses. „Ich denke, vielleicht sollte ich abhauen. Dann frage ich mich: Wo sollte ich hingehen?“, sagt sie. „Die Vorstellung, zu bleiben, ist beängstigend – und zugleich ist es schwierig, zu gehen.“

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Die russische Armee hat die Ukraine am Freitag erneut mit schweren Attacken überzogen. In Kiew gibt es viele Tote. US-Präsident Donald Trump nennt die Angriffe „widerwärtig“, kündigt Konsequenzen an – und will seinen Sondergesandten nach Moskau schicken. Mehr dazu hier.
  • Während Russland die Ukraine weiter bombardiert, nennt Präsident Wladimir Putin einen „dauerhaften und stabilen Frieden“ im angegriffenen Land als sein Ziel. Zugleich sagte Putin am Freitag vor Journalisten in Moskau, dass sich die von Russland gestellten Bedingungen für eine Friedenslösung nicht geändert hätten – und gab der Ukraine die Schuld an den stockenden Gesprächen.
  • Die Bundeswehr liefert der Ukraine kurzfristig zwei weitere Patriot-Raketenabwehrsysteme. In einem ersten Schritt werden in den kommenden Tagen Startgeräte geschickt, teilte das Verteidigungsministerium am Freitag mit. In einem zweiten Schritt würden innerhalb der nächsten zwei bis drei Monate weitere Systemanteile übergeben. Mehr dazu im Newsblog.
  • Russland hat im Juli so viele Drohnenangriffe auf die Ukraine wie nie zuvor in seinem über dreijährigen Angriffskrieg verübt. Die russische Armee griff die Ukraine im vergangenen Monat mit 6297 Langstreckendrohnen an, wie eine auf Angaben der ukrainischen Luftwaffe basierende Analyse der Nachrichtenagentur AFP vom Freitag zeigt.
  • In der Region Siversk soll ein eingekesselter ukrainischer Soldat auf ungewöhnlichem Weg befreit worden sein. Wie sein Bataillon in einem auf YouTube veröffentlichten Video zeigt, ist der Soldat von seiner Einheit via Drohne mit einem E-Bike beliefert worden, auf dem ihm schließlich die Flucht aus dem unwegsamen Gelände gelang. Mehr dazu hier.
  • Die Ukraine hat die bislang größten Bauarbeiten an der Front gestartet – es geht um den Bau von drei Verteidigungslinien im Osten des Landes. Dies berichtet das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf Quellen in der ukrainischen Armee. Die erste Linie wird demnach von Infanteristen direkt an der Front gegraben.
  • Die Ukraine hat die Serienproduktion von Drohnen-Abfangjägern zur Abwehr russischer Angriffe gestartet. Dies berichtet der Fernsehsender Freedom. Die neuen Drohnen sind mit künstlicher Intelligenz ausgestattet und dienen der Erkennung und Zerstörung von Luftzielen in geringer Höhe. Insbesondere zur Zerstörung russischer Drohnen vom Typ „Shahed“.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert von seinen westlichen Partnern ein strikteres Vorgehen gegen den Verkauf verbotener Elektronikbauteile an Russland. Selenskyj berichtete, er habe in Kiew mit den Botschaftern der EU-Staaten gesprochen. Ihnen seien Teile gefundener russischer Kampfdrohnen und Raketen gezeigt worden.
  • Die Gruppe Turla, auch bekannt als Secret Blizzard und mit Verbindungen zum russischen Geheimdienst FSB, führt Spionage-Cyberangriffe auf ausländische Botschaften und diplomatische Einrichtungen in Moskau durch. Dies geht aus einem neuen Bericht des Bedrohungserkennungsdienstes Microsoft Threat Intelligence hervor, der am 31. Juli veröffentlicht wurde.

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