„Bruder Dirk, erleben Sie das auch so?“ Redakteurin Katharina Rüth leitet den WZ-Podcast „Wie ich’s gern hätte“ mit einer Frage über das gesellschaftliche Klima, globale Krisen und damit zusammenhängenden Stress bei den Menschen ein.

Bruder Dirk – Mönch im Kloster Beyenburg, Seelsorger, Trauerredner, Krankenpfleger und Prediger – sieht sehr wohl, dass sich Menschen immer mehr zurückziehen und das Allgemeinwohl aus den Augen verlieren. „Natürlich haben auch viele Leute Sorgen und Ängste durch die Krisen in der Welt, das ist ganz klar. Aber es ist ja wichtig, erst einmal in seinem kleinen Umfeld Sicherheit, Geborgenheit und Frieden zu finden.“

„Solidarität ebbt
nach einiger Zeit ab“

Den Stichpunkt „kleines Umfeld“ nimmt Rüth als Überleitung, um auf Beyenburg zu sprechen zu kommen. Was läuft dort gut, was läuft nicht so gut? „Beyenburg ist dörflich geprägt“, so Bruder Dirk. „Man kennt sich, man hilft sich und in Zeiten der Not, wie wir es bei der Flut hatten, war die Solidarität sehr stark.“ Diese Solidarität und das gegenseitige Helfen ebbe nach einiger Zeit aber auch wieder ab.

Rüth möchte von Bruder Dirk wissen, ob das Gemeinschaftsgefühl in Beyenburg auch auf die Stadt übertragbar ist. „Ich glaube, wenn jeder etwas Eigenverantwortung zeigt, sei es in einem Hochhaus, sei es hier im Dorf, dann könnte man doch das ein oder andere verbessern“, findet er. „Nicht viele schreien direkt nach dem Staat, oder das ist die Aufgabe der Stadt, aber vieles kann man auch selbst machen. Und wenn es das Unkrautwegmachen ist vor der eigenen Haustür, auch wenn es nur für zwei Meter ist.“ Wie konkret man die Menschen dazu bewegt? Da zeigt sich selbst Bruder Dirk überfragt.

Früher habe es noch „fitte Rentner“ gegeben, die die Kirchtreppen sauber hielten oder die Bäume schnitten. „Das ist gänzlich verloren.“ Generell sei das Leben in Beyenburg geprägt von Vereinen, dort bestehe allerdings ein lange bekanntes Nachwuchsproblem – es finde sich kaum jemand mehr, der Verantwortung übernehmen kann oder möchte.

Bruder Dirk wünscht sich
mehr Volksnähe von Politikern

Thema Eigenverantwortung und einen Beitrag leisten: Rüth leitet auf die Kommunalwahl über. „Da stellen sich wieder Menschen zur Wahl, um im Stadtrat mitzumachen. Und wir brauchen auch einen neuen Oberbürgermeister. Was glauben Sie, was kann die Politik erreichen? Oder andersherum gefragt, wie wünschen Sie sich Politiker, damit es besser wird?“

Bruder Dirk sieht Volksnähe als wichtige Eigenschaft und, den Menschen das Gefühl zu vermitteln, „Teil eines Ganzen“ zu sein. Eine Maßnahme wären etwa Bürgerinitiativen. Konkret für Beyenburg hofft er auf eine engere Zusammenarbeit zwischen Wuppertal, Ennepetal und Schwelm.

„Wir sind Naherholungsgebiet von Wuppertal. Aber auf Schwelmer und Ennepetaler Seite sind die Bänke kaputt, die Wege sind nicht mehr gesichert, manche sind sehr gefährlich geworden. Der Aufstieg zum Bilstein ist fast nicht mehr möglich, den wollten sie von Ennepetaler Seite schon sperren.“ Auch mehr öffentliche Toiletten und Gastronomie, Bruder Dirk schlägt beispielsweise Steuervorteile für sie vor, wünscht er sich in Beyenburg. Die einzigen öffentlichen Toiletten gibt es dort am Kloster. Um eine zukünftige Bebauung durch eine der drei Städte zu verhindern, solle die Wupperschleife möglichst bald als Naturdenkmal festgesetzt werden.

Jakobsweg durch Beyenburg besser bewerben

Rüth und Bruder Dirk kommen auf die Bundesgartenschau zu sprechen. Der Mönch hofft, dass das Projekt auf die ganze Stadt verteilt wird, ansonsten sei das Projekt einfach nur „weit weg“. Er bemängelt auch, dass die Stadt es nicht schaffe, die Dinge hervorzuheben, die Wuppertal besonders machen. Durch Beyenburg führt etwa der Jakobsweg – „daraus könnte man mehr machen, aber es passiert einfach nichts“. Obwohl immer mehr Pilger unterwegs sind, die in Beyenburg vorbeischauen, „auch wenn das eher so etwas wie Teilzeit-Pilger sind“.

„Aber die Menschen sind sehr unterschiedlich“, sagt er. „Jeder hat seinen eigenen Grund zu pilgern, gerade bei jungen Leuten. Es können Beziehungsprobleme sein, Leute, die zu sich selbst finden wollen, Depressionen, Burnout, die Suche, wieder ins Leben zu finden und, und, und.“

Passend für Pilger will Bruder Dirk auch gern mehr Ruhebänke haben, generell für Wuppertal mehr Wanderparkplätze – in Beyenburg sei die Autosituation „katastrophal“. „Am Wochenende drängt sich hier Auto an Auto.“ Wenn es nach ihm ginge, sollte Alt-Beyenburg gänzlich autofrei bleiben.

In der Stadt ist Bruder Dirk nur sehr selten unterwegs, sagt er – und wenn, dann vor allem auf Friedhöfen. Ist er aber mal dort, beobachte er Straßenzüge, die komplett vernachlässigt werden. Was Bruder Dirk noch auffällt: „In Beyenburg haben wir keine Armen in dem Sinne, sodass alle genug Geld haben, um wegfahren zu können“, wenn Urlaub oder Feiertage anstehen. Das merke er im Gottesdienst, wenn noch weniger Leute da sind.

Beim Thema Kirche findet Bruder Dirk, dass diese sich nur politisch einmischen sollte, wenn christliche Grundsätze in Gefahr sind. „Dann finde ich das richtig, aber generell muss sie sich heraushalten. Ich habe auch lernen müssen, aus der eigenen Erfahrung, Kirche, Institution und Glaube ein wenig zu trennen.“

Kirche wird weiterhin
in vielen Belangen benötigt

Immer mehr Menschen kehren der Kirche den Rücken, beobachtet Bruder Dirk, was er teils kritisch sieht. „Auch wenn viele über die Kirche schimpfen: Sie sollten mal bedenken, wo sie ihre Kinder hinschicken: in den katholischen Kindergarten. Wenn sie krank sind, gehen sie in katholische Krankenhäuser. Ohne die Institution Kirche wäre das nicht möglich“, sagt Bruder Dirk.

Er kritisiert: „Man kann nicht aus der Kirche austreten und dann doch die Kinder dahinschicken oder auch ins Krankenhaus. Das ist ein Widerspruch. Einen Rückzug der Kirche aus diesen Gesellschaftsbereichen schließt er aber strikt aus. „Das karitative Tun ist eine der wichtigsten Säulen der Kirche. Und die kann man nicht wegbrechen.“

Zum Abschluss des Gesprächs sagt Bruder Dirk mit nachdenklicher und doch überzeugter Geradlinigkeit klar: „Natürlich darf sich die Kirche nicht zu sehr dem gesellschaftlichen Geist anpassen, was Verwaltung und Finanzen angeht, weil ansonsten der Kern und moralische Werte verloren gehen könnten.“