Hinter dem Eichenschrank mit Priestergewändern führt eine steile Stiege hinauf. An der Bronze-Turmglocke vorbei klettert Ute Wick auf den Dachboden der Martins-Kirche in Freiburg-Hochdorf.

Jetzt ganz leise sein, hat sie dem Besucher eingeschärft. Denn wenn die kleinen, noch flugunfähigen Turmfalken erschrecken, könnten sie in die Tiefe stürzen. Dann aber erwidern die beiden Jungvögel neugierig und entspannt den Blick der Besucher durch das Loch in ihrem Brutkasten.

„Für mich sind alle Geschöpfe rund um den Lebensraum Kirchturm Zeichen für die Gegenwart Gottes“, sagt die Gemeindereferentin.

Vielleicht engagiert sich die Theologin auch deshalb so stark für verschiedene Artenschutzprojekte. Im Dachspitz der Martins-Kirche hängen Mausohr-Fledermäuse. An Sandsteinsimsen hat die Mauerbiene ihre Eier abgelegt. Über der Kirche kreisen Mauersegler.

Strategie für Biodiversität geplant

Dass Kirchengebäude mit ihren luftigen, unbeheizten Gemäuern Lebensräume für selten gewordene Tiere sein können, ist nichts Neues. Neu ist, dass das Erzbistum Freiburg diese besonderen Biotope systematisch in den Blick nimmt und an einer Biodiversitätsstrategie arbeitet. „Wir haben in einem Kirchenbezirk begonnen, um alle Tiere zu erfassen, die in den 160 kirchlichen Gebäuden leben“, berichtet der Leiter der diözesanen Umweltabteilung, Reinhold John.

Eine Biologin hat mit der Kartierung begonnen und ist dazu tags wie nachts unterwegs. Das Ziel der kirchlichen Umweltbeauftragten ist, mittelfristig möglichst viele oder sogar alle Kirchengebäude in dem großen südwestdeutschen Bistum zu erfassen. Damit dürfte die Diözese bundesweit Vorreiterin sein.

Während der Denkmalschutz bei Sanierungen, energetischen Ertüchtigungen oder Umbauten von historischen Gebäuden fest verankert ist, rückt der Artenschutz erst langsam stärker ins Bewusstsein. Im Erzbistum Freiburg soll künftig bei jeder Gebäudesanierung oder auch bei Installation von Photovoltaik auf Gebäudedächern der Artenschutz mitgedacht werden.

Pfarreien nicht überfordern

In den Kirchengemeinden machen sich die Planer damit nicht immer besonders beliebt. Viele Pfarreien fürchten sich vor Verzögerungen und höheren Kosten. „Meine Erfahrung ist aber, dass man durch gute, frühzeitige Information und Planung viele Bedenken ausräumen kann“, sagt John. Ihm sei auch klar, dass die derzeit laufenden kirchlichen Strukturreformen hin zu neuen Großpfarreien den Engagierten vor Ort viel abverlangen. „Die haben im Moment erstmal andere Sorgen als die Zauneidechse, die rund um die Pfarrgartenmauer lebt.“

Gemeindereferentin Wick erzählt, dass ihre Bitte, bei einer anstehenden Turmsanierung auf dort nistende Turmfalken Rücksicht zu nehmen, für Konflikte sorgte. Gleichzeitig erlebt Wick eine große Identifikation mit der eigenen Kirche, wenn bekannt ist, welche Tiere dort leben. Mehrere Storchennester auf Kirchendächern haben sie und ihre Mitstreiter inzwischen mit einer Webcam ausgestattet.

Ein Fördertopf namens „Hundertfüßer“

Zur Strategie des Bistums gehört, möglichst viele kirchlich Engagierte für Umweltfragen zu sensibilisieren. Über den Fördertopf „Hundertfüßer“ stehen für kleine Umweltprojekte vor Ort niederschwellig zu beantragende Zuschüsse bereit, insgesamt 500.000 Euro pro Jahr. Seit Ende 2024 gibt es eine neue Arbeitsgemeinschaft Artenschutz im Erzbistum.

Zugleich suchen die kirchlichen Umweltbeauftragten den bundesweiten Austausch mit anderen Bistümern und Landeskirchen. Beim Bundesamt für Naturschutz haben die Bistümer Freiburg, Köln und die evangelische Nordkirche ein gemeinsames Forschungsprojekt beantragt, um Leitlinien für Artenschutz bei der Sanierung von Baudenkmälern zu entwickeln.

Gemeinsam mit der Naturschutzstiftung Baden-Württemberg läuft bereits eine Untersuchung, wie sich der Bau von Photovoltaik-Anlagen auf den Lebensraum Kirche auswirkt. Denn die Solarmodule absorbieren die Sonnenenergie. So kann es in den Dachböden darunter einige Grad kühler werden. Im Frühjahr könnte das es in den Fledermauskinderstuben zu einem Problem werden, so John: „weil es zu kalt wird“.

Erzbistum Freiburg

Das Erzbistum Freiburg gehört mit etwa 1,55 Millionen Katholikinnen und Katholiken zu den größeren der 27 katholischen Bistümer in Deutschland. Es entstand 1827 als Folge der politischen Umbrüche nach der Französischen Revolution. Zu wesentlichen Teilen ging die Diözese aus dem im sechsten Jahrhundert gegründeten, aber im 19. Jahrhundert aufgelösten Bistum Konstanz hervor.