Auf der Haupttribüne rappt Ziggy Bonaire vor sich hin, im Container legt der DJ Rihanna und Bob Marley auf und auf dem ehemaligen Frachtkahn lassen sich die Gäste ebenfalls von Hip-Hop-Musik berieseln. Zwischendrin gibt es alles, was Magen und Leber begehren. Und überall, wo man hinsieht: ausgelassene Stimmung. Selbst das Wetter macht am Freitagabend mit, wo es doch den ganzen Tag über immer wieder wie aus Eimern geschüttet hat.
Ein Jahr nach dem Ende der Hip-Hop-Open hat Stuttgart wieder ein Festival, um seinem Ruf als Mutterstadt des Hip-Hop zumindest ansatzweise gerecht zu werden. Das Golden Era Festival, veranstaltet von der Schräglage, soll an die guten alten Zeiten erinnern, als der Hip-Hop im Südwesten quasi seine Geburtsstunde hatte. Dass dafür mit Fridas Pier ein Standort gewählt wurde, der eigentlich eher für Elektromusik bekannt ist, ist Teil des Konzepts.
Das Golden Era Festival ist nur fast ausverkauft
„Es war schon immer unser Wunsch, diese Location mit unserer Hip-Hop-DNA zu bespielen“, sagt Heiko Fuhrer, Geschäftsführer bei der Schräglage. Schon vor mehr als einem Jahr sei die Idee für das Golden Era Festival entstanden. In die Fußstapfen der Hip-Hop-Open wolle man aber gar nicht treten, erklärt Christopher Warstat, Verantwortlicher für Programm und Marketing. „Wir wollten einfach ein kleines Highlight im Sommer setzen“, sagt er.
Obwohl das Wetter hält, dürfte die schlechte Vorhersage den einen oder anderen davon abgehalten haben, noch zu kommen. Denn an der Abendkasse hätte es noch einige Tickets gegeben, das Festival ist nur „beinahe ausverkauft“, wie der Geschäftsführer von Fridas Pier, Benjamin Kieninger, erklärt. „Es ist kein Selbstläufer. Seit Corona ist es schwierig geworden, die Leute dazu zu bewegen, auf Festivals zu gehen.“
Ersin Fidan, Christopher Warstat und Heiko Fuhrer von der Schräglage und Benjamin Kieninger von Fridas Pier (von links nach rechts) haben zusammen ein neues Hip-Hop-Festival auf die Beine gestellt. Foto: Lichtgut/Julian Rettig
Dazu kommen die teils exorbitant gestiegenen Gagen der Künstler. „Die kleineren Gagen sind fast komplett verschwunden und die größeren sind noch teurer geworden“, sagt Kieninger. Dennoch haben es die Veranstalter geschafft, die Eintrittspreise bei 30 Euro plus Vorverkaufsgebühren zu deckeln. Im Vordergrund sollte nicht irgendein Headliner stehen, sondern das gemütliche Beisammensein bei guter Musik.
Samy Deluxe tritt nur offiziell als Überraschungsgast auf
Wobei der Headliner durchaus einen großen Namen hat: Samy Deluxe zählt zu den erfolgreichsten Hip-Hop-Künstlern Deutschlands. Sein Auftritt war bis zuletzt streng geheim gehalten worden. Nun ja, ganz so streng war es dann doch nicht, denn wer der „Verry Verry Special Guest“ wird, hatte sich schon vorher längst herumgesprochen.
Auch Schenni Honnef (46) aus Esslingen wusste schon lange zuvor Bescheid. „Ich bin eigentlich wegen Megaloh und Samy Deluxe da“, erzählt sie. Und das, obwohl sie die beiden schon ein paar Mal live gesehen hat. Zweimal ist sie als bekennender Hip-Hop-Fan auf den Hip-Hop-Open gewesen. Allerdings noch vor dem „großen Abschied“ 2015. Bei der Neuauflage 2023 waren ihr die Eintrittspreise zu teuer. Das Konzept des Golden Era Festivals findet Honnef da schon besser: „Du hast coole Leute um dich herum, es läuft coole Musik. Was willst du mehr?“
Kathrin Seefeldt (30) und Corina Dietrich (39) sind ebenfalls zufrieden mit dem Festival. Eine „entspannte Atmosphäre“ herrsche hier, sagt Seefeldt. Musikalisch sind beide breit aufgestellt, vom Line-Up ist ihnen trotzdem nicht viel bekannt. Das ist aber an diesem Abend auch eher zweitrangig. Überhaupt finden es die beiden gut, dass mal wieder ein Festival in diesem Bereich stattfindet. „Es gibt mittlerweile sehr wenig R’n’B-Veranstaltungen in Stuttgart“, meint Dietrich.
Kai Binder (41) aus Stuttgart ist nicht wegen der Musik gekommen, sondern weil seine Tochter Geburtstag hat und sie hier feiern will. Er selbst hört normalerweise eher Techno. Wobei: Einmal war Binder auf den Hip-Hop-Open. Und ganz so schlecht finden er und seine Tochter das Line-Up beim Golden Era Festival auch nicht: „Deswegen sind wir hergekommen.“
Tobias Sattler (links) und Jonas Rapp sind froh, dass es wieder eine Möglichkeit gibt, beim Feiern Hip-Hop zu hören. Foto: Lichtgut/Julian Rettig
Richtige Hip-Hop-Fans sind Jonas Rapp und Tobias Sattler, beide 28. Rapp war vor zwei Jahren bei der letzten Auflage der Hip-Hop-Open am Start. Dass es jetzt zumindest so etwas ähnliches wieder gibt, findet er gut: „Es passiert wenigstens etwas.“ Künstler gebe es in der Region genug, aber zu wenig Möglichkeiten, wo sie auftreten könnten. „Vielleicht ist die Musik auch nicht mehr so in, wie sie es mal war.“ Den anwesenden Gästen ist das am Freitagabend aber egal. Einen lockeren Abend unter Gleichgesinnten zu verbringen, wann hat man dazu sonst schon die Gelegenheit?