Verdiente Niederlage auf Schalke

Hertha startet mit schwerer Fehlzündung statt großem Feuerwerk

Sa 02.08.25 | 10:24 Uhr | Von Marc Schwitzky

Hertha-Kapitän Fabian Reese zeigt sich nach der Niederlage gegen Schalke 04 frustriert. (Foto: IMAGO / DeFodi Images)

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Audio: rbb24 Inforadio | Guido Ringel | 02.08.2025 | Bild: IMAGO / DeFodi Images

Hertha BSC hat nach dem Ausruf großer Ziele zum Ligastart einen herben Dämpfer erhalten. Die 1:2-Niederlage bei Schalke 04 war so verdient, dass sie womöglich größere Fragen stellt als es nach einem 1. Spieltag der Fall sein sollte. Von Marc Schwitzky

„Ich würde mir natürlich ein Feuerwerk wünschen. Man klatscht nicht für einen Regenbogen, sondern eher für ein Feuerwerk“, hatte Stefan Leitl vor dem Saisonauftakt beim FC Schalke 04 gesagt. Doch, was Hertha BSC am Freitagabend in Gelsenkirchen erlebte, erinnerte eher an ein herbes Gewitter auf dem Weg in den Urlaub. Im Cabrio. Und das Dach klemmt. Die Kinder weinen. Und man fragt sich, worauf man sich eigentlich wochenlang gefreut hatte.

Die 1:2-Niederlage bei den „Königsblauen“ war absolut verdient und trübt die vorsichtige Euphorie in der Hauptstadt. Hertha will nichts anderes als den Aufstieg – doch davon war am 1. Spieltag beunruhigend wenig zu erkennen.


Hertha war vorbereitet, aber auch nicht

Nach der Begegnung fiel seitens der Hertha-Spieler und Trainer Leitl kein Satz öfter: „Wir wussten, was auf uns zukommt.“ Es sei klar gewesen, wie Gegner Schalke unter dem neuen Trainer Miron Muslic agieren würde. „Viele lange Bälle, viele zweite Bälle“, fasste es Hertha-Verteidiger Toni Leistner gegenüber „Sky“ zusammen. Hinzu kommen ein überaus aggressives, hohes Pressing, eine durchgehend harte Spielweise und ein vertikales Spiel nach vorne. Schalkes neuer Plan ist so einfach wie geradlinig.

Trotz dieser frühen Gewissheit ließ sich Hertha vom Anpfiff an überrumpeln, bekam in den ersten 20 Minuten nahezu kein Bein auf den Rasen. Heimteam Schalke war ab Minute eins die präsentere, willigere und spritzigere Mannschaft, der es bestens gelang, das eigene Stadion anzuzünden und es so in einen Hexenkessel zu verwandeln.

Und Hertha? Erstarrte. Wie das Kaninchen vor der Schlange. Die Berliner ließen sich besonders in den ersten 20 Minuten das gegnerische Spiel komplett aufdrücken, von eigenen Ansätzen konnte nicht die Rede sein. Der Hauptstadtklub konnte die Gelsenkirchener Drehzahl nicht mitgehen. Und geriet unter die Räder.


Ein Satz, der nicht mehr fallen darf

Und so stand es nach 23 Minuten bereits 2:0 für die Hausherren. Ein im Kollektiv zu naiv verteidigter Schalker Führungstreffer und ein Eckball sorgten für ein Momentum, das Hertha alles abverlangen würde, um es noch zu drehen. „Wir haben die erste Halbzeit komplett verschlafen, unsere Prinzipien nicht umgesetzt und uns das Schalker Spiel aufdrücken lassen“, kritisierte Herthas neuer Kapitän Fabian Reese den eigenen Auftritt bei „Sky“. Auch sein Trainer sprach von „verschlafenen“ 20 Anfangsminuten. Hertha habe sich „den Schneid abkaufen lassen“, resümierte Leistner.

Es sind Sätze, die man aus den letzten Jahren bestens von Hertha kennt und die eigentlich nicht mehr fallen dürfen. Denn die Blau-Weißen (oder auf Reisen eben auch Gelb-Blauen) sollten so gefestigt sein, wie seit ewigen Zeiten nicht mehr. Die Berliner konnten ihren Trainer und ihre Spielerachse aus der Vorsaison halten und mit Spielern wie Dawid Kownacki noch einmal große Qualität dazugewinnen.

Bis auf Rückkehrer Julian Eitschberger hatte jeder Spieler in Herthas Startelf bereits zig Partien in der Schalker Arena bestritten. Die Anfangsformation hatte ein Durchschnittsalter von fast 26 Jahren, also schon viel Erfahrung. „Die Kulisse sehe ich nicht als Ausrede, wir haben als Hertha BSC den Anspruch, in solchen Stadien zu spielen“, stellte Reese klar.

Wenn solch eine Mannschaft, die obendrein das klare Ziel Aufstieg hat, in solch einer Weise von einer recht einfachen gegnerischen Spielidee derart dominiert werden kann, gehen die logischen Argumente etwas aus. „Es ist in der Tat schwer zu erklären, muss ich gestehen“, zeigte sich auch Trainer Leitl durchaus ratlos.


Wo sind die eigenen Stärken?

Dass Hertha der Schalker Intensität etwas unterlegen war, ist womöglich gar nicht das größte Problem. Schließlich definieren sich die „Knappen“ unter Muslic voll und ganz über dieses Attribut. Viel alarmierender sollte sein, wie sich Hertha am Freitagabend spielerisch präsentiert hat. Denn schließlich, das betont auch Übungsleiter Leitl immer wieder, soll das Ballbesitzspiel die größte Berliner Stärke sein. Hierüber will Hertha Spielkontrolle erlangen.

Doch beim Saisonauftakt war davon besonders im ersten Durchgang nichts zu erkennen. Hertha gelang es nicht, das von Schalke bewusst hitzig inszenierte Spiel zu beruhigen, den Ball und Gegner laufen zu lassen. Stattdessen ließen sich die Hauptstädter verunsichern und zu einfachen Fehlern zwingen. „Wir haben im Übergangsspiel sehr schlampig gespielt, viele Bälle verloren und zu spät in die Tiefe gespielt“, analysierte Reese nach Abpfiff.

Trotz des äußerst vertikalen Spielansatzes der Schalker hatte Hertha in der ersten Halbzeit die leicht schwächere Passquote – genau hier hätte Hertha aber dominieren müssen. Spieler wie Michael Cuisance oder Maurice Krattenmacher kamen in nahezu keinerlei gute Situationen, die Doppelspitze aus Kownacki und Reese hing dauerhaft in der Luft. Es mangelte an Ballruhe, Kreativität und Präzision – doch genau hier müssten Herthas Stärken liegen. Kein Spiel durch die Mitte, kaum Kombinationen mit Mehrwert, wenig Bewegung abseits des Balls – so macht man es jedem Gegner leicht.


Ein symptomatischer Anschlusstreffer

Der zweite Durchgang konnte das Spiel nicht mehr retten und die Eindrücke auch nur noch bedingt abmildern. Zwar hatte Hertha nun mehr Ballbesitz und dadurch Spielkontrolle, doch lag das auch daran, dass Schalke bewusst den Fuß etwas vom Gas nahm und sich zurückfallen ließ. Große Ideen, wie der tiefere Block in „Königsblau“ zu knacken ist, hatte Hertha allerdings kaum. So war es fast schon symptomatisch, dass der 1:2-Anschlusstreffer durch Sebastian Grönning (89. Minute) genau dann fiel, als Hertha einen Angriff einmal klar und schnörkellos ausspielte. Davon gab es insgesamt viel zu wenige Szenen.

Fabian Reese (l.) gratuliert Sebastian Grönning zu dessen ersten Tor für Hertha BSC. (Foto: IMAGO / Maximilian Koch)Fabian Reese (l.) gratuliert Sebastian Grönning zu dessen ersten Tor für Hertha BSC. (Foto: IMAGO / Maximilian Koch)

Doch das Tor sollte nichts mehr am grundsätzlichen Ausgang der Partie verändern. Hertha verlor den Saisonauftakt mit 1:2 – und das vollkommen verdient. Gegen eine Mannschaft, die individuell auf den meisten Positionen schwächer besetzt ist, derzeit einen Kaderumbruch vollzieht und eine neue Spielidee einstudiert. „Jetzt haben wir ein Spiel verloren. Das ist sicherlich scheiße und nervt auch, weil die Niederlage total unnötig war“, zeigte sich Leitl am „ran“-Mikrofon frustriert.


Leistner: „Das Ganze ist ein Marathon“

Doch sein Führungsspieler Leistner merkt an: „Das Ganze ist ein Marathon. In den Marathon sind wir jetzt ein bisschen reingestolpert. Das heißt nicht, dass wir komplett raus sind.“ Das ist sicherlich richtig. Und doch warf der Auftritt am Freitagabend so viele Fragen auf, dass auf der kommenden Begegnung gegen den Karlsruher SC bereits unangenehm viel Druck auf Hertha liegt. Druck, den ein Team, das aufgrund der eigenen Qualität vollkommen zurecht als Aufstiegsfavorit gilt, aushalten und in Dominanz umwandeln muss.

So ist die Vorbereitung auf das erste Heimspiel der neuen Spielzeit vermutlich vor allem Kopfsache – wie so oft bei Hertha. Schließlich wissen sie, was auf sie zukommt.

Sendung: rbb24 UM6, 02.08.2025, 18 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky