Print Friendly, PDF & Email

Im Ukrainekrieg meldet Russland Erfolge bei der Einnahme zweier seit über einem Jahr umkämpfter Städte in der Oblast Donezk. Demnach kontrollieren russische Truppen nun Tschassiw Jar und sind auch im weiter südlich gelegenen Pokrowsk ins Stadtgebiet vorgedrungen. Insbesondere Pokrowsk gilt als strategisch wichtig, da es den Zugang zum offenen Tiefland der Oblast kontrolliert und damit potenziell den Weg zu einer mobileren Kriegführung bei der Eroberung des restlichen Donbass-Gebiets eröffnet. In beiden Städten wird jedoch auch nach russischen Berichten weiter gekämpft.

Lagebild im Osten der Ukraine am 1. August, 14:00 Uhr MESZ.Lagebild im Osten der Ukraine am 1. August, 14:00 Uhr MESZ. (Bild: Google Maps/Boes)

In Tschassiw Jar, das durch langdauernden Beschuss weitgehend zerstört ist, betrifft dies den westlichen Stadtrand. Hier wurde bereits seit Sommer vergangenen Jahres im Stadtgebiet gekämpft, nachdem Russland Anfang 2024 nach einem gescheiterten ersten Versuch eine neue Offensive gestartet hatte. Seit Juli desselben Jahres versuchten russische Kräfte auch, Pokrowsk einzunehmen, das ein wichtiger Knotenpunkt für ukrainische Nachschubwege entlang der Front war. Diese wurden bereits in den vergangenen Monaten weitgehend abgeschnitten, während Russland die Stadt nach und nach von drei Seiten einkesselte.

Stadtkämpfe dauern an

Wie auch Tschassiw Jar war Pokrowsk von der Ukraine in einen befestigten Schwerpunkt verwandelt worden. Nach jüngsten Berichten gelang es russischen Truppen nun, entlang einer Straße durch die südwestlichen Vororte bis zum eigentlichen Stadtgebiet vorzudringen. Nach bisherigen Erfahrungen aus Stadtkämpfen im Ukrainekrieg ist jedoch mit weiteren Monaten erbitterter Gefechte zu rechnen, bis eine Seite die weitgehende Kontrolle über die verbleibenden Ruinen erlangt. Ob und wie schnell dies Russland gelingt, und was dies für den weiteren Verlauf des Krieges bedeutet, bleibt abzuwarten.

Mittlerweile gehen auch die Kämpfe im Rest des Frontverlaufs unvermindert weiter. Entlang der internationalen Grenze zwischen der ukrainischen Oblast Sumy und der russischen Oblast Kursk im Nordosten hat Russland bereits vor einiger Zeit den Gegner vollständig von seinem in der Kursk-Offensive im vergangenen Jahr besetzten Gebiet verdrängt und ist bis zu zehn Kilometer auf die ukrainische Seite vorgedrungen. Jüngst begann die Ukraine allerdings hier einen Gegenangriff bei der Ortschaft Andriiwka.

Kleinere Vorstöße auf beiden Seiten

Zudem versucht sie weiter westlich seit mehreren Monaten, den in einem Ausläufer russischen Territoriums gelegenen Ort Tjiotkino in die Zange zu nehmen und hält einen Geländestreifen am rechten Ufer des Flusses Seim besetzt. Aus diesem schwer zu verteidigenden Abschnitt hatten sich russische Kräfte bereits zu Beginn der Kursk-Offensive zurückgezogen und die Brücken hinter sich gesprengt. Auch im weiteren Verlauf der Grenze hält die Ukraine nach eigenen Angaben einige kleine Gebiete auf russischer Seite, während Russland die bei seinem Vorstoß Richtung Charkiw im letzten Jahr besetzte Zone weiter auszubauen versucht.

Russland hat zudem bereits vor längerer Zeit die vollständige Eroberung der offiziell von ihm annektierten Oblast Luhansk verkündet, während nach ukrainischen Angaben noch zwei kleine Abschnitte von eigenen Kräften gehalten werden. Im Südosten drangen russische Truppen an mehreren Stellen in geringer Tiefe in die Oblast Dnipro vor, die offiziell nicht von Russland beansprucht wird. Auch im Süden entlang des Flusses Dnipro, der sich hier nach der Zerstörung der Staumauer bei Kachowka vor zwei Jahren in sein altes Bett zurückgezogen hat, versuchen russische Truppen weiter vorzurücken.

Ukraine bleibt in der Defensive

Insgesamt behält Russland wie seit dem Höhepunkt der ukrainischen Kursk-Offensive im vergangenen Herbst trotz spektakulärer Aktionen wie der Operation „Spinnennetz“ gegen mehrere seiner Bomberbasen weiterhin die strategische Initiative, da es der Ukraine personell und materiell überlegen bleibt. Nach dem Verpuffen der amerikanischen Bemühungen um ein rasches Ende des Konflikts seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump ist dieses nicht in Sicht. Mittlerweile scheint auch Trump erkannt zu haben, dass sein russischer Kollege Wladimir Putin kein Interesse daran hat, solange seine Truppen auf dem Schlachtfeld weiter vorrücken.

Seine mit Sanktionsdrohungen unterlegten Ultimaten von zunächst 50, dann zehn Tagen zur Beendigung des Krieges haben bislang keine Wirkung erzielt. Angesichts des bisherigen Verhaltens Russlands unter westlichen Sanktionen werden sie des absehbar auch nicht tun. Inzwischen beschränkt sich Trump darauf, von den europäischen Partnern bezahlte Waffen an die Ukraine zu liefern. So wird Deutschland nach jüngsten Berichten zwei weitere Flugabwehrbatterien Patriot abgeben und dafür aus US-Produktion priorisiert zeitnahen Ersatz erhalten.

Stefan Axel Boes