Das Ehepaar in Block A, Reihe 7, Platz 14 und 15, ist eigens aus Kaiserslautern angereist.  Knapp 300 Kilometer. Vor zwei Jahren waren sie auch da, als die Spider Murphy Gang ihr Debüt auf der Burg Wilhelmstein gab. Echte Fans eben. Aber keine Ausnahme. Fans dieser außergewöhnlichen Truppe sind sie alle auf der ausverkauften Burg am Freitagabend. Bereit, knapp zwei Stunden abzufeiern. Vom ersten bis zum letzten Ton. Wer da keine gute Laune hat, ist selber Schuld.

Es ist schon ein echter Spaß, diesen älteren Herren bei ihrem Treiben zuzuschauen. Man darf es erwähnen, weil Günther Sigl es selber betont: Jahrgang 1947 ist er, und damit – nach Rücksprache mit den Fans – nachweislich der Älteste an diesem Abend im weiten Halbrund.  Weil sich die meisten seiner Altersklasse nicht mehr zu Konzerten bewegen, während Sigl sich bewegt, als tauche er jeden Morgen aus einem Jungbrunnen auf.

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Rock&Roll hält offensichtlich jung. Und so feixen und rocken und blödeln sich Frontmann Sigl und seine Kumpels durchs rockige Programm. Natürlich hat man das alles schon tausendmal gehört, aber immer wieder ist es eine Gaudi. Klar müssen es die Gassenhauer sein. Die „Schickeria“, die keinen mehr auf den Sitzen hält, oder Rosi, die wohl berühmteste Prostituierte südlich des Weißwurst-Äquators. Ihr im Sperrbezirk hervorgerufener Skandal ist jetzt auch schon mehr als 40 Jahre Geschichte. Mit ihren – früher – frechen und provozierenden Texten hat sich die Spider Murphy Gang in den 1970er und 1980er Jahren zum Schrecken der damaligen gutbürgerlichen Gemütlichkeit entwickelt. Heute ist das alles bieder und brav. Da darf der Opa mit der Enkelin gemeinsam abfeiern. Ihren Schrecken hat die Gang längst verloren.

Nicht aber ihre Spielfreude und ihre so ansteckende Art, den Rock&Roll mit bayerischem Flair zu verstehen. Das geht in die Beine, das animiert zum Tanzen. Auch die beiden Kaiserslauterner, oder oben, direkt vor der Aseag-Tribüne, da schwingt ein älteres Ehepaar das Tanzbein. Konzertveranstalter Günter Meyer, der die Gang wieder zur Burg gelotst hatte, schaut zufrieden und vergnügt von der Seite aufs bunte Treiben auf Bühne und im Publikum. Es läuft…

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Man könnte das jetzt alles als reinen Ulk abtun, aber damit würde man der Spider Murphy Gang nicht gerecht. Denn es sind keine bloßen Spaßvögel, die dort über die Bühne fliegen. Es sind ausgezeichnete Musiker, die Rock&Roll-Ur-Vater Chuck Berry wohl studiert und verinnerlicht haben. Gitarrist Barny Murphy, der die Gang 1977 mit Sigl in München gegründet hat, und sein Saitenkollege Willie Duncon rocken, was das Zeug hält. Ludwig Seuss bearbeitet meisterlich sein Piano, Saxophonist Otto Staniloi spielt die richtigen Töne zu ebensolchem Zeitpunkt und über allen thront mit Drummer Andreas Keller ein wahrer Meister seines Faches. Brav bearbeitet Günther Sigl seinen Bass und singt frisch und frech wie eh und je. Dazu ist er ein perfekter Entertainer. Er hat die Menge im Griff, er dirigiert, er animiert, er tanzt und springt. Was für eine herrliche Type!

In zwei Jahren wird die Spider Murphy Gang 50 Jahre alt. Das wird gefeiert, meint Günther Sigl. Er ist dann 80 Jahre alt. Was soll’s? „Ich mach das noch mindestens 20 Jahre“, feixt er. Ewig jung ist er geblieben, wie die Gang selber. Man sieht sich, beim Jubiläum… Auch wieder auf der Burg Wilhelmstein bitte!

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