Mallorca feiert Joan Miró mit einem kulturellen Großereignis: „Paysage Miró“ ist die umfassendste Ausstellung des katalanischen Meisters, die je auf der Insel gezeigt wurde. La Llotja, die Fundació Miró Mallorca, das Museum Es Baluard und das Casal Solleric haben sich zusammengeschlossen, um in Palma eine „Miró-Landschaft“ zu schaffen.
Bereits 1978 ehrte Palma Miró mit einer großen Retrospektive in der Llotja und im Casal Solleric, damals in Anwesenheit der spanischen Könige. Fast 50 Jahre später wiederholt sich diese Hommage – noch größer und ambitionierter. Die Schau dürfte auch ein Meilenstein sein für die Bewerbung Palmas als Kulturhauptstadt Europas 2031.
„Paysage Miró“ ist das Ergebnis einer Kooperation. Die Zusammenarbeit zwischen der Balearenregierung, der Stadt Palma, der Fundació Pilar i Joan Miró a Mallorca, Es Baluard Museu d’Art Contemporani, dem Casal Solleric und dem Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía macht das Projekt möglich.
Die Ausstellung wurde von Antònia Maria Perelló, David Barro, Fernando Gómez de la Cuesta und Carmen Fernández kuratiert – den Direktoren der beteiligten Institutionen und der Konservatorin des Museo Reina Sofía. Die vier Teilausstellungen greifen ineinander: Jede Institution beleuchtet Mirós Werk aus einer eigenen Perspektive, alle zusammen formen sie ein komplettes Bild des Künstlers und seines Schaffens.
La Llotja: „La fuerza inicial“
In der Llotja stehen Mirós monumentale Bronzeskulpturen mit dunkler Patina. Die gotische Architektur des 15. Jahrhunderts aus hellem Kalksandstein bildet den spektakulären Rahmen für diese kraftvollen Figuren – für Carmen Fernández ein Resultat von Mirós „atemberaubender, unbändiger Vorstellungskraft”.
Miró begann erst 1940 ernsthaft mit der Bildhauerei, nachdem er Frankreich wegen des Zweiten Weltkriegs verlassen hatte. In seinen Notizen schrieb er: „In der Skulptur werde ich eine wahrhaft fantasmagorische Welt lebendiger Monster schaffen.” Seine Figuren entstanden in renommierten Gießereien in Paris und Verona, beide bekannt für ihre elegante schwarze Patina.
Die Bronzeskulpturen bestechen durch formale Schlichtheit. Sie verbinden Gegensätze wie Männliches und Weibliches, Himmel und Erde. Ihre hybriden Formen wirken weder rein menschlich noch tierisch, sondern mythisch und voller Bedeutung. Besonders beeindruckend sind die Vogelplastiken „Oiseau lunaire” (Mondvogel) und „Oiseau solaire“ (Sonnenvogel) von 1966. Je nach Blickwinkel erscheinen sie frech oder verträumt, grotesk oder selbstbewusst. „Conque“ (Muschel) und „Maternité“ (Mutterschaft) verkörpern Weiblichkeit und Fruchtbarkeit, während Werke wie „Personnage“ (Person) und „Tête“ (Kopf) männliche Symbole mit kosmischen Bezügen vereinen. Miró selbst sagte 1974: „In mir herrscht die bildhafte und poetische Tatsache; eine Form gibt mir eine Idee, diese Idee eine andere Form.“
Fundació Miró Mallorca: „La chispa mágica“
Die Fundación zeigt, wie alltägliche Gegenstände Mirós Kreativität entfachten – aber auch Arbeiten anderer Künstler wie Picasso, Calder, Kandinsky und Klee. „Diese magischen Funken sind das Einzige, was in der Kunst zählt”, sagte der Künstler. Die Schau führt durch ein Universum von Objekten, die Miró in seinen Ateliers sammelte. Zugleich gewährt sie den direkten Einblick, wie der Künstler diese Inspirationen in seine Werke umsetzte.
In jedem Bereich hängt ein Zettelblock mit einem Zitat des Künstlers, das sich auf die jeweiligen Inspirationsquellen bezieht. Diese Zitate können die Besucher in einem Umschlag sammeln, den sie an der Rezeption erhalten – so, wie der Künstler seine Inspirationsquellen sammelte.
Steine mit Muscheln dienten ihm als Vorlage für Farbflecken auf der Leinwand. Eine doppelte Mandel inspirierte ihn zur Skulptur vor der Fundación. Und als Miró beim Essen einen Hühnerknochen betrachtete, bat er seine Frau, ihn aufzuheben. So entstand später ein geflügelter Hund.
Ob Zeitungsausschnitte, Fundobjekte. Kinderspielzeug, Folkloristisches oder der Austausch mit Künstlern: Miró war mit seiner Umgebung tief verbunden. „Er war wie ein Schwamm“, sagt Stiftungsdirektorin Antònia Maria Perelló. „So still er auch war, alles waren Stimuli für ihn. Tanz, Kino, Musiker, Dichter, die Natur – er nahm alles auf und gab es Jahre später wieder aus.” Auch wissenschaftliche Bilder der 50er und 60er Jahre, etwa Röntgenaufnahmen und der Blick ins Mikroskop, beflügelten seine Fantasie.
Museum Es Baluard: „Pintar entre las cosas“
David Barro, Direktor von Es Baluard, zeigt Miró als Revolutionär der Malerei. „Ein Kritiker sagte einmal, dass Joan Miró meist moderner ist als seine Interpreten“, erklärt Barro. „Man könnte die Geschichte der zeitgenössischen Malerei des 20. Jahrhunderts durch Miró erzählen.“
Die Ausstellung „Malen zwischen den Dingen“ beginnt mit einem fauvistischen Landschaftsbild von 1916 und führt bis zu den radikalen Werken der 70er Jahre. Zwei große Leinwände dominieren den Eingang des Museums – kopfüber hängend. Ein Foto von 1975 zeigt Miró in seinem Atelier vor genau diesen verkehrt aufgehängten Bildern. „Als ich ins Atelier kam, fühlte ich mich beunruhigt“, erzählte Miró damals. „Ich sagte mir: Das funktioniert nicht. Aber ich fand den Grund nicht … Ich setzte ein Fragezeichen. Dann kam die Antwort und ich drehte die Leinwand um.“
Miró hätte leicht bei seinem erfolgreichen Stil bleiben können. Stattdessen verbrannte er in den 70ern Bilder, malte über andere Werke, schlitzte Leinwände auf. „Er war ein Nonkonformist, sehr mutig im Umgang mit der Malerei“, so Barro. 1925 bemalte Miró eine fast leere Leinwand mit einem blauen Fleck und schrieb dazu: „Das ist die Farbe meiner Träume.“ Diese blauen Flecken tauchen in der Ausstellung 18 Mal auf.
Casal Solleric: „El color y su sombra“
Das Casal präsentiert die Beziehung zwischen Mirós Malerei und Skulptur. Titel: „Die Farbe und ihr Schatten“. „Miró sagte, die Zeit zähle nicht in seinem Werk und er gehöre der Gegenwart an“, erklärt der Direktor des Casal Solleric, Fernando Gómez de la Cuesta. Die Ausstellung folgt dieser Philosophie und verzichtet auf chronologische Ordnung. Mirós Skulpturen entstanden oft aus gefundenen Gegenständen. Diese paradoxen Assemblagen erinnern an dadaistische und surrealistische Ansätze, bleiben aber erdverbunden und der Volkskunst verhaftet.
Die Schau stellt heraus, wie Miró seine „femme“-Figuren – Symbole für die Verbindung zur Erde und dem Leben spendenden Prinzip – in verschiedenen Medien darstellte. In Gemälden erscheinen sie als schwarze Flecken, in Skulpturen als Volumen, zu denen weitere Volumen hinzukommen. „Miró destillierte Jahrhunderte der Kunstgeschichte“, erklärt Gómez de la Cuesta. „Deshalb ist er ein radikal zeitgenössischer Künstler.“ Die Ausstellung zeigt, wie er sein Universum in die Skulptur übertrug und wie er sein Werk mit anderen Kunsthandwerken verband – Weberei, Mosaiken, Grafik, Keramik.
„Paysage Miró“ wurde vergangenen Mittwoch in der Fundació Miró Mallorca eröffnet und läuft dort bis 11. Januar 2026. In La Llotja war am Donnerstag (31. Juli) Vernissage, die Schau endet am 1. Februar 2026. Die Eröffnungen im Casal Solleric (19.30 Uhr) und Es Baluard (20.30 Uhr) fanden am Freitag (1. August) statt, beide Ausstellungen laufen bis 9. November.