Die Bundeswehr hat am Samstag zum dritten Mal Hilfsgüter über dem Gazastreifen abgeworfen. Ein Sprecher der Luftwaffe erklärte, eine A400M-Transportmaschine habe 22 Paletten mit Nahrungsmitteln und medizinischen Gütern im Gesamtgewicht von 9,6 Tonnen abgesetzt. Für Sonntag sind weitere Hilfsflüge geplant, sofern die Bedingungen es zulassen.

Israel erlaubt seit dem vergangenen Sonntag – nach weltweit wachsender Kritik an der entsetzlichen Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung – wieder größere Hilfslieferungen auf dem Landweg. Zudem unterstützt Israel Abwürfe aus der Luft durch verbündete Staaten wie Jordanien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Deutschland beteiligt sich mit zwei Flugzeugen an der Aktion. Die Maschinen werden auf einer Militärbasis in Jordanien beladen.

Merz will Hilfslieferungen über Landweg

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte sich bereits am Freitag bei der Bundeswehr für ihre Beteiligung an einer Luftbrücke bedankt. Gleichzeitig betonte er, dass die Bundesregierung weiter an Hilfslieferungen über den Landweg arbeite.

„Wir wissen: Airdrops sind nur ein kleiner Beitrag, um das Leid der Menschen in Gaza zu lindern. Deshalb arbeiten wir weiter intensiv daran, Hilfe über den Landweg zu ermöglichen“, erklärte Merz am Freitagabend auf der Plattform X.

Die Luftbrücke entstand in Zusammenarbeit mit Jordanien. Merz dankte neben der Bundeswehr auch den jordanischen und europäischen Partnern. Seinem Beitrag fügte er Fotos bei, die unter anderem Fallschirme mit Hilfspaketen über einem Küstenstreifen zeigen.

Zuvor hatte Außenminister Johann Wadephul (CDU) das Sicherheitskabinett nach seiner Reise nach Israel und ins Westjordanland informiert. Dem Kabinett gehören unter anderem Kanzler Merz und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) an.

Fallen die Hilfsgüter in die Hände der Hamas?

Regierungssprecher Stefan Kornelius bekräftigte, Israel stehe weiterhin in der Pflicht, eine umfassende Versorgung auch mit Unterstützung der Vereinten Nationen und anderer humanitärer Organisationen sicherzustellen. Die Bundesregierung zeige sich zudem besorgt über Berichte, wonach die Hamas und kriminelle Organisationen große Mengen an Hilfsgütern zurückhielten.

„Welt“ und „Bild-Zeitung“ berichteten unter Berufung auf Sicherheitskreise, dass angeblich 50 bis 100 Prozent der Hilfsgüter, die in den Gazastreifen gelangten, von der Hamas oder anderen Gruppen abgezweigt würden. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte dem Tagesspiegel auf Nachfrage, dass zu diesen Zahlen keine Erkenntnisse vorlägen.

Ebenso wenig könne man nachverfolgen, in welche Hände die Hilfslieferungen bei den „Drop-off“-Flügen kämen. „Wir können dies nicht nachvollziehen, weil wir kein Personal vor Ort am Boden haben“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel.

Palästinenser tragen Säcke mit Mehl, nachdem ein katarisches Flugzeug humanitäre Hilfsgüter über dem Gazastreifen abgeworfen hat.

© dpa/Abed Rahim Khatib

Am Freitag hatte die Bundeswehr damit begonnen, Hilfsgüter über dem Gazastreifen abzuwerfen. Bei den ersten beiden Flügen wurden laut Auswärtigem Amt 34 Paletten mit insgesamt knapp 14 Tonnen Nahrungsmitteln und medizinischen Hilfsgütern abgeworfen.

Nach Angaben des israelischen Militärs, das die Operation koordiniert, wurden am Samstag insgesamt 90 Paletten mit Hilfsgütern abgeworfen. Neben Deutschland beteiligten sich an diesem Tag Frankreich, Ägypten, Jordanien und die VAE daran.

Hilfsorganisationen fordern LKWs, aber sind sie sicher?

Hilfsorganisationen kritisieren solche Luftbrücken als ineffizient und gefährlich. Sie fordern stattdessen Hilfslieferungen über den Landweg. Philippe Lazzarini, Chef des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, erklärte auf X, diese sogenannten Airdrops würden die „sich verschlimmernde Hungersnot“ nicht beenden. Sie seien „teuer, ineffizient und könnten ausgehungerte Zivilisten sogar töten“.

Knapp 6000 Lastwagen mit Hilfsgütern stünden an der Grenze bereit und warteten auf Erlaubnis, in den Gazastreifen zu fahren. Wer in diesem Fall die Verteilung koordiniert, ist ebenfalls ungewiss.  

Wie das „Wall Street Journal“ berichtet, werden die meisten Hilfstransporte geplündert, bevor sie ihr Ziel erreichen. Schuld daran sei ein völliger Zusammenbruch von Recht und Ordnung: Verzweifelte Zivilisten, Kriminelle und bewaffnete Gruppen greifen die Lkws an, oft bevor sie weit kommen, heißt es.

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Zusätzlich erschweren zerstörte Infrastruktur, Kämpfe, Treibstoffmangel und gefährliche Routen den Transport. Die wenigen Verteilungsstellen liegen in israelisch kontrollierten Gebieten, was bedeute, dass Zivilisten große Gefahren auf sich nehmen müssen, um Hilfe zu erhalten – oft unter Beschuss. Zwar erlaube Israel der UN inzwischen wieder die Lieferung, hat jedoch viele Transporte behindert oder abgelehnt.

Unter Berufung auf ägyptische Beamten schreibt das „Wall Street Journal“, dass nahezu alle Hilfsgüter, die aus Ägypten über den Grenzübergang Kerem Shalom nach Gaza gelangen, direkt hinter der Grenze von kriminellen Banden gestohlen werden. Ein Teil der Ware werde demnach zu stark überhöhten Preisen auf lokalen Märkten verkauft. (mit Agenturen)