Natürlich positiv. Die rasch formulierte Antwort von Jutta Blocher wird von einem Lächeln begleitet. Also die Stuttgarter Oper war der Wunschort der Innenarchitektin für die Gesprächsreihe über die Stadt, ausgewählt werden können Gebäude, die der Stadt gut stehen – oder eben auch nicht. „Stadt und Land wären gut beraten, dieses Juwel als Teil ihres kulturellen Erbes zu bewahren“, sagt Jutta Blocher.
Sie selbst besuche regelmäßig und seit Jahrzehnten vor allem die Oper, aber auch Ballett und Schauspiel. „Das Dreispartenhaus ist einzigartig und trägt maßgeblich zum Wohlfühlcharakter der Stadt bei – ebenso wie die drei großen Kunstmuseen.“ So sagt sie nach dem Fototermin bei einer Tasse Tee in der Mensa der Württembergischen Staatstheater.
Starkes Plädoyer für die Kultur
Nach Vorstellungen in der Oper oder im Schauspiel gehe sie gern dorthin. Weniger wegen der Innenarchitektur, sondern vor allem wegen der künstlerischen Atmosphäre, wie sie höflich formuliert: „Trotz seiner Abweichung von gängigen ästhetischen Maßstäben wirkt der gestalterische Ansatz aber durch seine Konsequenz in sich stimmig.“
Fragte man Jutta Blocher, würde sie vermutlich dafür plädieren, die Mensa auch noch umzugestalten statt sich immer wieder neue Streichungen in Sachen Opernsanierung auszudenken und generell an der Kultur zu sparen.
„Eine Kürzung des Kulturetats erscheint mir kritisch, da Kultur ein wesentlicher Bestandteil unserer europäischen Geschichte ist. Zugleich ist es erfreulich zu sehen, wie die Oper mit neuen Formaten erfolgreich ein jüngeres Publikum anspricht.“
Fern des strengen Spartendenkens in U und E arbeitet auch ihr Büro, ob in Stuttgart oder in Dubai, vom Mehrfamilienneubau – etwa im neuen Quartier in Feuerbach – über die Museumsumgestaltung wie jüngst beim Kunstgebäude, bis hin zu Champagnerbars und Boutiquen wie in der Outletcity Metzingen, Hotels, hochwertigen Verkaufsräumen, Geschäftshäusern, Restaurants.
Bar mit Blick auf die Stadt im Emilu Designhotel, Foto: Patricia Parinejad für blocher partners
Jutta Blocher, Jahrgang 1959, hat Innenarchitektur an der Hochschule für Technik Stuttgart studiert. Sie leitet das im Jahr 1989 gemeinsam mit Dieter Blocher in Stuttgart gegründete Architekturbüro. Ihr inzwischen international tätiges Unternehmen führen beide heute mit Sohn Benjamin und weiteren Partnern. Seit 2011 befindet sich blocher partners im Herdweg in einem schnörkellosen Betonneubau.
Die Stadt zu verlassen, war keine Option. „Ich fühle mich der Stadt eng verbunden, meine Familie und viele Freunde leben hier“, sagt die Innenarchitektin, „und ich schätze die Bärenseen sowie die zahlreichen Naherholungsgebiete. Und sollte man einmal etwas vermissen, lässt es sich leicht anderswo genießen: Mit dem TGV ist man beispielsweise in gut drei Stunden in Paris.“
Wohlfühlorte in Stuttgart schaffen
Trotzt weltweiter Aufträge – unter der Regie von Jutta Blocher weitete das Büro seinen Aktionsradius nach Asien aus: blocher partners realisierte unter anderem Ladeneinheiten für namhafte Handelsmarken in Indien, Thailand, Malaysia, Indonesien und auf den Philippinen – ist das Büro also auch in der Stadt geblieben. Und hat mit Projekten in Stuttgart die Baukultur und das Stadtleben deutlich verbessert. Schon allein der gemeinsam mit Wolf Architekten Ingenieure mehrfach preisgekrönte Umbau eines Gebäudes in das Designhotel Emilu mit Gastro, der beste Stadtreparatur betreibt: Das Hotel mit Gastronomie ist auch für Stuttgarterinnen und Stuttgarter, die coole, gut gestaltete Lokalitäten zu schätzen wissen, ein beliebter Treffpunkt.
„Auch ich besuche keine Restaurants, die mir nicht zusagen“, sagt die Innenarchitektin. Jüngst hat das Planungsbüro das Sterne-Restaurant und Suiten im Hotel Bareiss in Baiersbronn umgestaltet. Und einige gastronomische Objekte schätzt Jutta Blocher auch in Stuttgart, dazu gehören selbstredend das „Fritz“ im Emilu und das „Laesa“ – das in einem denkmalgeschützten Gebäude am Stuttgarter Wilhelmsplatz sich befindende Restaurant macht jetzt einen cool eleganten Eindruck.
Vornehme Eleganz: Das Restaurant „Laesa“ in Stuttgart. Foto: Patricia Parinejad für blocher partners
Im Denkmal umbauen bedeutet, auch mit Vorgaben des Denkmalamtes umzugehen – Beschränkungen und nicht in absoluter Freiheit zu arbeiten, so etwas lässt sich aber auch positiv begreifen. „Was mich an der Innenarchitektur gereizt hat“, sagt Jutta Blocher, „ist die Mischung aus Kreativität und Technik. Der Beruf ist nicht rein künstlerisch, sondern verbindet gestalterische Freiheit mit klaren technischen Vorgaben. Richtlinien und der Vorrang der Funktionalität sind für mich kein Hindernis, sondern eher ein Anreiz, kreative Lösungen zu finden.“ Raumstimmungen kreieren, Proportionen bedenken, kulturelle Eigenarten beachten ebenfalls.
Bei Projekten der Arbeitswelt etwa, so Jutta Blocher, sind strukturelle Veränderungen und veränderte Anforderungen und Wünsche der Arbeitnehmer mit zu begleiten. „An unserem Beruf schätze ich besonders die Unabhängigkeit von kurzlebigen Trends – Architektur und Innenarchitektur denken in längeren Zyklen. Auch unser Büro verfolgt konsequent einen zeitlosen Ansatz, der auf Beständigkeit setzt.“
Seit einigen Jahren ein Thema ist der hohe CO2-Verbrauch beim Bau und vor allem Betrieb von Gebäuden. Nachhaltigkeitsthemen beschäftigen auch ihr Büro. „Wir haben dazu eine eigene Beratungsfirma gegründet“, sagt Jutta Blocher. Den Herausforderungen des Markts hat sich das Unternehmen ebenfalls an anderen Stellen angenommen. So zählen etwa neben der Nachhaltigkeitsberatung eine Firma für „Design Strategy“ und eine Kommunikationsagentur zur Unternehmensgruppe.
Künstliche Intelligenz nutzen
Das Büro verantwortet CO2-freundlichere Umbau-Projekte schon seit Beginn und wurde mit dem eigenen Büro von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen ausgezeichnet, gestaltet aber auch Neubauprojekte wie etwa das Mehrfamilienhaus auf dem Grundstück der ehemaligen Breuninger-Villa im Stuttgarter Norden oder auch den geplanten Neubau eines Geschäftshauses in der Eberhardstraße.
So verteufelt die Architektin auch nicht die Herausforderungen der Zukunft, Künstliche Intelligenz beispielsweise. Das transdisziplinär arbeitende Büro, so berichtet sie, entwickle ein eigenes Programm, und das helfe, lästige Fleißarbeit zu leisten. „Kreativität aber“, ist sich Jutta Blocher sicher, „bleibt unser Metier.“