Die Menschen in Nordrhein-Westfalen müssen für die Abwassergebühren immer mehr berappen. Im landesweiten Schnitt seien die Gebühren von 2024 auf 2025 für einen Musterhaushalt – vier Personen, 200 Kubikmeter Frischwasserverbrauch, 130 Quadratmeter bebaute Grundstücksfläche – um 5,1 Prozent gestiegen, meldet der Bund der Steuerzahler NRW nach einer aktuellen Auswertung. Das sei der zweithöchste Gebührensprung seit Beginn der Erhebungen vor über 30 Jahren – nur noch übertroffen von 6,1 Prozent im vergangenen Jahr.
Dabei ist die Spanne gewaltig. Spitzenreiter ist Monschau: Dort kommt die Beispiel-Familie auf jährlich rund 1690 Euro Abwassergebühr. Auch Viersen oder Nettetal gehören mit mehr als 1400 beziehungsweise 1360 Euro zum teuren Pflaster. Am günstigsten kommt der Haushalt mit gerade mal gut 330 Euro in Reken weg. Aber auch in Düsseldorf (465), Erkelenz (rund 490) oder Kleve (rund 560 Euro) ist es verhältnismäßig günstig. Dazwischen liegen Städte wie Bonn (840 Euro) oder Münster (fast 700 Euro).
Wie sich die Unterschiede der Gebühren erklären
Dass es so große Unterschiede gibt, kann an örtlichen Bedingungen liegen. In Großstädten hängen viele Wohnungen an einem Kanalnetz, das drückt den Preis. Ist eine Region dünn besiedelt oder so hügelig, dass laufend Pumpen im Einsatz sein müssen, treibt es ihn hoch.
Allerdings hätten die Städte und Gemeinden auch Spielräume bei der Gebührenkalkulation, sagte der Vorsitzende des Steuerzahlerbundes NRW, Rik Steinheuer. Und immer mehr Gemeinden schöpften diese aus, um Überschüsse zu erwirtschaften, „die dann zur Stützung des kommunalen Haushalts eingesetzt werden können“. Steinheuer appellierte an die Stadträte, die solche Entscheidungen träfen: „Keine Kommune ist gezwungen, die Spielräume auszunutzen.“
Forderung an die Landesregierung
Vor allem aber sieht er die schwarz-grüne Landesregierung in der Pflicht: Sie solle die gesetzlichen Grundlagen ändern, um „das ständige Ansteigen der Abwassergebühren in Nordrhein-Westfalen zu stoppen“. Dabei geht es konkret darum, wie Gemeinden ihre Kosten für beispielsweise Kanalbauten in ihre Gebührenberechnung einfließen lassen. Es gibt dabei zwei Möglichkeiten. Die Gemeinden können entweder jährlich ein Anteil dessen geltend machen, was sie für das Bauwerk mal ausgegeben haben. Oder, sie können stets den sogenannten „Wiederbeschaffungszeitwert“ zugrundelegen: das, was man aktuell für einen Neubau ausgeben müsste.
Wegen allgemeiner Kostensteigerungen fällt der Wert nach der zweiten Rechenvariante natürlich jedes Jahr etwas höher aus. So holten die Kommunen „im Laufe der Jahre sehr viel mehr über die Gebühren rein, als sie für den Kanal ursprünglich mal gezahlt haben“, so Steinheuer. Und das täten immer mehr von ihnen: Heute rechneten 55 Prozent der NRW-Kommunen mit dem „Wiederbeschaffungszeitwert“, vor 15 Jahren seien es nicht mal 38 Prozent gewesen.
Vorschläge zur Begrenzung der Gebühren
Wenn es nach dem Bund der Steuerzahler geht, sollte das Land diesen Rechenweg abschaffen. Und wenn man ihn schon zulassen wolle, so müsse gesetzlich festgezurrt sein, dass Überschüsse nur für künftige Investitionen für Abwasserbetriebe eingesetzt werden dürften und nicht in die Kassen der Städte wanderten. Ein Beispiel für solche Regeln gebe es etwa in Sachsen.
Das NRW-Kommunalministerium von Ina Scharrenbach (CDU) ließ sich auf die Forderungen auf Anfrage nicht ein. Mit dem Wiederbeschaffungszeitwert zu rechnen, sei zulässig, stellte ein Sprecher schlicht fest. „Die Kommunen entscheiden über die Verwendung ihrer Mittel im Übrigen im haushaltsrechtlichen Rahmen eigenverantwortlich.“
Die politische Opposition blickt differenziert auf die Lage. „Wir brauchen bei den Gebühren für Abwasser und Abfall endlich ein System, das die kommunale Selbstverwaltung respektiert, aber gleichzeitig klare Leitplanken setzt“, forderte Dietmar Brockes, Verbraucherschutz-Experte der FDP-Landtagsfraktion.
Der Vize-Chef der SPD-Fraktion, Christian Dahm, hielt dagegen: „Die Diskussion um angeblich überhöhte Abwassergebühren lenkt vom eigentlichen Problem ab“, sagte er. „Die Kommunen handeln auf Basis geltenden Rechts, und sie sind dazu verpflichtet, ihre Abwasseranlagen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu bewerten. Der Wiederbeschaffungszeitwert ist dabei gesetzlich vorgesehen und sachlich gerechtfertigt. Wenn der Bund der Steuerzahler hier den Eindruck erweckt, Kommunen würden willkürlich Kassen füllen, ist das schlicht irreführend.“ Statt mit Symbolpolitik am Kommunalabgabengesetz herumzudoktern, solle die Landesregierung lieber dafür sorgen, dass Städte und Gemeinden nicht auf jede denkbare Einnahmequelle angewiesen seien.
Anstieg auch bei Abfallgebühren
Auch mit den Abfallgebühren hat sich der Bund der Steuerzahler befasst. Bei ihnen gab es demnach im Landesdurchschnitt einen moderaten Anstieg von 2,5 Prozent. Und es gebe einen guten Trend: Mehr Gemeinden böten kleinere Tonnen an. Damit sparen Bürger Geld, wenn sie Abfall vermeiden.
Beim Abwasser zu sparen, ist hingegen ungleich komplizierter. Hauseigentümer könnten Dächer begrünen, hieß es. Sie könnten Rasengittersteine anstelle von Pflaster in der Einfahrt verlegen – dann gilt die Fläche gegebenenfalls nicht als komplett versiegelt. Und sie könnten Wassermengen, die sie fürs Gießen im Garten brauchen, per Zwischenzähler ermitteln und von ihren Abwasserkosten abziehen lassen. Wie einfach oder kompliziert all das ist, hänge aber sehr von den Regeln der einzelnen Gemeinde ab.