DruckenTeilen
Trantor erlebt epische Wendungen – sie kommen zur perfekten Zeit, wie die beeindruckende vierte Episode der dritten Staffel von „Foundation“ verdeutlicht.
Spoilerwarnung – diese Meldung kann Hinweise auf die Fortführung der Handlung enthalten!
Das passiert in der Folge „The Stress of Her Regard“ der Serie „Foundation“
Die Erste Foundation bereitet sich auf die kommende Dritte Krise vor. Im Zuge dessen verbündet sich Botschafterin Quent (Cherry Jones) mit Bruder Dämmerung (Terence Mann). Bruder Tag (Lee Pace) zieht die Erinnerungen des ersten Cleon zurate und stößt dabei auf ein schändliches Geheimnis. Daraufhin flieht er aus dem Palast, nicht aber, ohne zuvor einen Verräter zu beseitigen.
Bruder Morgen (Cassia Bilton) trifft sich in der Zwischenzeit heimlich mit Gaal Dornick (Lou Llobell) und erfährt während einer spektakulären Flucht vor einigen Verrätern, wozu die Telepathin fähig ist. Gemeinsam mit ihr verlässt er Trantor, um sich der Zweiten Foundation anzuschließen und dort zu lernen, wie er sich dem Maultier entgegenstellen kann…
Gaal Dornick (Lou Llobell) auf einem Szenenfoto aus der Episode „The Stress of Her Regard“ der US-Serie „Foundation“ © Apple TV+Endlich was los
Zwei Folgen lang klirrte die Handlung der Serie Foundation zersplittert wie eine zerstörte Glasscheibe vor sich hin, nun zieht das Autoren-Team die Plot-Schraube endlich wieder merklich an und konzentriert sich auf das Wesentliche. Das bedeutet vornehmlich auch, dass Lee Pace endlich wieder das tun darf, wofür man ihn ursprünglich einmal in die Sci-Fi-Serie geholt hatte: mit angemessener Screentime verdammt gut schauspielen nämlich…
Doch beginnen wir wie üblich von vorne und werfen unsere Argusaugen auf Han Pritcher (Brandon P. Bell), dessen Existenz endlich so etwas wie einen tieferen Sinn erhält. Wie schon öfter geschehen, wird die Figur in der Serie offensichtlich vollkommen anders interpretiert als in den Büchern, was allerdings nicht bedeutet, dass die zu sehende Entwicklung nicht interessant wäre…
Pritcher entpuppt sich zu Beginn der Folge als Doppelspion, der zwar für die Erste Foundation arbeitet, dessen wahre Loyalität aber Gaal und der Zweiten Foundation gehört. Mehr noch: Die beiden lieben sich aus tiefsten Herzen, eine Tatsache, die in einer gefühlvoll und romantisch inszenierten Szene zum Tragen kommt.
Um dem Publikum eine Ruhepause zu gönnen, thematisiert das Produktions-Team das Schicksal von Toran (Cody Fern), Bayta Mallow (Synnove Karlsen) und Magnifico (Tómas Lemarquis) nicht weiter. Es bleibt ohnehin abzuwarten, inwiefern die Figuren noch eine größere Rolle spielen. Auch wenn sie für die Romantrilogie nicht unerheblich sind, erscheinen sie für den recht stark abgeänderten Plot der Serie bisher lediglich eine Art Zuckerbrot für die Romanfangemeinde zu sein.
Bruder Tag (Lee Pace) auf einem Szenenfoto aus der Episode „The Stress of Her Regard“ der US-Serie „Foundation“ © Apple TV+Bruder Tag
Ganz anders hingegen die für „Foundation“ eigens entwickelte Cleon-Klondynastie, derer Handlungsstrang in The Stress of Her Regard eine spannende Wendung nimmt. Bruder Tag ruft die Erinnerungen des ersten Cleon auf und erfährt von ihm, dass dieser eine sexuelle Beziehung zu Demerzel (Laura Birn) hatte und dass dieser einst tausende Leben auslöschte, um ein bestimmtes Gerät für sie zu besorgen.
Tag spuckt seinem virtuellen Vorfahren vor die Füße und fällt eine Entscheidung: Seine Flucht aus dem Palast muss sofort erfolgen. In den ersten beiden Teilen war bereits klargeworden, dass die Geschichte der Figur genau darauf hinausläuft. Dass es jedoch plötzlich so schnell geht, ist eine kleine, aber feine Überraschung. Fein deshalb, weil Lee Pace endlich wieder prominent in Erscheinung tritt und einige denkwürdige Szenen abliefert. Er schafft es auf geradezu brillante Weise, die psychopathisch größenwahnsinnigen Züge der Cleons mit neuen, sanfteren Klängen zu verbinden, die die Korrumpierung der Klon-DNS gut und stimmig zum Tragen bringen.
So sehr er sich auch in seinem Hedonismus vergrub, Tag ist weiterhin hochintelligent und lässt sich von seinem Leibwächter Mavon (Ibraheem Toure) nicht ins Bockshorn jagen. Er wusste längst, dass er es mit einem Verräter zu tun hat und beseitigt ihn schließlich in einer ruhigen, aber stark inszenierten Szene.
Zuvor entschuldigt er sich aber noch bei ihm, denn Mavon hat eine Familie, eine Tatsache, die Tag nachvollziehen kann, weil er seine von Demerzel geschasste Konkurbine wirklich liebt. Dass sich ausgerechnet dieses Gefühl als Motivator entpuppt und der mächtige Imperator das Ziel verfolgt, sie zu finden, gehört zu den weiteren spannenden Wendungen der dritten Staffel.
Bruder Morgen
In eine ganz andere, gänzlich unerwartete Richtung verläuft hingegen Bruder Morgens Schicksal. Er scheint der einzige Cleon zu sein, der sich der Bedrohung durch das Maultier (Pilou Asbæk) bewusst ist, was zu seiner Verbindung zu Gaal führte. Die Beziehung der beiden nimmt nun eine entscheidende und aufregende Wendung, denn nun treffen sich die beiden persönlich auf Trantor.
Das Meeting hat es allerdings in sich. Gaal will Bruder Morgen dazu überreden, Trantor mit ihr zu verlassen und sich ihr anzuschließen und macht ihn zudem darauf aufmerksam, dass er von zwielichtigen Soldaten verfolgt wird. Die nun folgende Fluchtszene bescheidet sich audiovisuell mit einem Lauf durch einen langen Tunnel, ist aber dank einer geschickten Schnittführung und guter Musikuntermalung unterhaltsam inszeniert. Manchmal sind es eben die nicht sofort sichtbaren Dinge, die den Unterschied machen.
Letztlich flieht auch Bruder Morgen, womit Bruder Dämmerung nun alleine auf dem Thron sitzt und deshalb seine Desintegration durch Demerzel womöglich ein Weilchen hinauszögern konnte. Natürlich ist es aufgrund der diversen Altersstadien, in denen die zahlreichen Klone gelagert werden, ohne Weiteres möglich, einfach zwei neue Exemplare zu aktivieren. Erstens müssen diese aber zunächst in eine Situation hineinwachsen, die sich seit Jahren zuspitzt, und zweitens stellt sich die Frage, ob die Belebung eines Klons überhaupt möglich ist, solange sein altersmäßig identisches Pendant noch lebt.
Bruder Dämmerung (Terrence Mann) auf einem Szenenfoto aus der Episode „The Stress of Her Regard“ der US-Serie „Foundation“ © Apple TV+Bruder Dämmerung
Was immer am Ende auch dabei herauskommen mag, Dämmerung ist nun das einzige Wesen der Galaxis, welches den Willen hat, den Untergang des Imperiums aufzuhalten. Das ist schon deshalb eine sehenswerte Idee, weil Terrence Mann schauspielerisch eine Augenweide ist. Besonders gut harmonisiert er mit Cherry Jones, die als Botschafterin Quent einen starken Auftritt hinlegt und nun ebenfalls ein wenig mehr Spielzeit erhält.
Bruder Dämmerung ist erfahren, taktisch geschickt, hartnäckig und verfügt über die Weitsicht des Alters, Eigenschaften, die in der prekären Lage des Imperiums bitter nötig sind. Sicherlich wird seine offenbare de facto Übernahme der Throngeschäfte den Untergang des Reiches nicht verhindern. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass alles auf einen großen Showdown zwischen dem Maultier und Gaal hinausläuft.
Doch wenn sich die Handlung in die bisherige Richtung weiterentwickelt, werden wir hoffentlich mindestens eine atemberaubend episch inszenierte Schlacht erleben dürfen, die die audiovisuellen Stärken der Serie noch einmal voll ausspielt. Obwohl die – nennen wir es einmal – optische Epik in der dritten Staffel zugunsten einer intensivierten Dialogführung etwas zurückgefahren wurde, haben wir es immer noch mit einer kinoreifen, außergewöhnlich schönen Adaption zu tun, die mit einer bisweilen atemberaubenden Bildspräche glänzt.
Einzelgänger
Doch kommen wir zu den Cleons zurück, derer Entwicklung einen großen narrativen Vorteil in sich birgt. Agierten die Klone bisher im Grunde genommen wie eine Einheit, ist nun jedes Individuum auf sich gestellt und verfolgt eigene Ziele. Das verspricht Verwicklungen ohne Ende. Allerdings stellt sich dafür die Frage, wie man zwei weitere Ebenen in die ohnehin schon recht verstrickte Geschichte integrieren möchte, ohne sich vollends zu verzetteln. Episode zwei und drei haben deutlich gezeigt, dass zu viele Köche den Brei verderben können und Verwirrung in der Küche auslösen. Es bleibt zu hoffen, dass der Writers‘ Room dieses Dilemma in den Griff bekommt und uns mit einer trotz zu vieler Figuren straff geführten Story überrascht.
Fazit
„The Stress of Her Regard“ konzentriert sich auf das Wesentliche und lässt zugunsten einer weniger verschnörkelten Erzählweise einige Figuren für den Moment außer Acht. Die Entscheidungen des Autoren-Teams sind nachvollziehbar und bringen frischen Wind in das lauwarme Lüftchen, das vom Cleon-Plot zuletzt übriggeblieben war.
Kurz und gut findet die Serie mit der vierten Folge der dritten Staffel zu alter Stärke zurück und beschenkt das Publikum mit spannenden Optionen, die das unausweichliche Ende des Imperiums auf figuraler Ebene noch interessanter gestalten könnte. Bitte mehr davon und dafür weniger Figuren, die als reiner Fanservice konzipiert sind, ohne wirklich zu greifen. Wir verteilen aus all den Gründen tolle viereinhalb von fünf Klonen.