Wahrscheinlich wird Patrick Glöckner in den nächsten Wochen eher keinen 14-Jährigen spielen lassen. Vermutlich wird er auch nicht Jesper Verlaat als Torwart aufstellen. Oder, noch abwegiger: René Vollath. Und dass der Trainer des TSV 1860 München selbst noch einmal die Fußballschuhe bindet und bei einem Spiel den Rasen betritt, davon ist ebenso wenig auszugehen.
Eines lässt sich nach Sechzigs 3:0 bei Waldhof Mannheim aber sehr wohl festhalten: Die 90 Minuten vom Sonntagnachmittag haben die ohnehin schon äußerst komfortable Lage noch ein bisschen komfortabler gemacht und Glöckner die günstige Gelegenheit verschafft, in den letzten Spielen das eine oder andere ausprobieren zu können. Fünf Spiele vor dem Saisonende haben die Löwen nun zehn Punkte Vorsprung auf die Abstiegszone der dritten Liga. Nicht einmal Sechzig dürfte es fertigbringen, das noch zu verspielen. Und so kann der Verein den Blick schon jetzt auf den Sommer richten und die verbleibenden Aufgaben als Vorbereitung auf die neue Saison verstehen. Bricht dann – man traut sich ja kaum, es auszuschreiben, weil es immer noch um den TSV 1860 geht –, bricht dann also vielleicht wirklich eine strahlende Zukunft an?
Nach dem 5:1 gegen Energie Cottbus und dem 2:0 gegen den SV Sandhausen ließen auch die 90 Minuten von Mannheim einmal mehr erahnen, was mit dieser Mannschaft möglich sein könnte. Nach neun Punkten binnen einer Woche drängt sich nun sogar die Frage auf: Was wäre bloß, wenn Glöckner schon früher nach München gekommen wäre? Seine Mannschaft ist vielleicht noch nicht so weit, dass sie unbeschadet damit durchkommen würde, wenn ein 14-Jähriger im Tor stünde – doch der Auftritt in Mannheim trug erneut Züge von dem, was man gemeinhin Spitzenmannschaften zuschreibt: Anlaufschwierigkeiten zu trotzen, dann aus wenig viel zu machen und am Ende souverän zu gewinnen.
Als Glöckner nach dem Spiel mit der These konfrontiert wurde, dass genau das Ausdruck von Klasse und das Kennzeichen eines Topteams sei, da widersprach Sechzigs Trainer nicht – im Gegenteil. „Das habe ich der Mannschaft auch gesagt“, verriet Glöckner, sparte aber auch nicht mit Kritik. „Die ersten 30 Minuten waren absolut unterirdisch“, sagte er, „wir sind in keinen Zweikampf reingekommen. Das war lethargisch, als ob wir noch im Bus gesessen hätten. Erst dann haben wir unsere DNA wiedergefunden.“ Und schon, Stichwort Spitzenmannschaft, gingen die Löwen in Führung, obwohl sie in der ersten halben Stunde keinerlei Akzente in der Offensive gesetzt hatten: Nach einem Foul an Tim Danhof traf Thore Jacobsen per Elfmeter.
Noch Ende Februar lag Sechzig nur einen Punkt vor der roten Zone, nun scheint der Abstieg kein Thema mehr zu sein
Angetrieben von Julian Guttau, der mehr und mehr vor Spielfreude strotzte, je länger die Begegnung dauerte, fand Sechzig nun zu sich und legte eine Viertelstunde nach dem Seitenwechsel das 2:0 nach: Mannheims Torwart Jan-Christoph Bartels verlor den Ball am eigenen Strafraum, Dickson Abiama flankte in die Mitte, Patrick Hobsch traf per Kopf. „Wir sind kaltschnäuziger geworden“, lobte Glöckner und nannte das 3:0, kurz vor Schluss hergestellt durch den eingewechselten David Philipp, „am Ende schon verdient“. Tatsächlich hatte seine Mannschaft einmal mehr unterstrichen, welch große Fortschritte sie unter Glöckner gemacht hat. Eine Entwicklung, die vor wenigen Wochen noch nicht absehbar war.
Allzu lange ist es ja nicht her, dass die Löwen an einem tristen Freitagabend Ende Februar mit 0:3 gegen Bielefeld verloren, ihren Anhang mal wieder auf ganzer Linie enttäuschten und in der Tabelle nur noch einen Punkt über der Abstiegszone standen. Dann aber verloren sie bis zu diesem Sonntag nur noch eines der folgenden sieben Spiele und holten in diesem Zeitraum 16 Punkte. Als sein Team in Mannheim dann nachgelegt hatte, erklärte Glöckner Sechzigs „großes Ziel“ bereits für erreicht. „48 Punkte“, sagte er, „sollten zum Klassenerhalt reichen.“