Am Ende des Konzerts regnet es immer noch, so wie es eigentlich schon den ganzen Tag geregnet hatte. Aber jetzt, wo Andreas Gabalier zum Abschluss seines Open-Air-Konzerts auf dem Königsplatz sein wahrscheinlich ehrlichstes, zumindest aber doch persönlichstes Lied spielt, passt der Regen sogar. „Amoi seg‘ ma uns wieder“ singt Gabalier in Gedenken an seinen Vater, der sich am 2. August 2006 das Leben genommen hatte, und an seine Schwester, die sich zwei Jahre später ebenfalls das Leben nahm.

Und nun steht Gabalier am Todestag seines Vaters auf der Bühne und singt davon, wie ihm als Hinterbliebener langsam klar wird, dass „nix mehr is wias woar“. „Dann soll die Hoffnung auf a Wiedersehn mir die Kroft in mein Herzschlog leg’n, um weiter zu leb’m“, singt Gabalier, sich selbst auf der Gitarre begleitend. Einsam wie ein Trauernder auf einem Begräbnis steht er da. Im vorderen Bereich des Stegs, der von der Hauptbühne aus ins Publikum ragt, lodert ein offenes Feuer in einer Schale. Das unterstreicht das Ambiente einer Trauerfeier.

Zwei Stunden hat das Publikum trotz des schlechten Wetters Andreas Gabalier auf dem Königsplatz ausgelassen gefeiert.Zwei Stunden hat das Publikum trotz des schlechten Wetters Andreas Gabalier auf dem Königsplatz ausgelassen gefeiert. (Foto: Florian Peljak)

Prompt steht nun auch das Publikum, das bis dahin trotz des widrigen Wetters ausgelassen gefeiert hat, schweigend und andächtig da. Ebenso tröstend wie einfühlsam ergänzt auf der Bühne die großartige Cellistin Nayon Han mit zarten Bogenstrichen Gabaliers Solo-Vortrag. Und so, wie ihr Cellospiel den Sänger jetzt schützend zu umarmen scheint, umarmen auch auffallend viele Fans ihre Begleitung. Denn was als Anteilnahme begonnen haben mag, wird offensichtlich zur eigenen Trauer über die Verstorbenen im eigenen Familien- und Bekanntenkreis. Umso ehrlicher wirkt es darum auch, wenn die Zuschauer schließlich leise mitsingen: „Amoi sehn ma uns wieder, amoi schau i a von obm zua. Auf meine oitn Tag leg i mi dankend nieder und moch für olle Zeitn meine Augen zua.“

Ergreifender war selten ein Chorgesang zu hören wie an diesem verregneten Abend auf dem Königsplatz der Gesang eines Publikums, das nach solch wunderbarem Ausklang des Konzerts auch keine Zugaben mehr fordern mochte. Tatsächlich gibt es nämlich solche Lieder, nach denen keine weiteren Lieder mehr folgen dürfen. Lieder, die eine solche Strahlkraft haben, dass jedes darauffolgende Stück nur die vorab geschaffene Stimmung zerstören könnte, ohne freilich im Schatten des Vorgängers eine eigene neue Stimmung wirklich entwickeln zu können.

Der „Volks-Rock'n'Roller“ Gabalier in bester Erlöserpose.Der „Volks-Rock’n’Roller“ Gabalier in bester Erlöserpose. (Foto: Florian Peljak)

Darum ist es nur folgerichtig, dass Gabalier sein Konzert nach weit über zwei Stunden mit eben jenem Abschiedslied beendet, das mit der zuversichtlichen Hoffnung auf ein Wiedersehen schließt. Dem Publikum kann das ohnehin recht sein, weil so ein verregneter Konzertabend trotz aller Partylaune ja auch was Anstrengendes hat. Zwar hat sich weder der Star selbst, noch haben sich viele seiner Fans von einem dunklen, bewölkten Himmel das Recht absprechen lassen, eine Sonnenbrille zu tragen, weil das nun einmal cooler ausschauen soll. Besonders sommerlich ist dann aber trotzdem niemand zumute.

Das hat schon die Vorgruppe zu spüren bekommen, als sie mit dem Spider Murphy Gang-Hit „Sommer in der Stadt“ das Publikum aufmuntern wollte, das zum Teil noch durch Schlamm und Pfützen watend seinen Platz aufsuchte. Angeführt vom Münchner Rock’n’Roll-Sänger Nico Sücker setzte die Vorband ohnehin auffällig stark auf alte Gassenhauer, mit denen sie den Gabalier-Fans auf dem Königsplatz einheizen will. Und tatsächlich singen die Zuschauer begeistert mit, wenn Sücker von Spider Murphys „Schickeria“ über Seiler und Speers „Ham Kummst“ bis hin zu „Fürstenfeld“ von S.T.S. so ziemlich alle Bierzelt-erprobten Schlager zum Besten gibt.

Dass der eigene Song „Ois Basst“ vom Publikum genau so gefeiert wird wie jene altbewährten Stimmungsgaranten, soll dem jungen Sänger Zuspruch genug sein, künftig auch mehr eigene Songs zu wagen. Denn bei aller Qualität, die er samt seiner Band an diesem Abend allen meteorologischen Widrigkeiten trotzend auf der Bühne beweisen kann, erinnert sein Repertoire doch sehr stark an das der Bierzeltkapellen auf dem Oktoberfest. Streng genommen bietet sich der Vergleich auch angesichts der auf dem Königsplatz geltenden Bierpreise an. Umgerechnet sieben Euro für die Halbe kostet nämlich auch das oft als überteuert gescholtene Wiesn-Bier. Auf der Wiesn ist die Musik allerdings im Bierpreis mit enthalten, hier wird der Eintritt zusätzlich berechnet.

Dabei ist das, was auch Gabalier später als mitreißender Entertainer mit all seinem „Hulapalu“ schafft, nichts anderes als eine ausgelassene Bierzeltstimmung. Er nennt es freilich Volks-Rock’n’Roll. Mit dem echten Rock’n’Roll eines Chuck Berry, eines Little Richard und auch eines Elvis Presley hat der allerdings gar nichts gemein!