Collini-Center. In der Mitte das ehemalige Technische Rathaus. Nachdem der Käufer dieser Immobilie diese an die Stadt zurückverkauft hat, weil ihm die Puste für Abriss und Neubau von 3 Wohngebäuden ausging, hat die Stadt jetzt angekündigt, ein anderer (profitorientierter) Investor übernehme den entkernten Bau und werde Studierenden-Appartements hineinbauen – hinter Hotelbauten die profitabelste Art, ein Gebäude zu verwerten. Die Studi-Buden werden ihren Preis haben… (Bild: Kim-Archiv)

„Abriss und Neubau ist billiger als Sanierung“ – dieses Mantra kennen wir zur Genüge. Im August 2021 wurden im Kommunalinfo ein paar Schlaglichter auf diese letztlich doch unwirtschaftliche, v.a. aber auch unökologische Architektur- und städtebauliche Entwicklung geworfen. Inzwischen kommt Hoffnung auf, dass sich dies endlich ändern könnte – vorausgesetzt, die Entscheider:innen von privaten Investitoren bis hin zu den Mandatsträger:innen im Mannheimer Gemeinderat öffnen sich den gar nicht mehr so neuen und längst validierten Ansätzen der Kreislaufwirtschaft im Baugewerbe und im Städtebau. Eine vorzügliche Fachveranstaltung der Geschäftsstelle des Local Green Deal am 3. Juli in der U-Halle erbrachte einen guten Überblick über die Möglichkeiten, hier deutliche Fortschritte zu erzielen.

Gebäudesektor riesiger Emittent

Einleitend wies Kea Vehnekamp, Local Green Deal Managerin Zukunftsfähig Bauen, darauf hin, dass der Gebäudesektor 40% der umweltschädlichen Emissionen verursache und zu 55% am Abfallaufkommen beteiligt sei. Recycling von Bestandsgebäuden durch Umnutzung sowie – im Falle von Entkernung oder Abriss – Recycling des Baumaterials ist somit höchst bedeutsam für die Emissionsverminderung. Und es kann das Bauen und Sanieren deutlich verbilligen. Eine wichtige Perspektive auch für die Erstellung leistbarer Wohnungen.

Flächen- und Immobilienrecycling

Zunächst befasste sich Prof. Stefan Rettich, Uni Kassel, mit den Perspektiven der Umnutzung „obsoleter“ (veralteter), nicht mehr gebrauchter Gebäude und Flächen in Städten. Mit Studierenden hatte er auch in Mannheim Station gemacht und Potenziale für Umnutzungen erfasst. Er konzentriert sich hierbei auf drei grundlegende gesellschaftliche Entwicklungen:

  • Klimawandel und Verkehrswende – Obsoleszenzen der autogerechten Stadt
  • Digitalisierung – Obsoleszenzen von Arbeit und Handel
  • Wandel der Religiösität – Obsoleszenzen von kirchlichen Einrichtungen und Friedhöfen

Beispiel einer Kirchentransformation in die Stadtbibliothek Mühlhausen/Thüringen (Bild: Erwin Meier. Wikipedia)

Für Mannheim definierte er 10 Potenzialräume der Innenentwicklung von Sandhofen bis Neckarau, oft im Zusammenhang mit kleinteiligen Handels- und Gewerbeflächen, aber auch rund um große Bürokomplexe und Parkplätze. Bemerkenswert ist das Projekt „MAKILE: Mannheimer Kirchen und Lebensmittelmärkte“, das mit Unterstützung des Bundesbauministeriums und der Uni Kassel zusammen mit der Stadt Mannheim und der Evangelischen Kirche durchgeführt wurde. Dabei wurden sämtliche Kirchen, auch in Kooperation mit dem katholischen Stadtdekanat, und sämtliche Lebensmittelsupermärkte in Flachbauweise zusammen mit den entsprechenden Handelskonzernen erfasst und diskutiert. In der Paul-Gerhard-Kirche, einer „C-Kirche“, die zur Schließung und Veräußerung vorgesehen ist, wurden alternative Nutzungsmöglichkeiten durchgespielt. Die Trinitatiskirche in den Quadraten dient in diesem Sinne seit Jahren als „Eintanzhaus“.
Die Lebensmittelmärkte sind auf 10 bis 15 Jahre konzipiert, die Zeit bis zur vollständigen Abschreibung. Abriss und Neubau bringen die Abschreibung wieder in Gang. Die Alternative wäre, Mikroareale auf die Läden zu bauen inkl. Wohnungsbau.

Baustoff-Zirkulation

Leimfreie Bauelemente aus Recycling-Bauholz (Bild: TRIQBRIQ AG)

Von der Entwicklung des 100 ha großen Konversionsgeländes Patric-Henry-Village in Heidelberg berichtet Carla Jung-König vom städtischen Baudezernat. Hier geht es um Nachnutzung von Bestandsgebäuden, aber auch um sehr viel Abriss und Neubau, allerdings auf Basis von Rohstoffkreisläufen. Die Gebäude werden hierzu genau vermessen, analysiert  und digitalisiert einschließlich aller Bauteile wir Fenster, Türen, Betonarten, Bauholz und ggf. Backsteinen. Das Verfahren ist sehr aufwändig und somit teuer. Allerdings bietet es die Möglichkeit, Baumaterialien in hohem Maße wieder einzusetzen. Dafür sind zunächst Lagerflächen und exakte Materialbeschreibungen erforderlich, so dass sie gezielt abgerufen werden können. In der Branche spricht man von Urban Mining, der Stadt als Bergwerk bzw. Rohstofflieferant.

Dominik Campananella, CEO der Fa. Concular erläutert, wie zirkuläres Bauen in der Praxis abläuft: Die Firma hat inzwischen 12 Mio. m² Material digitalisiert, und in übersichtlicher Lagerung den überörtlichen Materialien-Markt ermöglicht. 15 Mio. Materialien seien in Neubau und Sanierung wieder eingebracht. Dadurch seien 30% der üblichen Kosten eingespart und 95% CO2 und Abfall erübrigt. Die Fa. hat in Zusammenarbeit mit einer Versicherung ein Gewährleistungssystems für die von ihr gelieferten und teilweise auch eingebauten Waren errichtet und kann so mit Neuware konkurrieren. Sie hat an der Erarbeitung der DIN SPEC 91484 über die Einführung einer verpflichtenden Bauteilesichtung wesentlich mitgearbeitet. Demnächst werde diese DIN zu einer EU-Norm und somit international verpflichtend. Klinker- und Backsteine werden von den Verbundstoffen wie Mörtel befreit, Holzelemente werden überarbeitet und sind wie Neuware einsetzbar. Sie werden z.T. von der Firma Triqbriq weiterverarbeitet zu Systembausteinen, aus denen ganze Häuser errichtet werden können, die ihrerseits wieder vollständig recyclebar sind.

Holzbau

Holzhausbau war auch bei einer weiteren Veranstaltung am 21. Juli in der Multihalle (auf dem Steg, außerhalb der Baustelle) Thema.

Ausrichter war das MULTI_MA – Mannheimer Forum für Baukultur, ein „neues großes öffentliches Format für Baukultur“, welches mit gut 100 Besucher:innen startete. Der erste Teil der Veranstaltung befasste sich mit dem städtebaulichen Vergleich zwischen dem 50 Jahre alten Herzogenried und dem immer noch im Aufbau befindlichen Franklin Village.

Inspiriert durch die Holzgitterbauweise der Multihalle widmete sich der zweite Teil der Veranstaltung, an der auch OB Specht und BM Eisenhauer teilnahmen, der überragenden Qualität von Holz als Baustoff. Es bindet CO2 und erspart die CO2-Emission bei der Zementherstellung, es isoliert gut, bietet die Möglichkeit, große Räume mit freitragenden Decken zu überspannen, eignet sich für modulare und serielle Bauweise und verkürzt die Bauzeit erheblich.

Hauptreferentin war die Stuttgarter Architektin Liza Heilmeyer von Birk Heylmeier Frenzel Architekten, die auf Holzbau spezialisiert sind und schon viele prämierte Projekte erstellt haben. Heilmeyer ging besonders der Frage nach, warum das Bauen mit Holz oder Holz-Hybrid in Deutschland lange Zeit überhaupt kein Thema war. Sie setzte sich in diesem Zusammenhang mit dem Vorurteil auseinander, dass Holzbauten bei Feuerausbruch brandgefährlich seien. Sie legte dar, dass genau das Gegenteil der Fall sei, Holz im Gegensatz zu Stahl bei einem Brand eine viel längere Standzeit habe. Die Trittakustik sei zwar ein gewisses Problem, das aber beherrschbar sei.

Als Bericht aus der Praxis wurden dann noch drei Holzhäuser auf Spinelli vorgestellt, deren eines von der GBG errichtet wurde, die sich lange Zeit nicht mit der Holzbauweise anfreunden konnte. Dass Holzhäuser fast nur auf dem jüngsten Mannheimer Konversionsgelände zu finden sind, spricht für sich. Die ersten zwei neuen Holzhäuser stehen auf Turley: UMbau vom Mietshäusersyndikat (2016) und das Holzhybridhaus Evergreen von Motorlab (2019). Beide sind auch energetisch sehr hochwertig. Es ist kein Wunder, dass die Pionierleistung des dreistöckigen Umbau-Holzhybridhauses von einer ambitionierten selbstverwalteten Gruppe als Nonprofitbau erstellt wurde. Mittlerweile – so Dennis Ewert von der Architektenkammergruppe Mannheim im Einladungsschreiben – habe „die hölzerne Baukultur auch in Mannheim Hochkonjunktur“. Ein deutlicher Beitrag zur Energiewende; denn der Baustoff Holz gilt als klimapositiv.

Thomas Trüper