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Die Autobranche muss wegen des Verbrenner-Verbots für Neuwagen ab 2035 Probleme bewältigen. Bei Mahle sind Zehntausende Arbeitsplätze in Gefahr, warnt CEO Franz.
Berlin – Ab 2035 dürfen in der Europäischen Union keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennermotor mehr zugelassen werden. Gebrauchte Diesel und Benziner sowie der Fahrzeugbestand sind von der Regelung ausgenommen, und auch Ersatzteile für Verbrenner sollen weiterhin verfügbar bleiben. Automobilbauer und -zulieferer wittern wegen des EU-Verbrenner-Verbots in den kommenden Jahren markante ökonomische Probleme, zumal China der europäischen Elektroauto-Industrie längst den Rang abgelaufen hat und seine Vorreiterrolle weiter behauptet.
In der Misere zwischen stockender E-Auto-Produktion und Verbrenner-Verbot im nächsten Jahrzehnt hat die deutsche Automobilbranche schon jetzt mit zahlreichen Widrigkeiten zu kämpfen. Das räumt auch Arnd Franz, Geschäftsführer des Autozulieferers Mahle, ein. Er erklärt, wie der künftige Umstieg auf klimaneutrale Technologien aus seiner Sicht auch wirtschaftlich für die deutsche Autoindustrie funktionieren kann.
Beim Autozulieferer Mahle sind durch das EU-Verbrenner-Verbot ab 2035 20.000 Arbeitsplätze bedroht
Während sich die Autoindustrie noch immer gegen das EU-Verbrenner-Verbot für Neuwagen ab 2035 zu wehren versucht – Porsche-Chef Oliver Blume sagte jüngst etwa, der Stuttgarter Autobauer werde bis „weit in die 2030er Jahre“ in Verbrenner investieren – verweist Mahle-Chef Franz im Gespräch mit der Welt auf weitreichende ökonomische Probleme des EU-Vorhabens. Laut einer Studie des europäischen Automobil-Zuliefererverbands, so Franz, seien durch das Verbrenner-Verbot knapp 280.000 Arbeitsplätze in der Branche bedroht. Knapp 20.000 Stellen davon auch beim Autozulieferer Mahle, der mit rund 67.000 Angestellten zu den größten deutschen Autozuliefern zählt.
Mahle-Geschäftsführer Arnd Franz © picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod
„Unsere ganze Branche hat massiv investiert, und jetzt stehen Fabriken leer“, betont Franz im Interview mit der Welt. Zwar sei E-Mobilität auch für den Autozulieferer Mahle gesetzt, doch zum Teil müsste der Autozulieferer schon jetzt Arbeitsplätze im Bereich der Komponentenfertigung für E-Autos abbauen. „Das ist eine Enttäuschung, aber auch ein Realitätscheck für Europa“, sagt der Mahle-Chef.
Verbrenner-Geschäft Mahles ist „kerngesund“ – doch die Branche steht mit dem Verbot ab 2035 vor doppelter Herausforderung
Hinzu kommt, dass das Geschäft mit Verbrennern beim Autozulieferer „kerngesund“ sei, so Franz gegenüber der Welt weiter. „Wir müssen es allein wegen der Regulierung zurückfahren.“ Beim Autozulieferer sei viel in Elektromobilität investiert worden, der Fokus liegt auf E-Motoren und Ladetechnologien. Aber: „Heute muss die gesamte Branche mit der mangelnden Akzeptanz beim Verbraucher umgehen“, betont Franz.
Eine besondere Hürde sei, dass der Automobilbranche mit dem geplanten Verbrenner-Verbot für Neuwagen ab 2035 gleich eine doppelte Aufgabe ins Haus steht, wie Franz ausführt: „Wir verdienen weiter kein Geld in der batterieelektrischen Welt und müssen zugleich, politisch getrieben, die Reduktion der Verbrenner-Kapazitäten in den nächsten zehn Jahren angehen“, resümiert der Mahle-Geschäftsführer. Europa sei damit auch zu entscheiden gezwungen, ob es „eine seiner Kerntechnologien erhalten oder an andere Märkte abgeben will. Diese Entscheidung werde „maßgeblich“ für Unternehmen wie Mahle sein.
Allein bei Mahle stünden mit dem Verbrenner-Verbot ab 2035 „rund zwei Drittel der 30.000 Arbeitsplätze“ in Europa auf dem Spiel, warnt Franz. Ein weiteres Problem tut sich im Punkt des Bedarfs an Arbeitsplätzen auf, die auf Verbrenner-, beziehungsweise E-Autos abfallen: „Elektromobilität hat, grob gesagt, bei gleicher Stückzahl an Pkw nur ein Fünftel des Arbeitsplatzbedarfs im Vergleich zum Verbrenner“, unterstrich der Mahle-CEO. Das heißt, vier Fünftel unserer Beschäftigten müssten in ganz andere Produktfelder oder Industrien gehen. Das ist nicht realistisch.
Mahle-Geschäftsführer Franz will angesichts des Verbrenner-Verbot mehr „Technologieoffenheit“
Derweil steigt der Druck der deutschen Autoindustrie auf die EU, das geplante Verbrenner-Verbot ab 2035 doch noch anzupassen. Im Juni (6. Juni) forderte der Verband der Automobilindustrie (VDA), der die deutschen Autohersteller vertritt, das Verbrenner-Verbot ab 2035 faktisch aufzuheben. Der VDA argumentierte, die aktuell festgelegten Klimaziele seien „nicht erreichbar“, berichtete etwa Politico. Deshalb sollen die Grenzwerte, die eigentlich 2030 und 2035 gelten, nicht mehr fix sein, sondern dem VDA-Papier zufolge ein zweijähriges „Phase-in“ erhalten, was den Herstellern mehr Zeit gäbe, die Emissionen auf die vorgeschriebenen Werte zu senken.
Zudem will der Verband erreichen, dass auch nach 2035 noch neue Hybride verkauft werden dürfen. Daneben forderte der VDA in seiner Mitteilung, mehr auf klimafreundliche E-Fuels zu setzen und die Rahmenbedingungen ihrer Produktion und Nutzung zu verbessern. Bislang gibt es sie nur in kleinen Mengen und ihre Herstellung ist deutlich teurer als die fossiler Kraftstoffe.
Eine Forderung, die auch Mahle-CEO Franz unterstützt: „Ich plädiere für einen Kurswechsel – hin zu Technologieoffenheit“ Es brauche einen Wettbewerb zwischen Batterie-Autos, Hybriden und Verbrennern, die mit erneuerbaren Kraftstoffen arbeiten, um die technisch und ökonomisch jeweils beste Lösung zu finden, „die auch für den Verbraucher funktioniert“. „Verbote passen nicht zu Europas Interessen und auch nicht zu unseren europäischen Werten“, betont Mahle-Geschäftsführer Franz. (fh)