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Grund zur Freude? Army Specialist Sirena Sanchez (Stabsgefreite) bewacht einen THAAD-Container auf Guam. Das Programm steckt in der Krise, weil die USA im Israel-Iran-Krieg möglicherweise 150 Raketen verpulvert haben – und die fehlen ihnen jetzt. Andererseits denkt US-Präsident Trump in größeren Dimensionen, und die Chinesen haben vielleicht Schlachtpläne an THAAD-Raketen vorbei. © IMAGO/piemags
Etwa zehn Raketen täglich – 130 Millionen US-Dollar. Die Unterstützung Israels belastet die USA finanziell, und gegen China fehlt Trump die Munition.
Washington, D.C. – „Wir sind uns endlich der Notwendigkeit bewusst, in großem Umfang defensive Munition zu beschaffen“, sagt Tom Karako. Das Wall Street Journal (WSJ) zitiert den Analysten des US-Thinktanks Center for Strategic and International Studies (CSIS), weil die Situation als dramatisch eingeschätzt wird. Verschiedenen Medien zufolge hätten die USA unter Präsident Donald Trump im Zuge des Krieges zwischen Israel und dem Iran nahezu ein Viertel ihrer Raketenabwehrwaffen für mittlere Distanzen verpulvert – der Wiederaufbau soll einige Jahre dauern.
Die zwölf Tage an Gefechten im Juni hätten den Vorrat an THAAD-Raketenabfangraketen (Terminal High Altitude Area Defense) reduziert, berichtet beispielsweise der Nachrichtensender CNN. „Dabei wurden Angriffe mit einer Geschwindigkeit vereitelt, die die Produktion bei weitem übersteigt“, schreiben Gianluca Mezzofiore, Tamara Qiblawi und Madalena Araujo – die Autoren „enthüllten damit eine Versorgungslücke“, so der Sender.
Israel-Iran-Konflikt: „Der Krieg offenbarte eine alarmierende Versorgungslücke in den USA“
Offenbar ist diese Formulierung zutreffend. Auf Basis einer Studie spricht ein aktueller Bericht an den US-Kongress davon, dass im Israel-Iran-Konflikt 92 von insgesamt 632 THAAD-Raketen verfeuert worden waren. Anders als das die Studie veröffentlichende Jewish Institute for National Security of America spricht CNN von mindestens 100 bis zu 150 abgeschossenen Raketen, das Wall Street Journal geht von 150 Raketen aus. „Israelische Regierungsvertreter würdigten zwar die Rettung Tausender Menschenleben durch die amerikanischen Systeme, doch der Krieg offenbarte eine alarmierende Versorgungslücke in den USA“, schreiben Shelby Holliday, Anat Peled und Drew Fitz Gerald für das WSJ.
US-Schutzschirm: Terminal High Altitude Area Defense
„Eine THAAD-Batterie besteht aus 90 Soldaten, sechs auf Lastkraftwagen montierten Werfern, 48 Abfangraketen (acht pro Werfer), einem transportablen Radarüberwachungs- und -steuerungsradar für Armee und Marine sowie einer Komponente für taktische Feuerkontrolle und Kommunikation. THAAD bietet den Kommandanten schnell einsetzbare Fähigkeiten gegen ballistische Raketen kurzer (bis zu 1.000 Kilometer), mittlerer (1.000–3.000 Kilometer) und begrenzter mittlerer Reichweite (3.000–5.000 Kilometer) Reichweite innerhalb oder außerhalb der Atmosphäre während ihrer letzten (terminalen) Flugphase.“
Quelle: Andrew Feickert, Library of Congress
Erschreckend daran ist, dass das THAAD-System als „Schlüsselelement der US-amerikanischen ballistischen Raketenabwehr gilt“, so Andrew Feickert in einem aktuellen Bericht an den US-Kongress. Demzufolge verfüge die US-Armee über acht THAAD-Batterien, die jüngste ist erst im Juni 2025 in Dienst gestellt worden; jeweils eine Batterie ist auf Guam stationiert und in Südkorea. 2023 hatte die US-Regierung beschlossen, Israels Sicherheitsinteressen mit der Abkommandierung einer THAAD-Batterie entgegenzukommen – das hat offenbar seinen Preis gefordert. 12,7 Millionen US-Dollar soll eine SM-3-Abfangrakete für das THAAD-System kosten.
USA-Militärs alarmiert: „Besorgt über die Zahl der verbleibenden SM-3 für den High-End-Kampf“
Das Jewish Institute for National Security of America mutmaßt, dass das Auffüllen der durch den Krieg zwischen Israel und Iran gerissenen Lücke im Munitionsbestand drei bis acht Jahren dauern könnte – das ist auch das Ergebnis, dass Andrew Feickert in seinem Bericht an den US-Kongress weitergegeben hat. Wie das Wall Street Journal bereits im Juni berichtet hatte, war den US-Militärs die Intensität des israelischen Raketenfeuers während der Kämpfe suspekt. „Die für den Konflikt im Nahen Osten umgeleiteten Lieferungen gehen zu Lasten derjenigen, die im Falle eines größeren Konflikts mit China zur Verfügung stehen“, schrieb Shelby Holliday für das WSJ.
„Gott bewahre, dass es beispielsweise zu einem Konflikt im Pazifik kommt. Dann würde dies unsere Raketenkapazität und die Fähigkeit unseres Militärs, über die nötige Munition zu verfügen, um mithalten zu können, enorm belasten.“
„Wir sind besorgt über die Zahl der verbleibenden SM-3 für den High-End-Kampf. Bei diesem Operationstempo werden die SM-3 langsam knapp, was die Reserven für den nächsten kinetischen Kampf schmälert“, zitiert das Blatt einen zu der Zeit im Nahen Osten operierenden US-Offizier. Wie CNN berichtet, soll die Deckungslücke im Munitionsdepot der US-Armee aber im kommenden Jahr zu stopfen begonnen werden; das sei ersichtlich an den Haushaltsvorschlägen des US-Verteidigungsministeriums für das kommende Jahr, so der Sender. Demnach wolle das Pentagon 37 THAAD-Abfangraketen bestellen. Laut CNN sei dafür aber zumindest teilweise eine Ergänzung zum bisherigen Verteidigungshaushalt notwendig.
CNN zitierte eine Quelle aus dem Pentagon, nach der der Haushalt zusätzliche 1,3 Milliarden US-Dollar vorsähe „für die Verbesserung der industriellen Lieferkette und weitere 2,5 Milliarden Dollar für den Ausbau der Raketen- und Munitionsproduktion“. „Die Aufgabe des Ministeriums besteht darin, sicherzustellen, dass der Präsident für jedes Szenario über die bestmöglichen militärischen Optionen verfügt – und alle Optionen auf dem Tisch bleiben“, soll die Quelle weiter geäußert haben. Das klingt danach, dass noch unsicher sei, ob die zusätzlichen Mittel für die Raketenabwehr nachgeschossen würden.
Trumps Iron-Dome-Pläne: Abwehr gegen „gleichrangige, nahezu gleichrangige und Schurkenstaaten“
US-Präsident Donald Trump plane im Verteidigungshaushalt des kommenden Jahres eine Gehaltserhöhung für Soldaten ein „sowie mehr Hightech-Raketen und Drohnen“, berichtete kürzlich Reuters; gleichzeitig wolle er der Marine weniger Schiffe kaufen sowie grundsätzlich weniger Kampfjets – das gehe aus veröffentlichten Haushaltsunterlagen hervor, so die Nachrichtenagentur. Allerdings hatte der 47. Präsident der USA Anfang des Jahres, zu Beginn seiner zweiten Amtszeit auch angekündigt, nicht kleckern sondern klotzen zu wollen: mit der Entwicklung eines „Iron Dome for America“.
Laut einer Erklärung aus dem Weißen Haus bedeutet das den Aufbau eines Raketenabwehr- und Luftabwehrsystem für die USA „gegen ballistische, Hyperschall- und moderne Marschflugkörper sowie andere Luftangriffe der nächsten Generation durch gleichrangige, nahezu gleichrangige und Schurkenstaaten“ – vermutlich also Russland, China und Nordkorea. Trump hat ausdrücklich Bezug genommen auf die Pläne des 40. US-Präsidenten Ronald Reagan, der eine Raketenabwehr sogar im Weltall implementieren wollte. Das Programm weise jedoch „einige gravierende technologische und politische Mängel auf“, urteilte Ende Februar das Bulletin of the American Scientists.
Die Autoren Stephen J. Cimbala und Lawrence J. Korb argumentierten gegen die „umfassenden“ Pläne deutlich: „Selbst wenn sie technisch machbar und erschwinglich wären, würden diese futuristischen strategischen Verteidigungsmaßnahmen die Abschreckungsstabilität beeinträchtigen, unter anderem durch die Erstschlagfähigkeit und das Wettrüsten.“ Anders ausgedrückt: Je kleiner die USA die Maschen ihrer Raketenabwehr stricken könnten, desto dringlicher würde der Bedarf dessen werden; eine nahezu lückenlose Raketenabwehr könnte China kaum dulden.
Gegen China beinahe wehrlos: „Gott bewahre, dass es beispielsweise zu einem Konflikt im Pazifik kommt“
Allerdings scheint jetzt schon in der US-amerikanischen Verteidigungsphilosophie ein Fehler im System zu bestehen, wie der Ukraine-Krieg glasklar darlegt – und wie auch die aktuelle „Fähigkeitslücke“ der USA unterstreicht: „Die moderne Kriegsführung zeigt, dass der Einsatz teurer Waffen gegen billige und massenproduzierte Drohnen und Marschflugkörper eine Sackgasse ist“, schrieb der Defense Express bereits im April 2024. Das Magazin spielte an auf die West-Doktrin, die teuersten Wirkmittel zuerst einzusetzen – einfach aufgrund der Tatsache, dass die Waffen vorhanden seien. Allerdings währt der Ukraine-Krieg seit Februar 2022; keine Armee der Welt hat damit gerechnet, dass ein Landkrieg in ein viertes Jahr hineinreichen kann, ohne dass ein Ende beziehungsweise die Erschöpfung der Mittel abzusehen wäre.
Von Trump bis Washington: alle US-Präsidenten in der ÜbersichtFotostrecke ansehen
Wenn ein Land wie der Iran einen Gegner zwingt, umgerechnet zehn millionenschwere Raketen pro Tag abzufeuern, also 130 Millionen US-Dollar auszugeben, ohne dass ein Krieg als befriedet anzusehen ist, wie hoch müsste Trump rüsten, um China ernsthaft abzuschrecken? Laut CNN sind sich Analysten und Militärs einig: Die USA sind einem länger dauernden Krieg kaum gewachsen – ein Trend, den auch Trumps Vorgänger Joe Biden mitverschuldet hat, wie ein ehemaliger hochrangiger Pentagon-Verantwortlicher unter dem demokratischen Präsidenten gegenüber CNN äußert:
„Gott bewahre, dass es beispielsweise zu einem Konflikt im Pazifik kommt. Dann würde dies unsere Raketenkapazität und die Fähigkeit unseres Militärs, über die nötige Munition zu verfügen, um mithalten zu können, enorm belasten.“