Das ARD-„Sommerinterview“ mit Grünen-Chef Felix Banaszak ist offenbar unerwartet vorgezogen worden. Darüber berichten mehrere Medien unter Berufung auf die Nachrichtenagentur dts.

Für die für Sonntagnachmittag angesetzte Ausgabe mit Banaszak hatte der Pro-Atomkraft-Verein „Nuklearia“ eine Demonstration mit sechs Personen angemeldet: „Wir protestieren für die Wiedereinführung der Kernkraft in Deutschland aus Gründen des Umweltschutzes und der sicheren, günstigen Energieversorgung“, hieß es im Demo-Aufruf. Gegenüber WELT versicherte ein Sprecher des Vereins, dass keine akustische Störung mit Lautsprechern oder Megaphonen geplant sei. Allerdings sei das Ziel, Demo-Transparente „im Blickwinkel der Fernsehkameras“ zu platzieren.

Daraus wurde offenbar nichts. Wie ein Reporter der dts berichtet, seien am Reichstagsgebäude keine Demonstranten zu sehen gewesen.

Zuvor hatte das ARD-„Sommerinterview“ mit Alice Weidel Schlagzeilen gemacht: Eine Gruppe politischer Aktivisten namens „Zentrum für Politische Schönheit“ parkte vor rund zwei Wochen einen Lautsprecher-Bus vor der Terrasse des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses am Bundestags. Infolgedessen konnten Weidel und Moderator Markus Preiß während der Aufzeichnungen zeitweise ihr eigenes Wort nicht verstehen, es entstand ein chaotischer Eindruck. Von Politikern verschiedener Parteien und mehreren Medien gab es scharfe Kritik an der Sendung.

Gegenüber WELT teilte die ARD vor einigen Tagen mit, dass man infolge des Weidel-Interviews am 20. Juli das Sicherheitskonzept überprüft habe. Man bitte um Verständnis, „dass wir aus Sicherheitsgründen nicht weiter ins Detail gehen.“

„Aufzeichnung variiert von Gast zu Gast“

WELT fragte am frühen Sonntagnachmittag bei der ARD nach, ob die Aufzeichnung vorverlegt worden war. Eine Sprecherin teilte mit: „Die jeweilige Aufzeichnungszeit der Interviews variiert, wie in den vergangenen Jahren auch, von Gast zu Gast. Es gab nach Bekanntwerden der angemeldeten Versammlungen keine Änderung der geplanten Aufzeichnungszeit des Sommerinterviews am 3.8.“

Der „Spiegel“ berichtet, dass die ARD nicht von einer bewussten Täuschung der angekündigten Demonstranten sprechen möchte.

In dem Interview machte Banaszak der schwarz-roten Bundesregierung schwere Vorwürfe wegen ihrer Haushaltspolitik. Die Opposition müsse einer Regierung ermöglichen, erfolgreich zu regieren, räumte er zwar ein. Die Grünen hatten dem milliardenschweren Sondervermögen für mehr Investitionen und Klimaschutz zugestimmt.

Aber: „Ich kritisiere in aller Härte, mit welchen Tricksereien und Täuschungen Lars Klingbeil und Friedrich Merz jetzt diese Chance nutzen“, sagte Banaszak über Finanzminister und Kanzler. Klingbeil versuche, jedes Schlupfloch zu nutzen, um das Geld nicht in Investitionen, vor allem nicht in Klimaschutz zu stecken. Er sprach von Wortbruch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern.

Grünen-Chef zum Klimaschutz: Nicht „cool“, „irgendwo Letzter zu sein“

Banaszak stellte sich jenseits des Sommerinterviews auch Fragen, die Nutzer auf Social-Media-Portalen an ihn formuliert hatten und die ihm ARD-Moderatoren stellten. Dabei machte er sich für Klimaschutz in Deutschland stark, obwohl die Bundesrepublik nur für einen kleinen Teil der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich ist. Darauf hatte auch Merz im Bundestag hingewiesen und die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit betont.

Deutschland sei nur ein kleiner Teil der Welt, räumte Banaszak ein, aber die drittstärkste Industrienation. „Und ich verstehe gar nicht, seit wann es cool sein soll, irgendwo Letzter zu sein. Überall wollen wir doch nach vorne gehen.“

Ein Nutzer erinnerte an ein älteres Zitat aus einem Buch von Robert Habeck, wonach dieser Vaterlandsliebe „zum Kotzen“ fand und fragte Banaszak: „Haben Sie auch ein Problem mit dem Vaterland?“

Der Grünen-Co-Chef entgegnete: „Was soll ich dazu sagen? Ich liebe erst mal meine Frau und meine Tochter und das über alle Maßen. Und ich möchte, dass Deutschland ein Land ist, in dem sich alle Menschen wohlfühlen, das für alle Menschen eine Heimat ist.“

Auf Nachfrage erklärte Banaszak: „Ich liebe Duisburg. Ich liebe mein konkretes Umfeld.“ Er habe ein gutes Verhältnis zu Deutschland. „Ich kann mit dem Begriff Liebe für so etwas Abstraktes… Aber das soll jeder für sich entscheiden.“ Das sei kein Politikum.

Auf die Frage, was er an Deutschland nicht möge, sagte Banaszak: „Ich würde mir manchmal wünschen, dass wir in Deutschland rauskommen aus dieser Kollektivdepression und aus diesem Modus, überall nur das Schlechte und das Problem zu sehen.“ Es brauche mehr Mut, Zuversicht und Solidarität statt bei einem Problem direkt nach einem möglichen Verantwortlichen zu suchen.