Herr Ferber, Russlands Attacken auf die Ukraine werden immer heftiger. Wie kann Europa Putin besser unter Druck setzen? Müssen die Sanktionen verschärft werden?

Markus Ferber: Die EU hat Russland schon reichlich mit Sanktionen belegt. Wir haben das Umfeld von Putin in der Weise sanktioniert, dass dessen Unterstützer nicht an ihre Vermögenswerte herankommen. Wir erschweren den einflussreichen Russen das Reisen. Wir machen es solchen Oligarchen schwer, ihre Kinder an unseren Universitäten studieren zu lassen. Wir haben den Kauf russischer Rohstoffe durch EU-Länder eingegrenzt und hier noch einmal nachgelegt. Wir haben Russland vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten. Und wir haben hohe Hürden für den Zugang Russlands zu Halbleitern aus der EU aufgebaut, damit diese nicht in Rüstungsgüter eingebaut werden. 

Doch all das reicht nicht, um Putin zu bremsen.

Ferber: Ich weiß nicht, wie die EU Russland noch stärker sanktionieren könnte. Wir machen Russland das Leben schwer. Und wir verwenden derzeit die Zinsgewinne der beschlagnahmten Vermögen, um die Ukraine zu unterstützen. Die meisten Ukraine-Hilfspakete zahlen nicht die europäischen Steuerzahler, sondern sie speisen sich aus den Zinserträgen beschlagnahmter russischer Vermögen. 

Wie hoch sind diese eingefrorenen russischen Vermögen insgesamt?  Nach Schätzungen sollen es 300 Milliarden Euro und mehr sein.

Ferber: Das ist ein großes Geheimnis. Es lässt sich zumindest erahnen, wie hoch dieses Vermögen sein muss, schließlich wurde das letzte EU-Hilfspaket für die Ukraine von bis zu 50 Milliarden Euro ausschließlich über Zinserträge aus mehreren Jahren auf beschlagnahmte russische Vermögen gestemmt. Neben Bar-Vermögen haben wir etwa Immobilien russischer Oligarchen beschlagnahmt. Diese Vermögen lassen sich kaum realistisch bewerten, weil sich Villen von Oligarchen etwa am Tegernsee schwer verkaufen lassen. Da gibt es rechtliche Hürden.

Auch größere Mengen russischen Goldes sollen im Westen beschlagnahmt worden sein. Was passiert damit?

Ferber: Putin hat 2014 bei der Annexion der Krim viel Gold nach Russland zurückgeholt. Er war überrascht, dass wir es nicht eingefroren haben. Im Zuge des Ukraine-Kriegs hat Putin kein Gold nach Russland geschafft. So konnten wir die Hälfte des Goldbestands der russischen Notenbank durch Sanktionen für Russland nicht mehr zugänglich machen.

Der Europaabgeordnete Markus Ferber hält den Zoll-Kompromiss der EU mit den USA für gerade noch akzeptabel. Der CSU-Politiker fordert jetzt, dass Deutschland eine Digitalsteuer für US-Tech-Konzerne einführen soll.

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Der Europaabgeordnete Markus Ferber hält den Zoll-Kompromiss der EU mit den USA für gerade noch akzeptabel. Der CSU-Politiker fordert jetzt, dass Deutschland eine Digitalsteuer für US-Tech-Konzerne einführen soll.
Foto: Ulrich Wagner

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Der Europaabgeordnete Markus Ferber hält den Zoll-Kompromiss der EU mit den USA für gerade noch akzeptabel. Der CSU-Politiker fordert jetzt, dass Deutschland eine Digitalsteuer für US-Tech-Konzerne einführen soll.
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Wie viel wert ist dieses Geld und wo liegt es? Von einem dreistelligen Millionenbetrag ist die Rede.

Ferber: Dieses Russen-Gold liegt in Europa, auch in Deutschland und in den USA. Der Wert des Goldes ist unklar. Studien zufolge könnten wir das russische Gold verkaufen. Bisher hat sich keiner an das Thema herangetraut. Im amerikanischen Senat gibt es eine starke Bewegung für den Verkauf des Goldes. Ich tausche mich mit diesen US-Senatoren aus. Ich habe im Europa-Parlament eine Initiative dazu gestartet. Ich bin fest davon überzeugt: Wir werden den Wiederaufbau der Ukraine auch mit russischem Gold finanzieren.

Wenn die USA nichts bezahlen müssen, ist Trump sicher auf ihrer Seite. Wie beurteilen Sie eigentlich den Zoll-Deal der EU mit Trump?

Ferber: Das Ergebnis des Deals ist durchwachsen wie das aktuelle Wetter in Süddeutschland. Einerseits haben die Unternehmen Planungssicherheit gewonnen, andererseits schneiden die Briten mit einem Zollsatz von zehn Prozent für Ausfuhren in die USA besser ab als die Europäische Union mit 15 Prozent. Das wirft Fragen auf.

Etwa Fragen nach den Verhandlungs-Qualitäten von EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen. Es hagelte Kritik an ihr.

Ferber: Bei der Bewertung des Zoll-Deals mit Trump muss man fair bleiben und berücksichtigen, dass die USA das Sicherheits-Versprechen gegenüber Europa aufrechterhalten. Damit bleibt der durch Amerika garantierte atomare Schutz gegenüber Russland gesichert. Bei Abwägung aller Argumente komme ich zum Schluss: Der Abschluss ist gerade noch akzeptabel. 

Hat Trump also gedroht, Europa nicht mehr in dem Maße zu schützen? Hat er sich so bei dem Zoll-Deal durchgesetzt?

Ferber: Trump hat die Schwächen Europas im Verteidigungsbereich erkannt und den Finger in die Wunde gelegt. Klar ist: Ohne Waffensysteme aus den USA lässt sich die Ukraine gegen Russland nicht verteidigen. Die Sicherheit Europas hängt von den entsprechenden militärischen Garantien der USA ab. Und Trump hat erkannt, dass die Europäische Union zwar ein großer Markt ist, aber einzelne Staats- und Regierungschefs die Interessen ihrer Länder im Zoll-Streit einzeln vertreten haben.

Woran machen Sie das fest?

Ferber: Trump spielte es in die Karten, dass etwa der französische Staats-Präsident Macron seinen Weg geht, was Landwirtschaft und Wein betrifft. Und die Italiener haben ihre Positionen in Bezug auf Lederwaren und Bekleidung deutlich gemacht. Deutschland wiederum verwies auf die Belange der heimischen Auto- und Pharmabranche. Das hat Trump geschickt ausgenutzt. Die EU ist nicht so geschlossen aufgetreten, wie das in der Öffentlichkeit vermittelt wurde. 

Werden also keine Zölle auf Wein und Käse, die in die USA exportiert werden, erhoben? Hat sich Frankreich durchgesetzt?

Ferber: Das ist alles noch nicht klar. Es stehen noch Detail-Verhandlungen an. Grundsätzlich wurden Sonderregelungen für Agrarprodukte vereinbart. Mich ärgert jedoch, dass nur die Handelsbilanzüberschüsse der EU und hier vor allem Deutschlands bei dem Deal eine Rolle spielten. Doch die Dienstleistungsüberschüsse der USA, also die Exporte von Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet, Apple & Co. nach Europa, spielten keine Rolle. Hier hat die EU-Kommission nicht hart genug verhandelt. Ich empfehle der Bundesregierung deswegen, über eine nationale Digitalsteuer nachzudenken.

Soll Berlin also US-Tech-Konzerne in Deutschland besteuern?

Ferber: Das sollte die Bundesregierung tun, um die hohen Gewinne der amerikanischen Tech-Riesen zumindest auf heimischer Ebene abzuschöpfen. Auf europäischer Ebene geht leider nichts voran. Deutschland sollte das Schwert einer Digitalsteuer gegenüber den USA jetzt ziehen.

Mit welcher Begründung?

Ferber: Wenn US-Tech-Riesen bei uns Gewinne erzielen, können sie nicht weiter wie jetzt steuerfrei gestellt werden. Sonst werden sie gegenüber Besitzern von Fabriken weiter begünstigt. Übrigens haben die USA-Freunde Ungarn und Italien, ja selbst Frankreich bereits eine solche Digitalsteuer gegenüber den amerikanischen Tech-Unternehmen eingeführt. Ich war unlängst in den USA und habe auch amerikanische Tech-Riesen besucht. Dort versteht man nur eine Sprache.

Welche denn?

Ferber: Die Sprache der Stärke. Und über diese Sprache verfügte die EU bei den Verhandlungen mit Trump in Schottland leider nicht. 

Warum hat von der Leyen Trump nicht gedroht, seinen Unterstützern aus dem Tech-Bereich auf die Füße zu treten?

Ferber: Das verwundert mich auch. Europa könnte die gleiche Rechnung gegenüber Trump aufstellen und den zu hohen Außenhandels-Überschuss der Amerikaner im Dienstleistungsbereich beklagen. Dass die EU dieses Schwert gegenüber den USA nicht genutzt hat, zeigt, dass die Verhandlungsposition der Kommission nicht stark war. 

Was können die Verantwortlichen nach dem problematischen Deal mit Trump jetzt tun, außer sich die Wunden zu lecken?

Ferber: Europa sollte den eigenen Binnenmarkt, den größten der Welt, mit rund 450 Millionen Einwohnern, in Ordnung bringen.

Was bringt das? 

Ferber: Nach einer Studie des Internationalen Währungsfonds gibt es in der EU Handelshemmnisse zwischen den Staaten, die wie Zölle in Höhe von 40 Prozent auf die Länder wirken. Demnach wirken die Barrieren im Kapitalverkehr wie Zölle von sogar 104 Prozent. Im Dienstleistungsbereich sind das 110 Prozent. Europa schwächt sich selbst mehr, als das jetzt durch die US-Zölle geschieht. Europa muss den eigenen Laden in Ordnung bringen. Das schafft mehr Wachstum als demütigende Verhandlungen mit den USA. 

Markus Ferber, 60, gehört seit 1994 dem Europäischen Parlament an. Der CSU-Politiker ist wirtschaftspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Ferber ist zudem Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung. Von 2005 bis 2023 war er Bezirksvorsitzender der CSU Schwaben. Ferber hat Elektrotechnik an der Technischen Universität München studiert und ist Diplom-Ingenieur.

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