Berlin – Die Geschichte klingt wie das Drehbuch eines modernen Spionagekrimis. Ein US-Amerikaner lebt zwei Jahre lang in einem polnischen Dorf, engagiert sich in der Kirchengemeinde, bis er plötzlich spurlos verschwindet.

▶︎ Später stellt sich heraus: Er ist Spion im Dienste von Kreml-Tyrann Wladimir Putin (72)!

Daniel Martindale taucht erstmals während der Pandemie im polnischen Dorf Palowice auf. Die örtliche Gemeinde gibt ihm eine Unterkunft, er hilft im Gegenzug in der Gemeinde aus. Schnell spricht er fließend Polnisch.

„Daniel war vielseitig begabt und immer als Erster zur Stelle, wenn Hilfe gebraucht wurde“, berichten Dorfbewohner gegenüber der polnischen Zeitung „Onet“ (gehört wie BILD zu Axel Springer), die zuerst über den Fall berichtete.

Er wohnte im Haus einer geflüchteten Familie

Zwei Jahre lang lebt Martindale, der sich als Missionar bezeichnet, in dem Dorf. Bis Anfang 2022. Grzegorz Rzyczniok, Ältester der Gemeinde in Palowice, erzählt: „Die erste Warnlampe ging an, als er plötzlich unsere Gemeinde verließ. Das war am 10. Februar. Er reiste genau zwei Wochen vor Kriegsausbruch (in der Ukraine, d. Red.) ab.“

Mit dem Fahrrad macht Martindale sich auf den Weg in die Ukraine, gut 1300 Kilometer. In der Ostukraine angekommen, beschlagnahmt er in einem Dorf das verlassene Haus einer geflüchteten Familie. Seiner Gemeinde in Polen schickt er Fotos, wie er Häuser renoviert und auf Bauernhöfen hilft.

Die Kontakte in die polnische Kirchengemeinde nutzt Martindale in der Ukraine auch als Alibi gegenüber der dortigen Polizei und Armee. Über Telegram teilt er da schon heimlich Standorte von ukrainischen Militärposten. Im Gegenzug bekommt er von der russischen Armee via Drohnenlieferung neue Handys geschickt.

Mehr zum ThemaAls Belohnung bekam er den Russen-Pass

„Er ist angeblich hingefahren, um den vom Krieg betroffenen Menschen zu helfen, und hat stattdessen zu ihrer Ermordung beigetragen“, sagt Grzegorz Rzyczniok aus Palowice.

Ein anderes Kirchenmitglied berichtet, dass Martindale viel gelaufen sei und dies auch in sozialen Medien teilte, u. a. auf der Plattform „Strava“ – später fand die Gemeinde heraus, dass er auf diese Weise den russischen Diensten die Standorte von Gebäuden und strategischen Zielen in der Ukraine mitgeteilt habe.

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Ein ukrainischer YouTube-Kanal wird später herausfinden: Der treueste Beobachter von Martindales Laufrouten war ein Hauptmann beim russischen Militärgeheimdienst GRU.

Im Herbst 2024 wird Martindale mithilfe von russischen Spezialkräften nach Moskau gebracht. Dort gibt er sich im November 2024 auf einer Pressekonferenz als Spion zu erkennen und bittet um die russische Staatsbürgerschaft – mit Erfolg. Am 15. Juli bekommt er in einer im Fernsehen übertragenen Zeremonie seinen neuen Pass überreicht.

Denis Pushilin, Russlands Militärchef im besetzten Donezk, lobt Martindale bei der Übergabe. Der Amerikaner habe „mit seiner Loyalität und seinen Taten längst bewiesen, dass er einer von uns ist.“

Am 15. Juli 2025 bekommt Martindale den russischen Pass verliehen

Am 15. Juli 2025 bekommt Martindale von Denis Pushilin den russischen Pass verliehen

Foto: Denis Pushilin via Telegram/via REUTERS