Die Rolle von SLC13A5 in der neuronalen Homöostase
Citrat ist ein zentraler Metabolit im Energiestoffwechsel und erfüllt darüber hinaus regulatorische Funktionen in der Zellkommunikation. Im zentralen Nervensystem ist Citrat nicht nur als Metabolit von Bedeutung, sondern auch als Neuromodulator. Der Citrattransporter SLC13A5, ein Natrium/Citrat-Symporter der SLC13-Familie, spielt dabei eine Schlüsselrolle: Er reguliert die zelluläre Aufnahme von Citrat und beeinflusst dadurch die neuronale Erregbarkeit.
Die SLC13A5-Citrattransporter-Defizienz
Mutationen im SLC13A5-Gen führen zur sogenannten SLC13A5-Citrattransporter-Defizienz, einer autosomal-rezessiv vererbten Form der frühkindlichen epileptischen Enzephalopathie. Die klinischen Merkmale umfassen therapieresistente neonatal Anfälle und kognitive Beeinträchtigungen. Trotz zunehmender Gendiagnostik ist der funktionelle Einfluss zahlreicher Gen-Varianten weiterhin unklar – insbesondere bei Varianten ungewisser Signifikanz (VUS).
Studie erfasst Einzelmutationen im SLC13A5-Protein
Die vorliegende Studie zielte darauf ab, die funktionelle Bedeutung nahezu aller möglichen Einzelmutationen im SLC13A5-Protein systematisch zu erfassen. Hierzu wurde ein Deep Mutational Scanning (DMS) durchgeführt, mit dem über 9.700 von theoretisch 10.773 Einzelaminosäurevarianten experimentell untersucht wurden. Darüber hinaus wurden 38 klinisch relevante oder repräsentative Varianten gezielt experimentell validiert.
Die Forscher wollten damit herausfinden, welche Effekte die unterschiedlichen genetischen Mutationen auf die Funktionsweise des SLC13A5-Transportproteins haben. Die Studie wurde im renommierten Fachjournal „Science Advances“ publiziert.
Klassifikation verschiedener Mutationen des SLC13A5-Proteins
Die funktionellen Scores zeigten eine bimodale Verteilung mit klarer Trennung in neutrale und schädliche Varianten der Mutationen. Etwa 35 % aller Varianten wurden als funktionell beeinträchtigend klassifiziert. Pathogene Varianten aus Datenbanken wie ClinVar zeigten signifikant höhere Wahrscheinlichkeiten für Funktionseinschränkungen.
Ätiopathogenese der epileptischen Enzephalopathie auf molekularer Ebene
Die Forscher identifizierten zwei Hauptursachen für Funktionsverluste des SLC13A5-Proteins:
- SLC13A5-Protein in der falschen Lokalisation: Zwölf der validierten Varianten zeigten, dass das Protein sich im endoplasmatischen Retikulum statt an der Plasmamembran befindet.
- Defekter Citrattransport trotz korrekter Lokalisation: Zehn Varianten führten trotz korrekter Membranlokalisation zu keiner Citrataufnahme. Diese Mutationen betrafen meist Regionen nahe der Substrat- oder Ionenbindungsstellen.
Validierung der Ergebnisse durch klinische und populationsgenetische Daten
Die Ergebnisse des DMS korrelierten signifikant mit erhöhten Citratkonzentrationen im Plasma von UK-Biobank-Probanden mit entsprechenden Mutationen. Auch der Abgleich mit bioinformatischen Prädiktionstools bestätigte die hohe Aussagekraft des DMS-Scores.
Neue Impulse für die genetische Diagnostik neurologischer Erkrankungen
Die Studie liefert eine umfassende funktionelle Kartierung des SLC13A5-Proteins und schafft die Grundlage für eine differenzierte Bewertung bislang unklassifizierter Varianten. Dies ist von hoher Relevanz für die genetische Diagnostik von Epilepsien und anderen neurologischen Erkrankungen.
Damit stellt die Arbeit von Wang et al. einen bedeutenden Schritt in der funktionellen Genetik des Citrattransporters SLC13A5 dar. Durch die Kombination modernster Forschungsmethoden gelingt es, pathogene Varianten mit hoher Präzision zu identifizieren.
Bedeutung genetischer Varianten bei epileptischer Enzephalopathie und anderen seltenen Erkrankungen
„Unsere Arbeit zeigt, wie entscheidend es ist, die Wirkung genetischer Varianten systematisch zu untersuchen. Gerade bei seltenen Erkrankungen wie der SLC13A5-Citrattransporter-Defizienz, einer spezifischen Form der Epilepsie, hilft uns dieser Ansatz, molekulare Krankheitsmechanismen aufzudecken“, betont Studienleiter Giulio Superti-Furga vom CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in einer Pressemeldung.
Die aktuelle Studie stellt eine wertvolle Ressource für die klinische Genetik sowie neue Impulse für die Erforschung zellulärer Transportmechanismen im zentralen Nervensystem dar.