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TNT, oder Trinitrotoluol, wurde erstmals Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland entwickelt. Es wurde ursprünglich als gelber Farbstoff hergestellt und erst 30 Jahre nach seiner Erfindung wurden seine explosiven Eigenschaften entdeckt. 

Heute ist es der am häufigsten verwendete militärische Sprengstoff. Und nach Jahren unzureichender Investitionen und einer steigenden Nachfrage aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine ist es in Europa knapp geworden.

Die souveräne Verteidigung ist derzeit ein heißes Thema, da die EU Milliarden von Euro bereitstellt, um die militärischen Kapazitäten der Union zu erhöhen. 

Einige Studien legen nahe, dass Russlands Produktionskapazität für Munition der europäischen im Verhältnis 4:1 überlegen ist – andere schätzen das Verhältnis sogar auf 6:1. Und obwohl Europa einige Munitionsriesen wie Rheinmetall, BAE und KNDS beheimatet, stellen diese kein eigenes TNT her. 

In dieser Folge von The Big Question sprach Joakim Sjöblom, der CEO und Mitbegründer von Sweden Ballistics (SWEBAL), mit Mared Gwyn Jones von Euronews über den Ausbau der europäischen TNT-Produktionskapazitäten sowie die damit verbundenen wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Vorteile.

Wird in Europa TNT produziert?

Derzeit gibt es in Europa nur einen TNT-Hersteller, nämlich Nitro-Chem mit Sitz in Polen, und ein Großteil der dortigen Produktion wird aus der EU exportiert. Im April 2025 unterzeichnete Nitro-Chem einen Deal im Wert von 310 Millionen Dollar ((etwa 270 Millionen Euro) zur Lieferung von 18.000 Tonnen TNT über einen Zeitraum von drei Jahren, die für das US-Militär bestimmt sind.

Schätzungen zufolge verfügt Russland über einen jährlichen Bestand von 4,5 bis 5 Millionen Artilleriegranaten, von denen etwa 2 Millionen vom Verbündeten Nordkorea stammen. Die europäische Produktion wurde für das Jahr 2023 auf 600.000 Stück geschätzt, und zusammen mit den USA wurde die Produktion für 2024 auf 1,2 Millionen Stück geschätzt. Die Abschreckungsphilosophie der NATO basiert auf der Idee, dass die Wahrscheinlichkeit eines Konflikts deutlich sinkt, wenn beide Seiten gleich stark bewaffnet sind. In jedem Artilleriegeschoss befinden sich etwa 10 kg TNT. Um eine vergleichbare Menge wie Russland zu produzieren, bräuchte Europa demnach eine Versorgung von etwa 50.000 Tonnen TNT.

Obwohl Nitro-Chem eine große Menge TNT für Europa herstellt, ist die Versorgung derzeit nicht ausreichend, und die Union ist in hohem Maße auf asiatische Hersteller angewiesen. Joakim fürchtet die Folgen der Abhängigkeit von externen Herstellern und nur einem lokalen Hersteller.

 „Wenn wir nur mal auf die COVID-Pandemie zurückblicken, so haben wir gesehen, dass Großbritannien Impfstoffe hergestellt hat, aber ein Exportverbot dafür verhängt hat“, erinnert er sich.

„Wenn in Polen etwas passieren würde, bin ich mir sehr sicher, dass es ein Exportverbot für TNT geben würde. Das Gleiche gilt für asiatische Länder, die derzeit TNT exportieren. Wenn es in ihrer Nähe zu einem Konflikt kommt, wird es ein Exportverbot geben.“

China ist einer der weltweit größten Produzenten von TNT, wird jedoch von NATO-Ländern aus deren Lieferketten ausgeschlossen.

Steigende TNT-Produktion in Europa

Joakims Unternehmen SWEBAL bringt die TNT-Produktion zurück nach Schweden und will bis 2027 bei voller Kapazität 4.500 Tonnen TNT pro Jahr herstellen, genug für 400-450.000 Granaten. Das reicht zwar nicht aus, um Europas Defizit auszugleichen, dennoch bezeichnete Joakim es als einen „bedeutenden Beitrag“.

„Bis 1998 wurde in Schweden TNT hergestellt“, erklärt Joakim.

„Aber in dieser Zeit, in der viel demilitarisiert wurde, konnte man TNT aus den entschärften Geschossen aufbereiten, wodurch die Bergbauindustrie fast kostenlos TNT bekommen konnte. Es gab also keinen kommerziellen Anreiz, in den 90er-Jahren eine TNT-Produktionsstätte zu betreiben.“

„Und jetzt zahlen wir die Quittung dafür“, fügte er hinzu. „Wir bauen unser Werk 30 Minuten vom alten Werk in Schweden entfernt und nur drei Kilometer von der Alfred-Nobel-Dynamitfabrik. Wir bauen also auf sehr historischem Boden.“

Mit der richtigen Planung ist Joakim zuversichtlich, dass die wachsende Industrie nicht nur die Sicherheit der EU erhöhen, sondern auch wirtschaftliche Vorteile bringen könnte.

„Die europäischen Mitgliedsstaaten geben jedes Jahr 200 Milliarden Euro für Verteidigungsgüter aus. Mehr als 60 % davon werden von amerikanischen Herstellern bezogen.“

„Wenn wir diese Komponenten in der EU herstellen würden, könnten wir mehr als 10 Millionen Arbeitsplätze schaffen“, fügte er hinzu.

SWEBAL verfolgt das Ziel, sämtliche Maschinen, Materialien und Produktionsschritte in der Lieferkette aus einem Umkreis von 550 km zu beziehen. Das ist nicht nur gut für die lokale Wirtschaft, sondern trägt auch dazu bei, die Vorlaufzeiten zu verkürzen. Die Einfuhren aus Asien benötigen derzeit mehr als zwei Monate, da die Schiffe um das Horn von Afrika herum umgeleitet werden, um den Suezkanal zu umgehen. 

Aufbau einer europäischen Verteidigungsindustrie

Während SWEBAL in den Ausbau der Produktion investiert, stellt sich die Frage, ob es überhaupt nennenswerte Fördermittel für die europäische Sprengstoffindustrie gibt.

Im Rahmen des EU-Plans ReArm Europe 2030 könnten in den nächsten vier Jahren bis zu 800 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Dazu gehört auch ein Darlehensinstrument mit der Bezeichnung SAFE (Security Action for Europe) in Höhe von 150 Milliarden Euro, das den Mitgliedstaaten helfen soll, einheimische Unternehmen zu begünstigen. 

Allerdings erklärte Joakim, dass die Beschaffungsaufträge von Streitkräften und Mitgliedstaaten nicht annähernd so schnell eintreffen, wie der Ausbau der Produktion gefordert wird. 

„Das Risikoprofil ist derzeit suboptimal. Die Branche muss ein hohes Risiko tragen, was für uns als neuer Akteur von Vorteil ist, denn wir müssen keine Rücksicht auf bestehende Aktionäre nehmen und auch nicht vierteljährlich auf einen Aktienkurs schauen“, erklärte er gegenüber The Big Question. 

„Meine Aufgabe hier ist es, dafür zu sorgen, dass wir einen zukünftigen Konflikt verhindern, und kurzfristige Gewinne stehen nicht oben auf meiner Agenda.“

Joakim wies auch auf einen weiteren Hemmfaktor für die Branche in Europa hin. 

„Eines der größten Risiken, das ich beim europäischen Militär sehe, ist, dass wir nicht harmonisiert sind. Also Interkompatibilität: Die Panzer dieses Landes sollten mit Munition aus einem anderen Land kompatibel sein.“

„Und um das zu erreichen, muss sich auch der Markt weiterentwickeln. Um ein berühmtes Zitat zu verwenden: ‚Entweder du hast eine Armee oder du hast die Armee eines anderen Landes in deinem Land.‘ Ich denke daher, dass der Preis, den wir zahlen, wenn wir das nicht tun, noch höher sein wird.“

The Big Question ist eine Serie von Euronews Business, in der wir mit Branchenführern und Experten über einige der wichtigsten Themen der heutigen Zeit diskutieren.

Sehen Sie sich das Video oben an, um die gesamte Diskussion über die europäische TNT-Produktion zu sehen.